Sechs Forderungen zum Daueraufreger Nur so ist der Videobeweis noch zu retten

Düsseldorf · Die Diskussionen um den Videobeweis in der Bundesliga gehen munter weiter, und an jedem Spieltag wird sichtbarer, dass es enorme Konstruktionsfehler im System gibt. Es muss sich dringend etwas ändern - nicht nur am Videobeweis selbst.

Videobeweis in der Bundesliga: Wichtige Szenen und Probleme seit Saisonbeginn
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Videobeweis: Wichtige Szenen und Probleme seit Saisonbeginn

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Foto: dpa, fg nic

Schiedsrichter stärken!

Der Videobeweis führt dazu, dass hoch qualifizierte und weltweit geachtete Schiedsrichter hierzulande überhaupt nicht mehr selbst handeln. Und noch viel schlimmer: Ihre Autorität wird durch den Videobeweis in seiner jetzigen Form massiv untergraben. Es ist an der Zeit, den Schiedsrichter auf dem Platz endlich wieder zu stärken! Deshalb sollte die "Überwachungszentrale" in Köln schnellstmöglich wieder abgeschafft werden — nur der Hauptschiedsrichter sollte eingreifen dürfen. Er hat schließlich schon jetzt die technischen Voraussetzungen zur Verfügung und kann sich in einer sogenannten Review Area strittige Situationen ansehen. Es geht um seine Spielleitung. Der DFB täte gut daran, mündige Schiedsrichter zu stärken statt Woche für Woche mehr zu schwächen. Gianni Costa

Erklärt den Leuten im Stadion, was passiert!

Da bezahlen Zuschauer teures Geld, um das Premiumprodukt Bundesliga im Stadion hautnah zu erleben, und dann sind sie am Ende diejenigen, die als einzige im Unklaren darüber gelassen werden, was genau per Videobeweis gerade korrigiert wurde. Hier muss der Schiedsrichter die Fans über die Stadionmikrofone informieren — wie es in der US-Football-Liga NFL schon lange gängige Praxis ist. Im Fall der strittigen Situation am Samstagabend im Borussia-Park hätte Schiedsrichter Sascha Stegemann mit zwei simplen Sätzen erklären können, was er soeben entschieden hatte: "Die Entscheidung auf Elfmeter für Mönchengladbach wird zurückgenommen, weil vorher der Spieler Wendt ein Offensivfoul begangen hat. Das Spiel wird mit Freistoß für Schalke fortgesetzt." Stefan Klüttermann

Einspruchsrecht für beide Teams!

Sie sind die Betroffenen — und haben nach bisherigem Reglement doch keinerlei Mitspracherecht. Wenn man größtmögliche Gerechtigkeit erzielen will, müssen jedoch beide Mannschaften aktiv beteiligt werden. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass jedes Team pro Halbzeit einmal den Videobeweis anfordern darf. Stellt sich ein Einspruch als gerechtfertigt heraus, bleibt dieses Recht bestehen. War die erste Entscheidung jedoch richtig, hat die jeweilige Mannschaft ihr Reklamations-Recht für die entsprechende Spielhälfte verwirkt. Diese Praxis hat sich in anderen Sportarten — etwa im Tennis (dort "Challenge" genannt) — längst bewährt. Die Gefahr, dass die Challenge als taktisches Mittel zur Spielverzögerung eingesetzt werden könnte, ist wegen der Begrenzung sehr gering. Bernd Jolitz

Seid fairer zueinander!

Wer nach jeder halbwegs strittigen Aktion gleich wild gestikulierend eine Überprüfung fordert, kämpft nicht für mehr Gerechtigkeit. Er untergräbt die Autorität des Schiedsrichters und sabotiert dessen Entscheidungsfindung. Wer zudem versucht, aus einem Lufthauch einen Elfmeter zu schinden, oder sich nach klaren Foulspielen als Unschuldslamm gibt, sorgt selbst für mehr Ungerechtigkeit. Die Debatte um den Videobeweis greift zu kurz, wenn sie sich allein damit beschäftigt, welche Fehler die Schiedsrichter wieder einmal bei der Umsetzung begangen haben. Auch die Spieler könnten stattdessen zum Gelingen des Projektes beitragen. Der Fairplay-Gedanke muss auf und neben dem Spielfeld gelebt werden. So wäre mehr gewonnen als durch jede weitere Regelanpassung. Marc Latsch

Runter vom hohen Ross, DFB!

Der DFB muss zeitnah und vehement dem gängigen Eindruck entgegenwirken, er wisse alles am Besten. Vor allem beim Thema Videobeweis. So wäre zum Beispiel ein Austausch mit dem holländischen Verband über die Erfahrungen mit dem Videoschiedsrichter sinnvoll — doch den gibt es nicht, sagen die Niederländer auf Anfrage. Sie haben den Videobeweis übrigens vier Jahre lang erst offline getestet, nun testen sie ihn im zweiten Jahr im Pokal-Wettbewerb, bevor sie ihn zur neuen Saison in der Liga einführen wollen. Und der DFB? Er testete nur ein Jahr offline und ging dann sofort in den Testbetrieb in der Bundesliga. Ein bisschen mehr Demut und der erkennbare Wille, sich Rat auch von anderen Sportarten mit funktionierendem Videobeweis zu holen, ist unverzichtbar. Stefan Klüttermann

Erkennt den Ernst der Lage!

DFB-Präsident Reinhard Grindel hat am vergangenen Freitag Kritiker mal wieder abgeräumt. Die ganze Welt würde Deutschland um die Leistungen seiner Schiedsrichter beneiden. Alles gut. Ende der Diskussion? Vielleicht für Grindel. Aber die Basis ist höchst unzufrieden mit dem derzeitigen Zustand. Der Verband tut gut daran, seine "Kunden" ernstzunehmen. Nicht nur in Sachen Videobeweis. Es geht vor allem um Gewinnoptimierung, um neue finanzielle Rekorde beim Abschluss von TV-Verträgen, der Expansion auf neue Märkte und damit faule Kompromisse wie bei der Kooperation mit China. Es ist eine Entfremdung zwischen Teilen des Publikums und dem Produkt Fußball zu registrieren. Es ist zu hoffen, dass der DFB die Lage entsprechend ernst nimmt. Gianni Costa

(RP)
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