"Wir haben den Rhythmus verloren" "Bundesliga-vorbei"-Gerede kann Bayern zum Verhängnis werden

München · "Willkommen beim Meister!" Die süffisante Botschaft, mit der die Bayern den Rivalen Dortmund in ihrer Arena empfangen, wird zum Bumerang. Meisterlich agieren nur Reus und Co. bei ihrem 3:0. Pep Guardiola muss einräumen: "Wir haben den Rhythmus verloren."

 Pep Guardiola hat seiner Mannschaft mit dem "Bundesliga-vorbei"-Gerede scheinbar keinen Gefallen getan.

Pep Guardiola hat seiner Mannschaft mit dem "Bundesliga-vorbei"-Gerede scheinbar keinen Gefallen getan.

Foto: Boris Roessler

Die schallende Dortmunder Watschn schreckte Pep Guardiola kurz vor dem Champions-League-Kracher gegen Real Madrid auf. Verstört registrierte der Münchner Titel-Trainer, dass seine trägen Stars beim heftigen 0:3 (0:1) im Bundesliga-Topspiel gegen eine meisterlich aufspielende Borussia in die von ihm persönlich ausgelegte Falle getappt waren. "Die Bundesliga ist vorbei" - getreu diesem Alibi ihres Chefs agierten Kapitän Philipp Lahm und seine Kollegen am Samstag: emotionslos, ideenlos, widerstandslos!

"Wir haben den Rhythmus verloren", gestand Guardiola und kreidete sich selbst "einen Fehler" an. "Wir müssen sofort reagieren", sagte der Spanier mit Blick auf das Pokal-Halbfinale an diesem Mittwoch gegen den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern. Nach dem Gewinn der Turbo-Meisterschaft am 27. Spieltag in Berlin habe es irgendwie "puff" gemacht - die Luft ist raus. "Ich muss einen Trick finden", sagte Guardiola. Irgendwie muss er den Hebel wieder umlegen.

Erste Heimpleite seit Oktober 2012

"Die letzte Gier, das muss man ganz klar festhalten, fehlt aktuell in der Liga", gab Nationalspieler Thomas Müller zu. Nur drei seiner 833 Bundesliga-Heimspiele hat der deutsche Rekordmeister höher verloren. Das 0:3 war die erste Heimpleite seit dem 1:2 gegen Bayer Leverkusen am 28. Oktober 2012. "Das ist ein schmaler Grat, auf dem wir agieren", kommentierte Sportvorstand Matthias Sammer.

Ausgerechnet BVB-Triumphator Jürgen Klopp sah keinen Anlass für Panikschübe beim Champions-League-Sieger. Für ihn bleibt der Erzrivale der Favorit auf den erneuten Titelgewinn. "Im Halbfinale gegen Real Madrid werden die Bayern auf den Punkt da sein", sagte Klopp. Im Prestigeduell der besten deutschen Mannschaft war das nur Borussia. Klopps Systemumstellung auf 4-3-3 ging voll auf. Der BVB konterkarierte das provokante "Willkommen-beim-Meister"-Banner über dem Spielereingang der Münchner Arena. "Und ihr wollt deutscher Meister sein", skandierten die mitgereisten BVB-Fans hämisch.

"Das war ein Ausrufezeichen. Die Bayern sind schlagbar, das tut uns sehr gut", meinte Kapitän Sebastian Kehl. Klopp sprach von einer "außergewöhnlichen Woche" mit Siegen gegen Real Madrid (2:0) und die Bayern. "Das war brutal harte Arbeit. Die drei Punkte gegen Bayern sind fast Bonuspunkte für uns", resümierte er mit Blick auf Platz zwei, die praktisch fixe direkte Champions-League-Teilnahme und den Rückenwind für das Pokal-Halbfinale am Dienstag gegen Wolfsburg. "Nach Berlin zu kommen, ist das große Ziel", erklärte Klopp.

Auf Wiedersehen in Berlin! Am 17. Mai könnte es in der Hauptstadt zu einem großen Endspiel-Duell Bayern gegen Dortmund kommen. Dann dürften sich auch die Bayern wieder anders präsentieren. Am Samstag ließen sie sich auskontern und abschießen von Henrich Mchitarjan (20. Minute), dem vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw wieder in WM-Form agierenden Marco Reus (49.) sowie Youngster Jonas Hofmann (56.). Klopp konnte sich sogar den Luxus leisten, den im Sommer nach München wechselnden Torjäger Robert Lewandowski erst zu bringen (62.), als man 3:0 führte und das Spiel längst entschieden war.

Die leichte Wadenblessur von Nationaltorhüter Manuel Neuer und die Rote Karte für Rafinha (90.+1), der Mchitarjan bei einem unnötigen Scharmützel ins Gesicht langte, komplettierten die schlechteste Saisonleistung der Bayern. Immerhin konnte Neuer nach dem Spiel Entwarnung geben, Bundesliga-Debütant Lukas Raeder musste ihn lediglich für 45 Minuten als glückloser Schlussmann vertreten.

Erklärung für den Systemausfall

Sammer hatte immerhin eine Erklärung für den Systemausfall der Münchner Meistermannschaft parat: "Dass da keine Roboter auf dem Platz stehen, keine Maschinen." Maschinen können auf Knopfdruck wieder angeschaltet werden, die menschelnden Bayern-Profis aber scheinen das "Bundesliga-vorbei"-Gerede verinnerlicht zu haben.

Tribünengast Jupp Heynckes, der die Bayern 2013 auch schon am 28. Spieltag zum Titel geführt hatte, war Ähnliches nicht passiert. Er hielt den Rhythmus in der vergangenen Saison auch in den letzten sechs Ligaspielen hoch - fünf Siege und ein Remis in Dortmund (1:1) waren das Resultat. "Dieses Problem, dass die Luft draußen ist, kriegen wir aktuell nicht in den Griff", gab Müller zu. Im Pokal gegen Kaiserslautern und erst recht in der Königsklasse gegen Real Madrid muss sich das wieder ändern, mahnte Sammer: "Die Jungs wissen genau, dass wir wieder richtig Bayern München spielen müssen."

(dpa)
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