Jahreshauptversammlung auf Schalke Hitzige Diskussionen, Tönnies wiedergewählt

Gelsenkirchen · Auf einer turbulenten Jahreshauptversammlung ist Aufsichtsratschef Clemens Tönnies trotz harscher Kritik und stundenlanger Diskussionen erneut in das Kontrollgremium des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 gewählt worden.

Für den Fleischfabrikanten aus Rheda-Wiedenbrück, der seit 1994 im Aufsichtsrat sitzt und ihn seit 2001 führt, votierten 4496 der 5778 stimmberechtigten Mitglieder. Neben dem 57-Jährigen wurde auch der Unternehmensberater Peter Lange gewählt.

"Ich will die Gräben zuschütten - und wenn ich dafür den größten Bulldozer der Welt anschaffen muss", sagte Tönnies nach hitzigen Diskussionen über den umstrittenen Vertrag mit der Ticketbörse Viagogo. Nach seiner Wiederwahl fügte er nachdenklich an: "Wenn das der Umgang ist, den wir in Zukunft pflegen, dann verspreche ich, dass das meine letzte Wahl war. Ich habe das erste Mal das Gefühl erlebt wie ein Spieler, der ausgepfiffen wird."

Kritik vieler Mitglieder harsch

Die Wahlen, der wichtigste Punkt der Tagesordnung, fanden erst viereinhalb Stunden nach Beginn der Versammlung in der Schalker Arena statt. Zuvor war über zwei Stunden über den Viagogo-Deal diskutiert worden. Die Kritik vieler Mitglieder war harsch. "Undemokratisch und mitgliederverachtend" seien Vorstand und Aufsichtsrat vorgegangen, "der Mythos Schalke ist zerstört", die Fans fühlten sich "verraten und verkauft". Tosender Beifall und "Via-no-go"-Rufe begleiteten die Kritiker.

"Wir haben Prügel bekommen, wie ich sie in 19 Jahren noch nie erlebt habe", gab Tönnies zu: "Wenn man diese Versammlung erlebt, könnte man meinen: jeder gegen jeden. Das tut mir weh." Die Viagogo-Gegner setzten eine Probeabstimmung durch, in der sich die überwältigende Mehrheit für einen Ausstieg aus dem Vertrag aussprach.

Der Verein, der vor vier Jahren noch "ein Sanierungsfall" gewesen sei, stehe gut da, betonte Tönnies: "Ich kenne viele Vereine, die gerne unsere Sorgen hätten." Entlastet wurden Aufsichtsrat und Vorstand aber trotz aller Kritik.

"Lukrativer Sponsorenvertrag"

Die meisten Pfiffe gab es für den Marketing-Vorstand Alexander Jobst, dem in erster Linie die Zusammenarbeit mit Viagogo angekreidet wird. "Wirtschaftlich ist es für uns ein lukrativer Sponsorenvertrag", sagte Jobst. 3,6 Millionen Euro kassiert der Klub in den nächsten drei Jahren dafür, dass das umstrittene Unternehmen pro Jahr 3000 Karten mit maximal 100-prozentigem Aufschlag weiterverkauft und alle Ticketverkäufe von Fan zu Fan übernimmt.

"Wir sind Schalker und du nicht!", schallte dem ehemaligen Fifa-Angestellten entgegen. Jobst versprach, genau zu beobachten, ob "Tausende Karten zur eigenen Bereicherung und Abzocke eingestellt werden". Dann könne eine Klausel gezogen und der Vertrag bereits nach zwei Jahren gekündigt werden.

Auch Finanzvorstand Peter Peters wurde mit einem Pfeifkonzert begrüßt, als er die Zahlen des Geschäftsjahres 2012 präsentierte. "Mit 190,8 Millionen Euro haben wir den zweithöchsten Umsatz in der Vereinsgeschichte erreicht", berichtete Peters. Das Minus von 8,9 Millionen Euro sei vor allem entstanden, weil man auf Spielerverkäufe verzichtet habe und zudem für 12,4 Millionen Euro in den letzten drei Jahren das Arena-Dach reparieren musste.

Seine Finanzverbindlichkeiten senkte der Klub um zwölf auf 173,1 Millionen Euro. "Schalke ist gut aufgestellt. In der Bundesliga spielen wir regelmäßig im oberen Drittel, in Europa stehen wir mittlerweile in den Top 15", resümierte Peters und forderte weiteres Wachstum: "Wenn wir weiter in der Champions League spielen wollen, wenn wir wollen, dass unsere besten Spieler langfristig das königsblaue Trikot tragen, dann kostet das Geld."

"Bock, über Fußball zu reden?"

Einzig Sportvorstand Horst Heldt blieben Pfiffe erspart. "Habt ihr Bock, über Fußball zu reden?", fragte der Manager und berichtete dann über das "Wechselbad der Gefühle" in der abgelaufenen Saison, verteidigte den Rauswurf von Trainer Huub Stevens ("menschlich traurig, aber sportlich unumgänglich") und die Beförderung von Jens Keller ("der absolut richtige Mann für uns").

Applaus gab es vor allem, als Heldt die Ziele für die neue Saison formulierte: "Wir wollen in der Champions League in die K.o.-Runde, in der Bundesliga wieder unter die ersten Vier und im Pokal nach Berlin." Lacher erntete der Ex-Profi, als er nach Aufzählung der Neuzugänge sagte: "Ich hatte hier auf dem Zettel noch Leon Goretzka stehen, aber so weit sind wir wohl noch nicht."

(sid)
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