Borussia Mönchengladbach Eberl: "Eine logische Kaderplanung"

Mönchengladbach · Borussias Sportdirektor Max Eberl spricht über die Schwierigkeiten bei der Verpflichtung von neuen Spielern, die Personalpolitik für die neue Saison, Borussias Nachwuchsarbeit und seine Zusammenarbeit mit Trainer Lucien Favre.

Max Eberl: Seine Karriere in Gladbach, Leipzig und München
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Das ist Max Eberl

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Foto: dpa/Uwe Anspach

Herr Eberl, die Saison ist seit Samstag Geschichte. Borussia hat 60 Punkte geholt und hat sich als Vierter für die Qualifikation zur Champions League qualifiziert. Was sind für Sie persönlich die fünf schönsten Momente der Saison.

Eberl Sicherlich der Auftaktsieg bei den Bayern in einem Spiel, auf das die ganze Welt geschaut hat, weil es das erste dieser Saison war. Dann das Pokal-Viertelfinale gegen Schalke, weil es ein wunderbarer Abschluss des aufregenden Jahres 2011 war. Der Sieg zum Rückrundenauftakt gegen die Bayern war eminent wichtig und für mich sehr beeindruckend. Beim 3:0-Sieg in Stuttgart hat die Mannschaft eine herausragende Leistung gezeigt. Und natürlich war das Pokal-Halbfinale gegen die Bayern ein wichtiger Punkt, auch wenn wir nicht gewonnen haben. Jedes dieser Spiele war emotional und sportlich ein Höhepunkt, weil es im Saisonverlauf wesentliche Punkte waren — aber auch wegen der Art und Weise, wie die Mannschaft gespielt hat. Generell bin ich allerdings kein Freund davon, etwas herauszupicken. Ich schaue lieber auf das Gesamtpaket, das sehr, sehr positiv war.

Ihr aktuelles Lieblingsthema sind Namen...

Eberl (grinst) Ja, ganz sicher. Ich kann ja verstehen, dass in der Öffentlichkeit Namen verlangt werden. Jeder will wissen, wer kommt. Aber ich habe auch immer gesagt, dass wir Namen nur bekanntgeben, wenn wir so weit sind. An dem Punkt sind wir noch nicht. Aber wir sind sicherlich in der Phase, in der bald etwas passieren wird.

In den vergangenen Jahren waren Sie immer schnell durch mit den Verpflichtungen. Jetzt haben Sie 22 Millionen Euro zur Verfügung für Verstärkungen, so viel Geld wie nie zuvor. Da müsste es doch leichter sein, einzukaufen.

Eberl Es wäre zu einfach zu sagen: Es ist Geld da, da muss doch was möglich sein. Es hat ja nichts mit Geld zu tun, ob es einfacher oder komplizierter ist, einen Transfer zu machen. Jeder Transfer ist eine Chance, aber auch ein Risiko. Wir suchen ja nicht irgendwelche Spieler, sondern wollen Spieler mit Qualität, die zu uns passen und eine Perspektive haben. Wir sprechen da über Spieler, um die wir mit großen Vereinen konkurrieren. Das macht es nicht einfacher. Aber wir sind nicht unter Zeitdruck. Wir wollen den Kader bis zum Trainingsauftakt am 2. Juli zum Großteil stehen haben, damit unser Trainer Lucien Favre mit ihm arbeiten kann. Es wird ein Kader sein, der die Herausforderung mit der Doppelbelastung Liga und Europapokal annehmen kann. Aber es muss auch ein Kader sein, der finanzierbar ist, wenn wir nicht im Europapokal spielen.

Wird der Kader wachsen?

Eberl Nein, wir werden den Kader breiter aufstellen, aber nicht unnötig aufblähen. Es ist doch die Chance, die wir haben, uns noch mal zu entwickeln. Drei Spieler gehen weg, vier, fünf werden kommen. Wir werden die Transfers machen und dann noch einmal den Kader justieren.

Das heißt, es werden noch Spieler gehen?

Eberl Das wird sich dann zeigen.

Mit Reus, Dante und Roman Neustädter fällt eine komplette Achse weg. Muss Lucien Favre sein Team neu erfinden?

Eberl Nein, sicher nicht. Wir verlieren drei wichtige Spieler, ja. Aber mit Marc-André ter Stegen, Patrick Herrmann, Tony Jantschke, Mike Hanke, Martin Stranzl, Roel Brouwers, Filip Daems, Juan Arango, Igor de Camargo und anderen bleibt das Gerüst bestehen, zudem haben wir mit Amin Younes, Tolga Cigerci, Alex Ring oder Julian Korb Spieler, die in der neuen Saison auch schon ein Jahr weiter sind. Wir wollen den Kader mit vier, fünf neuen Spielern in der Spitze und in der Breite verbessern. Das ist für mich eine logische Kaderplanung. Im Gros ist das Team weiterhin seit drei Jahren zusammen, es hat seine Leistung gebracht und es gab sportlichen und finanziellen Ertrag. Das Geld, das wir nun in den Kader investieren können, haben wir uns erarbeitet.

Kann man Marco Reus ersetzen?

Eberl Es ist ganz sicher nicht so, dass ein Marco Reus eins zu eins zu ersetzen ist. Dazu müssten wir schon einen Götze, einen Kagawa, einen Kroos oder einen Müller holen. Das können wir nicht. Darum müssen wir versuchen, das durch mehrere Spieler aufzufangen.

War Reus ein Glücksfall? Sie haben Ihn für weniger als eine Million Euro aus Ahlen geholt, er hat wesentlich zur Relegationsrettung und auch zu Europapokal-Qualifikation beigetragen, nun geht er für 17 Millionen Euro zu Meister Dortmund.

Eberl Spieler wie Marco Reus wachsen nicht auf den Bäumen, auch wenn wir im deutschen Fußball glücklicherweise einige solcher großartigen Talente haben. Talent kann man erkennen, aber es ist nicht möglich, eine Entwicklung vorauszusagen. Ich denke aber, dass wir bei Borussia in den vergangenen Jahren viele Talente geformt haben. Seit 2004 haben es im Schnitt 2,5 Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in das Bundesligateam geschafft, Julian Korb, der in Mainz sein Debüt gab, war der 20. seitdem. Das spricht dafür, dass bei uns die Durchlässigkeit nach oben groß ist. Und für eine gute Nachwuchsarbeit.

Ein Produkt dieser Nachwuchsarbeit ist Marc-André ter Stegen, der es in den erweiterten Kader für die Europameisterschaft geschafft hat. Macht Sie das stolz?

Eberl Der Verein kann stolz darauf sein. Aber nicht nur auf Marc, sondern auf alle Talente, die wir hervorgebracht haben. Es wurden ja auch Patrick Herrmann und Tony Jantschke Chancen eingeräumt, in den erweiterten EM-Kader zu rutschen.

Spieler wie Granit Xhaka, Luuk de Jong und David Hoilett, die im Gespräch sind, sind jung, wären aber Startransfers. Wird es auch junge Spieler dazugeben? Zuletzt war der 18 Jahre alte Australier Terry Antonis im Probetraining.

Eberl Wir werden dem Ansatz, den wir haben, treu bleiben. Wir wollen Spieler, die eine Perspektive haben und zu uns passen. Das sind immer auch Perspektivspieler, die vielleicht für eine Überraschung gut sind. Das können aber auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchs sein.

Mit Lukas Rupp und Elias Kachunga kehren zwei Talente, die ausgeliehen waren, zurück. Auch Logan Bailly, Tobias Levels und Bamba Anderson kehren nach Ausleihen zurück.

Eberl Lukas und Elias haben in Paderborn und Osnabrück wertvolle Erfahrungen gesammelt. Beide haben viel gespielt. Lukas wird auf jeden Fall zurückkehren und unseren Kader verstärken. Er kann im Mittelfeld alle vier Positionen spielen. Bei Elias müssen wir schauen, ob er, je nach Kaderstruktur, eine realistische Chance hat, oder ob wir ihn vielleicht noch mal ausleihen, dann aber in die Zweite Liga. Bei Bamba hat Frankfurt eine Option. Aber ich bin auch nicht böse, wenn die Eintracht die nicht zieht, denn Bamba kann auch einer sein, den wir angesichts der Belastung in der neuen Saison gebrauchen können.

Lucien Favre wird, trotz aller Spekulationen, Trainer bleiben und seinen Vertrag bis 2013 erfüllen. Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit ihm?

Eberl Es ist ja so, dass Trainer und Sportdirektoren in der Regel Alphatiere sind. Jeder hat seine Meinung, und ich halte es sogar für fruchtbar, wenn kontrovers diskutiert wird. Es gilt, immer Pro und Contra abzuwägen und dann die Entscheidungen zu treffen, die für den Verein am besten sind. Im Fußball gibt es immer mehrere Meinungen — aber ich denke, dass die Entscheidungen, die der Verein in den letzten drei Jahren getroffen hat, sehr gut waren, egal in welcher Konstellation. Sie haben dazu geführt, dass wir jetzt Vierter geworden sind.

Hat Sie das Ergebnis selbst überrascht?

Eberl Die Nachhaltigkeit und die Kontinuität, mit der die Mannschaft auf hohem Niveau gespielt hat, hat mich überrascht. Wir haben den Kader seit drei Jahren aufgebaut und wussten, dass er Potenzial hat. Darum haben wir trotz der schwierigen Vorsaison mit der schlechten Hinrunde gesagt, dass 40 Punkte plus X das Ziel sind. Das haben wir erreicht — und noch viel mehr. Wenn die Vorsaison ein Schritt zurück war, dann waren es nun zwei Schritte nach vorn. Darum dürfen wir diesen vierten Platz auch nicht exemplarisch nehmen, das wäre der falsche Schluss. Unsere Fans dürfen natürlich träumen und den Europapokal genießen. Aber wir müssen realistisch bleiben. Für uns muss es darum gehen, nachhaltig in der Einstelligkeit zu bleiben. Mancher wird sagen, das ist keine Vision. Aber das ist die Vision, die zu Borussia passt. Und ich glaube die Fans wissen, dass das für uns der richtige Weg ist.

Beim 60. Geburtstag von Rainer Bonhof haben Sie auch Berti Vogts getroffen. Es gab Probleme zwischen Ihnen beiden. Sind die ausgeräumt?

Eberl Wir haben uns unterhalten und es war ein sehr gutes Gespräch.

Karsten Kellermann sprach mit Borussias Sportdirektor Max Eberl.

(RP/rl/can/csi/seeg)
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