Zehn Hingucker des 9. Spieltags Das Tattoo-Tor und der Sieg der Verstoßenen

Düsseldorf · Konnte man das übersehen? Schiedsrichter Bastian Dankert konnte es und ließ Leon Andreasens Handtor für Hannover 96 beim 1. FC Köln gelten. Ebenso eindeutig gewann der SV Darmstadt beim FC Augsburg – auch das ist absolut verblüffend. Zwei von zehn Hinguckern am 9. Spieltag.

Leon Andreasen trifft mit dem Arm gegen den 1. FC Köln
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Andreasen trifft mit dem Arm gegen Köln

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Konnte man das übersehen? Schiedsrichter Bastian Dankert konnte es und ließ Leon Andreasens Handtor für Hannover 96 beim 1. FC Köln gelten. Ebenso eindeutig gewann der SV Darmstadt beim FC Augsburg — auch das ist absolut verblüffend. Zwei von zehn Hinguckern am 9. Spieltag.

Handspiel des Tages: Leon Andreasen

Der Däne in Diensten von Hannover 96 darf seit dem 1:0 beim 1. FC Köln wohl eine traurige Bundesliga-Bestmarke sein Eigen nennen — die für das irregulärste Handtor seit 1963. Es war das einzige des Spiels, was die Gastgeber aus der Domstadt entsprechend auf die Palme brachte.

"Es ist — schönen Gruß an den DFB — ärgerlich, dass wir heute Handball-Schiedsrichter hier hatten und das Spiel durch einen Kempa-Trick entschieden wird", wetterte Kölns Geschäftsführer Jörg Schmadtke, gab aber auch zu: "Wir haben das Spiel nicht ausschließlich wegen der Schiedsrichter verloren."

Umstrittene Tor-Entscheidungen in der Fußball-Geschichte
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Umstrittene Tor-Entscheidungen in der Fußball-Geschichte

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"Volleyballer" Andreasen, der mit seinem komplett tätowierten rechten Arm den Ball so eindeutig wie nur möglich gespielt hatte, kämpfte dann auch gleich um seinen Ruf. "Das ist ein klares Handspiel. Ich habe gespürt, dass mich etwas am Arm trifft, aber es ging alles sehr schnell. Das ist jetzt ein blödes Gefühl, ich bin normal ein fairer Spieler", sagte der 32-Jährige, der sein Team zum zweiten Sieg in Folge und so aus der Abstiegszone beförderte.

Max Kruse hat als Fußballer eine ziemlich perfekte Woche hinter sich. Nach vier eminent wichtigen Toren binnen sechs Tagen und dem ersten Dreierpack seiner Karriere kam der 27 Jahre Stürmer des VfL Wolfsburg am Samstag aus dem Strahlen nicht mehr heraus. "Da ich noch nie drei Tore geschossen habe, ist das für mich nicht normal", begründete Kruse nach seinen drei Toren (1./62./83. Minute) zum 4:2 (2:1) gegen Hoffenheim sein Dauergrinsen.

Hannover 96: "Andreasen zieht Punkte dem Fair Play vor" - Pressestimmen
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9. Spieltag: Pressestimmen

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Der frühere Gladbacher ist in diesen Tagen sportlich gesehen der öffentlich gefragteste Fußballer Deutschlands. Erst schoss Kruse die Nationalelf mit seinem 2:1-Siegtreffer gegen Georgien zur EM nach Frankreich und sechs Tage später seinen Club rechtzeitig vor dem wichtigen Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen PSV Eindhoven aus der sportlichen Krise. "Das war heute extrem wichtig", sagte Kruse.

Kyriakos Papadopoulos hatte es wuchtig mit dem Kopf versucht — Rene Adler gewann. Ömer Toprak hatte vom Strafraum abgezogen — Adler parierte glänzend. Julian Brandt schoss aus nächster Nähe — Adler lenkte den Ball irgendwie über die Latte.

Spätestens als der Keeper des Hamburger SV die dritte Großchance überragend parierte hatte, wusste die Werkself von Bayer Leverkusen wohl: Gegen diesen Adler ist heute nichts zu machen. "Adler hat uns in der ersten Hälfte den Arsch gerettet", sagte Stürmer Pierre-Michel Lasogga über seinen Schlussmann, der den Punkt beim 0:0 festhielt.

49 Tage musste Adler pausieren - und meldete sich dann ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub in Weltklasse-Form zurück. "Wenn man es sarkastisch nehmen möchte, war es fast wie ein Münzwurf", sagte Trainer Bruno Labbadia über die Entscheidung, Adler den Vorzug gegenüber dem zuletzt fehlerlosen Jaroslav Drobny zu geben. Doch Adler zahlte das Vertrauen mit einer starken Vorstellung zurück und scheint nun auch das Torwartduell nach überstandener Schulter-Prellung wieder für sich entschieden zu haben.

Ignjovski tritt Raffael auf den Fuß
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Ignjovski tritt Raffael auf den Fuß

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Von Glück zu sprechen, dass über die Szene in der 45. Minute nach dem 1:5 der Frankfurter Eintracht gegen Borussia Mönchengladbach kaum noch gesprochen wurde, wäre vermessen. 1:1 stand es, als Aleksander Ignjovski dem Gladbacher Raffael voll auf den Fuß trat. Schiedsrichter Florian Meyer und sein Team sahen die Szene nicht, Ignjovski kam davon und ging mit der Eintracht in der zweiten Halbzeit unter. Der DFB dürfte Ermittlungen einleiten gegen den Serben. Alles andere wäre eine Überraschung.

Bei Hertha BSC abserviert, beim Aufsteiger SV Darmstadt 98 hoch im Kurs: Sandro Wagner (27) und Peter Niemeyer (31) haben einen Sommer zwischen Auslaufmodell und Hoffnungsträger hinter sich, und die neue Chance bei den Lilien genutzt. Mit ihren Toren beim 2:0 (2:0) gegen den FC Augsburg verhalfen sie den Südhessen zu einer neuerlichen Überraschung. "Im Fußball bist du an einem Tag der Depp und am anderen Tag vielleicht der Held", sagte Wagner nach seinem dritten Saisontreffer, und selten passte dieser Satz so gut wie in seinem und in Niemeyers Fall.

Im Sommer durften beide schon nicht mehr mit ins Hertha-Trainingslager, ein deutlicheres Zeichen kann es kaum geben. In Darmstadt empfing Trainer Dirk Schuster dagegen Niemeyer als "absoluten Wunschspieler" und Wagner war "genau der Typ Angreifer, den wir gesucht haben." Aber Wagner und Niemeyer sind auch nur Teil eines stimmigen Gefüges, mit dem Darmstadt derzeit gerade auswärts verblüfft. "Jeder hat seine Aufgabe, keiner macht es komplizierter als es ist. Vielleicht ist das die Lösung. Wir versuchen ehrlichen Fußball zu spielen, das klappt gut", verdeutlichte Wagner.

"Tor ist Tor — nur das zählt. Es war natürlich ein überragendes Gefühl. Granit hat mich danach so fest in den Arm genommen, dass ich mich fast gar nicht mehr bewegen konnte", schilderte Mahmoud Dahoud auf Borussia Mönchengladbachs Webseite die Umstände seines zweiten Bundesligatreffers. Der 19-Jährige war beim 5:1 in Frankfurt mit einem Tor und zwei Vorlagen der beste Mann auf dem Platz.

Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sein Schuss von David Abrahams Hinterteil an Keeper Lukas Hradecky vorbei ins Tor gelenkt wurde. Zuvor hatte Lars Stindl die Latte getroffen, Fabian Johnson scheiterte wenig später am Aluminium. Gladbach erlebte eine sensationelle Phase nach der Pause — und Dahoud war mittendrin.

72 Minuten lang spielte der FC Schalke gegen Hertha BSC in Überzahl. Ein Tor gelang den Königsblauen durch Benedikt Höwedes bis zum Anbruch der Nachspielzeit, eines kassierten sie dafür auch durch Salomon Kalou. Alles deutete bereits auf einen Rückschlag im Kampf um die Champions-League-Plätze hin, als Leroy Sane Hertha-Keeper Rune Jarstein bediente und Max Meyer die Nerven behielt.

Die Nerven behalten — das war auch beim ausgelassenen Torjubel in der Veltins-Arena die Devise. Meyers Teamkollegen begruben ihn unter sich, sogar Trainer Andre Breitenreiter gesellte sich dazu. Der schmächtige 20-Jährige steckte die drohende Atemnot bestens weg.

"Sonst bin ich vor Spielen immer aufgeregt. Heute war ich es kurioserweise nicht. Warum, das habe ich noch nicht hinterfragt", sagte Schalkes Sportchef Horst Heldt nach dem 2:1 gegen Hertha BSC und schürte damit weiter Gerüchte, er wisse bereits von seiner bevorstehenden Ablösung durch den Mainzer Christian Heidel.

Und auch sonst klangen viele von Heldts Worten nach einer klassischen Abschiedsrede. "Ich stehe hunderttausendprozentig hinter dem Verein, den Fans und den handelnden Personen", versicherte er: "Ich bin hier aufrecht reingegangen, und ich gehe auch aufrecht wieder hier raus. Wann das sein wird, werden wir sehen."

Am Sonntag legte Heldt nach. "Natürlich ist es legitim und wichtig für den Verein, sich Gedanken zu machen. Die Art und Weise sind das Entscheidende. Die Art und Weise haben dazu geführt, dass bei mir ein Denkprozess stattgefunden hat. Ich habe für mich entschieden, wie es weitergeht", sagte Heldt am Sonntag im Sport1-Doppelpass. Die Entscheidung soll zeitnah verkündet werden.

Beim VfB Stuttgart bemängelten sie in den letzten Tagen den mangelnden Biss von Vedad Ibisevic. Nach seinem erfolgreichen Start bei Hertha BSC war der Bosnier dafür offenbar übermotiviert. Mit großem Anlauf war er dem Schalker Max Meyer in die Beine gesprungen und hatte dafür zurecht die Rote Karte gesehen. Die Berliner mussten fast 75 Minuten in Überzahl spielen und bezahlten den Kraftaufwand mit dem entscheidenden 1:2 in der Nachspielzeit.

Meinungen, der bereits siebte Platzverweis in Ibisevic' Karriere sei überzogen, weil das Einsteigen von der Seite und nicht von hinten erfolgt sei, ließ Hertha-Coach Pal Dardai dann auch nicht gelten. "Die Rote Karte kann man so geben", gab der Ungar unumwunden zu. Ibisevic sei augenscheinlich übermotiviert gewesen. Ob er eine Geldstrafe erhalte, sei noch offen.

Gemeinsam mit Salomon Kalou bildete er Herthas Traumsturm, der die Berliner auf Tabellenplatz vier führte. Dies hat sich nun erst einmal erledigt, der Bosnier wird einige Wochen gesperrt werden und fängt danach wieder neu an. Zum zweiten Mal bereits in dieser Saison.

Zwei Spieler, zwei Sichtweisen. Während sich Robert Lewandowski sicher war, elfmeterreif gefoult worden zu sein, sah der Bremer Keeper das völlig anders. Wiedwald sagte über die Situation: "Er kommt mit Tempo, ich komme mit Tempo, am Ende habe ich den Ball. Wie soll ich ihn da gefoult haben?"

Die Spuren am Oberschenkel von Robert Lewandowski waren allerdings deutlich zu erkennen. In der 72. Minute war der Strmer des FC Bayern von Werders Torhüter Wiedwald mit gestrecktem Bein im Strafraum rüde zu Fall gebracht worden. Doch es gab keinen Elfmeter, keine Rote Karte — lediglich die Striemen als Souvenir für Lewandowski, der erstmals seit Ende August in der Bundesliga ohne eigenen Treffer blieb.

(jaso/dpa/sid)
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