Nach Rauswurf von Thorsten Fink HSV zwischen Tradition und Krise

Hamburg/Düsseldorf · Nach 700 Tagen war die Zeit für Cheftrainer Thorsten Fink beim Bundesliga-Dino abgelaufen. Doch die Turbulenzen in Hamburg sind nicht nur sportlicher Natur. Und am Samstag kommt der ebenfalls schwächelnde Nordrivale Bremen.

Nicht alles ist so leicht zu lösen wie das Problem einer defekten Stadionuhr, für die es keine Ersatzteile gibt, da sie ein Einzelstück ist. Seit dem 24. August, nach neun Monaten ohne "Orientierung", zeigt beim Hamburger SV ein neues Modell auf die Sekunde genau an, wie lange der HSV der Fußball-Bundesliga angehört. Über 50 Jahre nun schon. Kein anderer Klub spielt im Oberhaus seit dessen Gründung ohne Unterbrechung. Doch die Entlassung von Thorsten Fink zeigt, dass Tradition allein im Tagesgeschäft des Leistungssports nicht zählt.

"Ich bin ein Typ wie Jürgen Klopp", hatte der Dortmunder am 17. Oktober 2011 gesagt. An dem Tag wurde Fink als Cheftrainer vorgestellt. In seiner ersten Saison schaffte er den Klassenerhalt, dann reichte es zu Platz sieben. Doch nun ist der 45-Jährige weit entfernt von der Bilanz seines Dortmunder Kollegen. Nach nur vier Punkten und 15 Gegentoren in fünf Spielen, darunter das 1:5 gegen Hoffenheim und zuletzt das 2:6 in Dortmund, traute man ihm nicht mehr zu, das sportliche Chaos in den Griff zu bekommen. Fehlende Konstanz und keine klare Linie, so lautet die Kritik, die Sportdirektor und Fink-Freund Oliver Kreuzer mit "es war ein kleiner Wirrwarr zu sehen" beschrieb.

Doch das gab und gibt es nicht nur auf dem Spielfeld. Da war der Ärger um die Profis Dennis Aogo (nun bei Schalke 04) und Tomas Rincon, die zwei freie Tage nach der Hoffenheim-Pleite zu einem Mallorca-Trip nutzten. Der Hickhack um die aussortierten Verteidiger Slobodan Rajkovic und Michael Mancienne, denen Fink die Rückkehr in Aussicht stellte, nur um wenig später von Kreuzer zurückgepfiffen zu werden. Und da war Finks Flug zur Familie nach München, weshalb er beim Auslaufen der Profis nach dem Debakel in Dortmund fehlte.

Die Suche nach einer Struktur

Da sind aber auch ein zerstrittener Aufsichtsrat, die Uneinigkeit bei der Suche nach einer modernen Struktur und der Ausgliederung der Profiabteilung aus dem eingetragenen Verein. Und Schulden — in den zurückliegenden drei Jahren sollen es 20 Millionen Euro sein. Beim einstigen Nordlicht sieht es düster aus. Dass der kommende Gegner auch Probleme hat, ist kein Trost. Gut vier Jahre erst ist es her, dass Bremen und Hamburg innerhalb von 19 Tagen viermal aufeinandertrafen: im Halbfinale der Europa League und des DFB-Pokals sowie in der Bundesliga. Nun aber kommt es zum Duell des Viert- gegen den Fünftletzten. Ungewiss ist, ob der HSV dann schon einen neuen Trainer hat. "Wir müssen sehen, wer jetzt mit dem Herzen und dem Kopf dabei ist", sagte Rodolfo Esteban Cardoso. Der Argentinier, diesmal unterstützt von Jugendtrainer Otto Addo, kennt die Rolle des Aushilfs-Cheftrainers. Als Michael Oenning, einer von nun vier etablierten Fußballlehrern, die seit Juli 2009 am HSV scheiterten, vor zwei Jahren gehen musste, war er eingesprungen.

Mit Nachdruck suche man einen Nachfolger, betonte Kreuzer, der sich im Juni mit 100 000 Euro an der Ablöse von knapp einer Million beteiligte, die der Bundesligist für den Sportdirektor an den Karlsruher SC bezahlte. Felix Magath sagte ab. Die Namen Markus Babbel, Holger Stanislawski, Franco Foda und Slaven Bilic werden gehandelt. Auch der ehemalige Bremer Thomas Schaaf ist auf dem Markt. "Er muss die deutsche Sprache beherrschen, muss gut und günstig sein und möglichst alle Spiele gewinnen", sagte Kreuzer über den künftigen Trainer.

Chaos, ein schlechtes Image, das mögliche Sponsoren abschreckt, und eine desolate Profimannschaft — viel Arbeit für den Sportchef.

(RP)
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