Bundesliga-Check, Teil 6 HSV vom Abstieg bedroht

Hamburg · Ausgerechnet vor dem Jubiläumsjahr macht das einzige Dauermitglied der Liga Sorgen. Der Hamburger SV hat wichtige Spieler verloren und eine Chaos-Vorbereitung hingelegt. Zuletzt flüchtete Trainer Thorsten Fink mit seinem Team in ein Überlebenstraining.

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Die Idee war wirklich gut: Als beim Bundesliga-Dino Hamburger SV alles drunter und drüber ging, ist Trainer Thorsten Fink mit seinen Mannen ins Survival-Camp geflohen. Vier Tage nur Wasser und Brot in Schweden — Überlebenstraining. Auf die Idee, so ist es zumindest überliefert, sind die echten Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren nicht gekommen, als für sie die Luft dünn wurde. Ob diese Vorbereitung für die (Spitz-)Namensvetter aus der Hansestadt reichen wird, um als einziger Bundesliga-Klub auch die 50. Jubiläums-Saison ohne Abstieg zu überstehen, ist fraglicher denn je.

Das Überlebenstraining, bei dem die Profis sich von selbst gefangenem Fisch ernährten, war schon die zweite Reise des HSV in Urzeit-Verhältnisse. Die erste war der Auslöser für das Chaos in der Vorbereitung, als sich im Training Heung-Min Son und Slobodan Rajkovic recht urzeitlich prügelten. Weil zeitgleich HSV-Investor Michael Kühne öffentlich seinen Unmut kundtat ("So wie zuletzt gespielt wurde, das ging ja auf keine Kuhhaut", "Das letzte Feuer brennt nicht"), lagen die Nerven blank, noch bevor die Spieler auf dem Platz einen gebührenderen Anlass dafür liefern konnten.

Das könnten sie bald nachholen. Prominente Abgänge haben den HSV, der schon in der Vorsaison nur wegen noch mieserer Vorstellungen von Berlin und Köln die Klasse gehalten hat, weiter geschwächt. Im Angriff verließ neben dem Top-Torschützen Mladen Petric auch Paolo Guerrero den Verein. Der Peruaner war der wichtigste Offensivakteur der Hanseaten, bezog allerdings mit rund vier Millionen Euro auch das höchste Jahresgehalt. Kurz darauf wechselte dann Mittelfeld-Juwel Gökhan Töre (20) für sechs Millionen Euro nach Kasan.

"Es geht darum, ein gutes Geschäft zu machen — beim Thema Zugänge lasse ich mich nicht unter Druck setzen", sagte Sportchef Frank Arnesen, dem wegen der finanziellen Schwierigkeiten des Vereins die Hände gebunden sind. Der Lichtblick steht zwischen den Pfosten: Ex-Nationaltorhüter Rene Adler ist der prominenteste Zugang — und schlug im neuen Verein sofort Alarm: "Es ist nicht optimal, wenn Neulinge erst später kommen, denn sie brauchen eine gewisse Zeit." Zeit, die im Moment auch die Zugänge Maximilian Beister und Artjoms Rudnevs nötig haben, um sich zu akklimatisieren.

So muss Fink mit den Überlebenden aus dem Survival-Camp vorlieb nehmen. Die Innenverteidiger Jeffrey Bruma und Michael Mancienne, die in der Vorsaison bereits aus (guten) sportlichen Gründen sogar auf der Tribüne Platz genommen hatten, sind nun wieder als Leistungsträger eingeplant. Im Mittelfeld darf auch Per Ciljan Skjelbred auf eine zweite Chance hoffen, der Transfer von Spielmacher Milan Badelj (Dynamo Zagreb) ist ins Stocken geraten.

Selbst der Optimist Thorsten Fink hat bei diesen Problemen die Erwartungen nach unten korrigiert: "Ein Europa-League-Platz wird für uns in diesem Jahr nicht drin sein", sagte er. In der Vorsaison waren sich die HSV-Profis noch zu fein, um nach dem verhinderten Abstieg glücklich Shirts mit der Aufschrift "Klassenerhalt 2011/12 — hurra, wir leben noch" überzustreifen. Mit dem jetzigen Aufgebot ist zum 125-jährigen Bestehen des Bundesliga-Dinos an höhere Ansprüche nicht zu denken.

Zugänge Adler (Leverkusen), Beister (Düsseldorf), Rudnevs (Posen).

Abgänge Guerrero (Corinthians Sao Paulo), Töre (Kasan), Petric (Fulham), Jarolim, Castelen (unbekannt), Chrisantus (Las Palmas), Rajkovic (suspendiert).

(RP/chk)
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