Passives Abseits Ein Ärgernis für Spieler, Fans und Schiris

Köln (RP). Mirko Slomka schäumte: "Das war ein reguläres Tor", schimpfte der Trainer des Fußball-Bundesligisten Hannover 96. Schiedsrichter Jochen Drees erkannte den Treffer durch Sergio Pinto, der scheinbar das 1:1 beim 1. FC Köln bedeutete, nicht an. Sein Assistent hatte ihm angezeigt, dass Stürmer Didier Ya Konan den Kölner Torwart Michael Rensing in Abseitsposition behindert hatte.

Bundesliga 11/12: Köln - Hannover
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Besonders pikant: Bei Lukas Podolskis Treffer zum 2:0-Endstand befand sich FC-Spieler Adil Chihi eigentlich in Abseitsposition. Die Diskussion um die Auslegung der Abseitsregel kocht hoch. Nicht nur beim Kölner Sieg, auch bei den Partien Bremen gegen Dortmund und Mainz gegen Augsburg gab es strittige Situationen.

Was besagt das Regelwerk?

In den Statuten des Fußball-Weltverbands (Fifa) wird Abseits zunächst einmal so definiert: "Ein Spieler befindet sich in einer Abseitsstellung, wenn er der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der vorletzte Gegenspieler." Das gilt nur für den Moment, in dem ein Mitspieler den Ball berührt. Genau so stellte sich die Situation bei Pintos Tor dar.

Wann ist eine Abseitsstellung passiv?

Die erläuternden Abschnitte der Regel besagen aber: "Ein Spieler wird nur für seine Abseitsstellung bestraft, wenn er nach Ansicht des Schiedsrichters aktiv am Spiel teilnimmt, indem er ins Spiel eingreift, einen Gegner beeinflusst oder aus seiner Position einen Vorteil zieht." Das heißt: Wer eigentlich in einer Abseitsposition steht, sich aber unauffällig verhält, befindet sich in einer "passiven" Abseitsposition und wird nicht bestraft. Und genau so war's eigentlich ja im Fall Ya Konan.

Welche Probleme haben die Schiedsrichter?

Sie müssen blitzschnell entscheiden, welcher Spieler aktiv eingreift und welcher sich passiv verhält. Die aktuelle Auslegung lautet: Im Zweifel für die angreifende Mannschaft. Selbst wenn ein Stürmer den Torhüter und die Abwehr leicht irritiert, darf er sich ohne Strafe im Abseits aufhalten. Szenen, die früher wegen Abseitsposition abgepfiffen wurden, führen nun vermehrt zu Toren. Erst seit Mitte der 1990er Jahre verwenden die Regel-Exegeten der Fifa den Begriff "passiv". Doch die Auslegung ändert sich ständig.

Warum gibt es überhaupt eine Abseitsregel?

Die Regel entstand im 19. Jahrhundert in England. Die Begründung war, es sei unfair, hinter dem Rücken des Gegners ein Tor zu erzielen. Die Regel soll auch verhindern, dass sich ein angreifender Feldspieler in der Nähe des gegnerischen Tors platziert, auf den Ball wartet und ihn mühelos einschiebt.

Wo liegt das Problem der Spieler und Zuschauer?

Die Nachvollziehbarkeit ist schwierig. Podolski sagt: "Wann es Abseits ist oder nicht, weiß ich nicht — und es interessiert mich auch nicht." Den einen oder anderen Zuschauer interessiert es aber doch.

Welche Lösungen gibt es?

1. Zurück in die "Steinzeit", wie Franz Beckenbauer im TV-Sender "Sky" die Zeit bezeichnete, in der "Abseits noch Abseits war". Ob passiv oder nicht spielte keine Rolle.

2. Die Abseitsregel komplett abschaffen. Die Gefahr, dass die Stürmer nur noch vor dem Tor stehen, besteht heute nicht mehr. Denn heute muss jeder Stürmer Defensivarbeit verrichten, damit der Gegner nicht zu leicht Überzahlsituationen herausspielt.

(RP)
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