Kolumne Gegenpressing Hört auf mit der Marketing-Heuchelei!

Düsseldorf · Vereine vermarkten in diesen Zeiten gerne ihre Tradition. Ein kluger Schachzug der zu Wirtschaftsunternehmen gewachsenen Klubs, um Geld zu machen. Und die Fußball-Romantiker fallen darauf herein.

Preise der Bundesliga-Trikots 2016/2017 – FC Schalke 04 am teuersten
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Das kosten die Bundesliga-Trikots 2016/17

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Foto: dpa, gki hak

Fußballfans sind sehr unterschiedlich. Eine besondere Spezies ist der Romantiker. Er besteht darauf, den innigsten Beziehungsstatus zum Volkssport zu pflegen. Der Romantiker neigt dazu, die Vergangenheit zu verklären und in "Früher-war-alles-besser"-Monologe zu verfallen. Tradition, Ehre, Respekt - das sind Werte, die in seinen Ohren klingen und die er gerne in Marktschreier-Manier den Emporkömmlingen aus Wolfsburg, Hoffenheim und Leipzig entgegenblökt. Der Romantiker neigt aber auch dazu, sich belügen zu lassen.

Ein typischer Verein für einen Romantiker ist der FC Schalke von 1904. In dieser Woche bewarb der Klub aus Gelsenkirchen über den Social-Media-Kanal Facebook einen Pullover mit Kapuze, neudeutsch Hoodie genannt. Der Pullover trägt den Namen "Kumpel & Malocher Hoodie". In der Beschreibung heißt es: "Dieser Kumpel & Malocher Kapuzensweater darf in keiner FC Schalke Fangarderobe fehlen! Denn Kumpel und Malocher sind mehr als nur Begriffe: Diese Worte stehen für eine alte Tradition, die verpflichtet." Wenn da dem Romantiker nicht warm ums Herz wird, weiß ich es auch nicht. Für schlappe 49,95 Euro kann der Schalke-Fan der ganzen Welt zeigen, welch großartig bodenständigen Klub er doch unterstützt.

Aber: Bei einem Umsatz von 264,5 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2015 ist der FC Schalke mittlerweile ein so großes Wirtschaftsunternehmen geworden, dass zumindest die Frage erlaubt sein muss, wie viel Bodenständigkeit und Herzlichkeit hinter der Fassade tatsächlich noch gelebt wird? Fest steht: In diesem Wirtschaftsunternehmen gibt es viele schlaue Marketingfachmänner. Die analysieren das Publikum haargenau. Die wissen um den "Früher-war-alles-besser"-Wunsch des Romantikers und nutzen ihn gnadenlos aus. Und sind wir mal ehrlich: Ein "Hipster & Juppie Hoodie" würde sich vermutlich auch deutlich schlechter verkaufen. Denn der Romantiker glaubt an das Gute -egal, wie viele Julian Draxlers noch auf den traditionellen Werten herumtrampeln.

Wo man hinschaut, wuchern Traditionsklubs mit Werbesprüchen, neudeutsch "claims", die suggerieren, dass der Verein doch reichlich Werte aus der guten, alten Vergangenheit vertritt. Dass sich der Fußball mit der Kommerzialisierung auf allen Ebenen verändert hat, wird gerne verschwiegen.

In den Jahren vor dem Milleniumwechsel gab es noch keine Kampagnen wie "Echte Liebe" (Dortmund), "Die Fohlenelf" (Mönchengladbach), "Wir sind FC" (Köln) oder "Einfach nur Fußball" (Fortuna). Da war Fußball wirklich einfach nur Fußball - ohne Marketing-Heuchelei. Und das war nun wirklich früher besser...

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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