Bundesliga Schon Schumacher schrieb über Doping

Düsseldorf · Der ehemalige Nationaltorwart räumte ein, mit Captagon experimentiert zu haben.

 Der Schriftsteller Toni Schumacher beim Kundendienst: Der Torwart signiert im März 1987 sein Buch in einem Berliner Kaufhaus. Binnen Minuten waren 1000 Exemplare verkauft.

Der Schriftsteller Toni Schumacher beim Kundendienst: Der Torwart signiert im März 1987 sein Buch in einem Berliner Kaufhaus. Binnen Minuten waren 1000 Exemplare verkauft.

Foto: dpa

Mitte der 80er Jahre fühlte sich Deutschlands Nationaltorwart im Fußball nicht mehr ausgelastet. Toni Schumacher wurde Schriftsteller. Er schrieb sein Buch "Anpfiff", das im Frühjahr 1987 erschien. Der Ausflug in die Welt der Autoren hatte Folgen. Schumachers Werk wurde ein Bestseller, aber seine Plaudereien aus dem Nähkästchen des Profisportlers kosteten ihn den Job beim 1. FC Köln, und er flog aus der Nationalmannschaft.

Dabei lasen sich Schumachers Enthüllungen weit weniger brisant, als die Ankündigungen seines Verlags glauben machen wollten. Der Torwart ließ sich allenfalls zu sehr pauschalen Verdächtigungen hinreißen. Eine betraf das Thema Doping. Und da wird es vor dem Hintergrund der neuen Vorwürfe an den VfB Stuttgart der späten 70er und frühen 80er Jahre interessant. Die Evaluierungskommission, die seit sieben Jahren die Doping-Vergangenheit der Freiburger Universität untersucht, hat festgestellt, dass beim Bundesligisten Stuttgart in systematischer Weise und beim damaligen Zweitligisten SC Freiburg in Einzelfällen mithilfe des Freiburger Sportmediziners Armin Klümper gedopt wurde. Das verriet das Kommissionsmitglied Andreas Singler.

Schumacher hatte in seinem Buch geschrieben: "Auch in der Fußballwelt gibt es Doping - natürlich totgeschwiegen, klammheimlich, ein Tabu." Einige seiner Mitspieler "konnten sich ohne diese Spezial-Hochform-Pillen eine Fortsetzung der Karriere gar nicht mehr vorstellen". Konkreter wird der ehemalige Torwart nicht. Er räumt lediglich ein, selbst mit dem Aufputschmittel Captagon experimentiert zu haben. Das überrascht den Experten Fritz Sörgel nicht. Der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Heroldsberg sitzt ebenfalls in der Evaluierungskommission, und er sagte im ZDF: "Es ist bekannt, dass in früheren Jahrzehnten die Einnahme des stimulierenden Captagon eine ganz große Rolle gespielt hat." In Stuttgart sollen vor allem Anabolika zum Muskelaufbau benutzt worden sein.

Klümper soll die Mittel an den Masseur des Klubs geschickt haben. Das freilich bestreitet Francois Caneri, der von 1976 bis 1982 als Physiotherapeut beim schwäbischen Bundesligisten arbeitete. "Doping hat es beim VfB nicht gegeben - das hätte ich gewusst", versicherte er. Grundsätzlich, das räumte er allerdings ein, sei "alles möglich, die Spieler verraten einem nicht alles".

Sehr wahrscheinlich sahen sie gar keinen Anlass dafür, denn sie hatten kein Unrechtsbewusstsein. Das hat Helmut Roleder (zwischen 1972 und 1987 Torwart beim VfB) gestern eher unfreiwillig zugegeben. Er beteuerte zwar: "Ich kann den VfB von irgendwelchen Doping-Geschichten absolut freisprechen." Behandlungen durch Armin Klümper bestätigte er bereitwillig, aber hinterfragt hat er weder die Verordnungen noch die Methoden. "Ich habe es so in Erinnerung, dass Professor Klümper ein anerkannter Sportmediziner war, der auch von seinen Behandlungsmethoden vielleicht etwas progressiver war als die anderen", sagte der frühere Torwart. Wie progressiv Klümper handelte, beweisen die Ermittlungen der Freiburger Kommission. Klümper "akzeptierte weder Dopingregeln noch Gesetze", heißt es im Bericht der Evaluierungskommission.

Wie Roleder geben sich die Fußballer und Funktionäre aus dieser Ära heute am liebsten ahnungslos. Der Fußball-Kaiser selbst lieferte dafür vor zwei Jahren einen eindrucksvollen Beleg. Franz Beckenbauer erklärte auf die Frage, ob er gewusst habe, was die Mediziner ihm als Spieler verabreichten: "Keine Ahnung. Der Doktor hat gesagt: Das ist eine Vitaminspritze." Das habe er natürlich geglaubt.

Das wiederum erinnert an Beckenbauers Vorfahren. Die Helden von Bern bekamen 1954 beim WM-Turnier in der Schweiz ebenfalls Spritzen. Es habe sich um eine Vitamin-C-Kur gehandelt, erklärten sie später. Viele Spieler erkrankten an Gelbsucht, Ersatzspieler Richard Herrmann ist an den Spätfolgen einer nicht behandelten Hepatitis gestorben. Dopingbestimmungen gab es zur Zeit des ersten deutschen Weltmeistertitels noch nicht.

Auch 1966 gingen drei deutsche Spieler, die positiv auf Ephedrin getest worden waren, straffrei aus, weil die Stimulanz noch nicht auf der Liste der Dopingmittel stand. Die Spieler sollen während der WM in England Schnupfensprays benutzt haben. Ihre Namen wurden nie bekannt.

Es bestand auch kein Aufklärungsdruck. Das hat sich geändert. Der Doping-Experte Sörgel betonte: "Fußball ist ein Volkssport, der wichtigste Sport in Deutschland - da kann man sich nicht erlauben, dass etwas ungeklärt bleibt." Ob das der Fußball genauso sieht?

(RP)
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