Kempter belastet "Fall Amerell" gewinnt an Brisanz

Frankfurt/Main (RPO). Der "Fall Amerell" gewinnt kurz vor der wegweisenden Verhandlung vor dem Landgericht München I am Donnerstag immer mehr an Brisanz. Komplott oder nicht - Hauptbelastungszeuge Michael Kempter sieht sich seit dem Wochenende seinerseits mit Vorwürfen konfrontiert.

Manfred Amerells Erklärung im Wortlaut
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Foto: ddp

Ein Nachwuchs-Schiedsrichter, der in der 3. Liga als Linienrichter aktiv ist, soll sich nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) gemeldet und Anschuldigungen gegen Kempter erhoben haben. Diese sollen auf Vorfälle in einem Hotel am 13. Mai 2009 zurückgehen.

Kempter, der seinerseits den zurückgetretenen Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell beschuldigt hatte, widersprach in der FR den Vorwürfen. Er sei zwar über die jüngsten Vorhaltungen informiert, könne sie aber "nicht bestätigen", sie seien "falsch".

Der DFB wollte weder bestätigen noch dementieren, dass sich ein Schiedsrichter mit entsprechenden Vorhaltungen gemeldet habe. Allerdings teilte der Verband in diesem Zusammenhang mit, dass bei Kempter "keine Hinweise auf eine Pflichtverletzung" vorlägen.

DFB-Präsident Theo Zwanziger sagte der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung mit Blick auf die Rolle Kempters in der Amerell-Affäre: "Sollte Herr Kempter seine Pflichten als Schiedsrichter verletzt haben, werden wir selbstverständlich ermitteln. Derzeit liegen uns dazu aber keine Hinweise vor - im Gegensatz zu Herrn Amerell." Dieser habe in seiner Funktion zu den ihm anvertrauten Schiedsrichtern nicht die nötige Distanz gewahrt.

Zudem scheinen vor der mit Spannung erwarteten Verhandlung am Donnerstag weitere Ungereimheiten aufgetaucht zu sein. Nach Kempters Darstellung hat er DFB-Schiedsrichter-Obmann Volker Roth am 17. Dezember 2009 in Salzgitter geschildert, wie die Abläufe im Fall Amerell aus seiner persönlichen Sicht waren. "Und ich habe ihm gesagt, dass es noch andere Fälle gibt, von denen ich inzwischen gehört hatte. Ich hatte dataillierte Informationen in der Hand", sagte Kempter.

In der FAZ aber hatte Roth dieser Behauptung widersprochen. "Kempter hat nur über sich und Amerell gesprochen, nicht aber über andere, möglicherweise in Mitleidenschaft gezogene Schiedsrichter."

Zwanziger nahm Roth, der die gravierenden Vorwürfe von Kempter erst verspätet an den DFB-Boss weitergegeben hatte, derweil in Schutz - räumte aber einen Fehler ein: "Diese Affäre kann ich auf den ersten Blick nicht Volker Roth zuschreiben", erklärte Zwanziger in der Sonntag-Ausgabe der FAZ. Der 64-Jährige wollte aber nicht verhehlen, dass Roths zögerliches Handeln ein offenkundiger Fehler (Zwanziger: "Das stimmt") gewesen sei.

Roths Entlassung war trotzdem nie ein Thema. Dass dies vor allen Dingen an den zurückliegenden Verdiensten des 68-Jährigen liegt, gab Zwanziger ganz offen zu: "Die Abwägung zwischen diesen Vorwürfen und seinen großen Verdiensten fällt für ihn positiv aus. Deshalb gibt es keinen Anlass, ihn vor seinem seit langem angekündigten Ausscheiden im Oktober abzusetzen."

Zwanziger stärkte Kempter erneut den Rücken und begrüßte seinen Schritt, mit Details an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. "Es ist doch der einzig richtige Weg, diese Schweigekartelle zu beseitigen und damit für mehr Transparenz zu sorgen. Einer muss doch damit anfangen", wird Zwanziger weiter zitiert.

Nach Wunsch von Zwanziger soll Kempter "so schnell wie möglich" wieder pfeifen. Der 27-Jährige müsse aber auch "physisch und psychisch in der Lage sein, seine Aufgaben zu erledigen." Offenbar ist sogar ein Einsatz des Sauldorfers am kommenden Wochenende in der Zweiten Liga geplant. Zwanziger ist sich allerdings der Brisanz der Kempter-Rückkehr bewusst. "Neben den rein sportlichen Dingen gibt es nun auch eine gesellschaftliche Ebene zu berücksichtigen - also die Reaktion in den Stadien. Wir müssen das gemeinsam besprechen", meinte Zwanziger.

Am Donnerstag wird es vor dem Landgericht München I zu der Verhandlung zwischen Amerell und dem DFB kommen. Amerell und sein Anwalt Jürgen Langer ("Dann muss der DFB Farbe bekennen") wollen in einem Zivilverfahren gegen den Verband eine einstweilige Verfügung erreichen, wonach der DFB nicht mehr von "sexueller Belästigung und Übergriffen" in Bezug auf Amerell sprechen darf.

(SID/chk)
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