Schalke empfängt Dortmund Männerfußball im Revier

Gelsenkirchen · Der FC Schalke 04 empfängt Borussia Dortmund zum Derby. Verlieren ist mal wieder für beide Teams verboten. Viele erwarten ein Kampfspiel.

 Thomas Tuchel vor der Schalke-Kurve.

Thomas Tuchel vor der Schalke-Kurve.

Foto: dpa, bt nic

Thomas Tuchel kann stundenlang über die Feinheiten des Fußballs dozieren. Er ist ein Meister in dieser Disziplin, erreicht wird Borussia Dortmunds Trainer allenfalls vom langjährigen Branchenprofessor Ralf Rangnick, dem Sportdirektor von RB Leipzig. Tuchel ist aber nicht nur ein begeisterter Anhänger des vornehmen Details, er ist im Zweifelsfall auch dem eher groben Keil nicht abgeneigt. Immer, wenn es bei seinen Mannschaften um wichtige Spiele, um mögliche Trendwenden oder auch nur um die notwendige Konzentration geht, schwärmt Tuchel für "Männerfußball". Den kleinen Vortrag über die Vorzüge des kämpferischen und körperlichen Spitzensports wird er seinem Team vor dem Revier-Derby bei Schalke 04 (15.30 Uhr/Live-Ticker) nicht erspart haben.

Schon vor dem Hinspiel hatte Tuchel ausgiebig die Schalker Qualitäten in dieser besonderen Disziplin gepriesen, die gerade in den traditionell eher hitzigen Treffen der alten Rivalen besonders gefragt ist. Die Schalker wurden ihrem Ruf im ehemaligen Westfalenstadion gerecht. Sie ertrotzten mit Männerfußball ein 0:0, und der von den Fußballgöttern mit einem besonders eindrucksvollen Körper beschenkte Außenverteidiger Sead Kolasinac tat sich mit einem ziemlich groben Einsatz gegen Christian Pulisic hervor. Er schickte den 18-jährigen Dortmunder nach bester Kreisliga-Manier in die Werbebande. Das fand dann wieder Tuchel bei aller Hochachtung für männliche Tugenden ein bisschen zu heftig.

Zu Mainzer Zeiten hat er mal genauere Auskunft zu seiner Vorstellung vom Männerfußball gegeben. "Wir müssen Chancen verhindern, die Laufleistung hochdrücken, die Zweikampfwerte hochdrücken", sagte er. Zurückziehen ist bei Strafandrohung verboten. Damit trifft er die Einstellung des Publikums, das in dieser Begegnung seit jeher keine Verwandten kennt. Die Spieler beteuern, dass sie die Atmosphäre von den Rängen regelrecht einatmen. Aber die meisten haben die Rivalität, die Schalker und Dortmunder voneinander trennt wie Kölner von Mönchengladbachern, eigentlich nur geliehen. Das liegt auch an der Verweildauer von Profis bei ihrem Arbeitgeber. In oft nur wenigen Jahren kann niemand begreifen, was im Herzen der Anhänger vorgeht, die in ein Leben zwischen Gelb und Blau hineinwachsen.

Bei alten Derby-Hasen sieht das anders aus. Der Schalker Kapitän Benedikt Höwedes hat als Profi schon 13 Spiele gegen Dortmund erlebt. Und er spürt das Außergewöhnliche jeden Tag. "Egal, ob du zum Bäcker oder zum Tankwart gehst, du bekommst von jedem einen Spruch mit für Samstag", erklärte er. Bei vielen seiner Kollegen würde der Spruch bereits durch unüberbrückbare Sprachprobleme ins Leere gehen.

Für Höwedes ist die Ausgangslage vor jedem Derby gleich. "Es zählen Ehrgeiz, Kampfeslust und Bereitschaft", betonte der Schalker Kapitän. So ähnlich hätte das auch Tuchel gesagt.

In seinem Team ist der Grieche Sokratis so etwas wie der Abteilungsleiter fürs vergleichsweise Grobe. "Er ist ein echter Spieler, ein echter Mann, er spielt Männerfußball", erklärte der BVB-Coach, "er hat Lust, Zweikämpfe zu führen." Diese Lust ist in Tuchels Team der jugendlichen Feingeister nicht immer zu beobachten, und deshalb hält der Trainer vor den entscheidenden Spielen der Saison mit großer Hingabe seine Vorträge. Dass seine Jungs allerdings "scho' au'", wie der große Berufskollege Jogi Löw sagen würde, einiges vertragen, zeigte ebenfalls das Hinspiel. Pulisic schüttelte sich nach seinem Flug in die Werbebande kurz und setzte die Begegnung ohne erkennbaren Schaden an Leib und Seele fort.

Sokratis musste also nicht einmal zum Vergeltungsschlag gegen Kolasinac ausholen. Er schaute nur grimmig, was ihm ohne taktische Vorgespräche stets glänzend gelingt. Die Gelbe Karte holte er sich bei anderer Gelegenheit ab. Pulisic spielte die Partie ohne Verwarnung bis zum Ende. Mannhaft, versteht sich.

(pet)
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