Uli Borowka über seine Alkohol-Exzesse "Ich schäme mich für viele Dinge"

Düsseldorf · Uli Borowka, 50, ehemaliger Verteidiger von Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen, über seine Alkoholsucht, sein Doppelleben als Fußballprofi und Abhängiger, Scham gegenüber seiner Familie, Absprachen mit Otto Rehhagel und seine Lebensretter.

Uli Borowka über seine Alkohol-Exzesse: "Ich schäme mich für viele Dinge"
Foto: Cover Edel Verlag

Herr Borowka, wie schwer fällt es Ihnen, über Schwächen zu sprechen?

Borowka Es ist vor allem anstrengend. Es wühlt mich auf. Es sind immer wieder diese Gedanken, diese Bilder.

In Ihrer Biografie gehen Sie recht schonungslos mit sich selbst um. Gab es einen Moment während des Buchprojektes, an dem Sie alles hinwerfen wollten?

Borowka Als das fertige Manuskript da lag, bin ich erst einmal für zwei Wochen in ein Loch gefallen. Es war aber immer so in meinem Leben, dass ich etwas richtig oder gar nicht gemacht habe. Ich habe immer in Extremen gelebt. Es war klar, in dieses Buch musste die Wahrheit rein.

In Ihrem Buch geht es um Ihre Alkoholsucht. Wie ist es dazu gekommen?

Borowka Das war Mitte der 1980er-Jahre. Schon beim Training dachte ich daran, wie ich an Alkohol komme. Plötzlich wurde der Druck größer. Ich habe nach einem Ausweg gesucht. Der Alkohol war mein Ventil, endlich musste ich nicht mehr an das nächste Spiel denken, konnte den Fußball wenigstens für ein paar Stunden vergessen.

Machen Sie Probleme auch heute nur mit sich selbst aus, oder haben Sie gelernt, Dinge zu teilen?

Borowka Es hat sich vieles geändert. Zum Glück. Ich bin viel offener geworden. Ein paar enge Freunde haben mich während des Buchprojekts begleitet. Wir haben brutal viel miteinander geredet. Das war sehr wichtig für mich. Dazu habe ich mich über die überwiegend positive Resonanz gefreut.

Welche Gedanken gehen Ihnen heute durch den Kopf, wenn Sie an Alkohol denken?

Borowka Es gibt da so ein Zitat von dem früheren englischen Fußballprofi Tony Adams. Er war auch Alkoholiker. Er hat einmal gesagt: "Wenn ich mich nach Alkohol sehnen würde, würde ich mich nach dem Tod sehnen." Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Was war während Ihrer Sucht am Tag so ein normales Pensum für Sie?

Borowka Als es ganz schlimm war, habe ich bis zur Bewusstlosigkeit gesoffen. Einen Kasten Bier, eine Pulle Wodka, eine halbe Flasche Whiskey und obendrauf noch ein paar Magenbitter. Wenn ich jetzt so darüber rede, wird mir ganz anders. Damals empfand ich das als normal. Wirklich unglaublich. Ich habe dann ein paar Mal gekotzt und dann weitergemacht.

Sie erzählen von vielen dunklen Momenten. Von Ihren Ausrastern, von Gewalt gegen Ihre Frau und Ihre Kinder. Haben Sie sich bei diesen Menschen für das alles entschuldigt?

Borowka In dem Buch können viele Menschen erkennen, dass ich mich für ziemlich viel Mist von mir entschuldige. Ich war damals einfach nur schrecklich. Habe niemanden an mich rangelassen, habe ständig Streit angefangen. Und ich wollte mir einfach nicht helfen lassen. Ich habe einfach mein Ding gemacht.

Wie war es möglich, Ihre Krankheit während Ihrer aktiven Karriere zu verheimlichen?

Borowka Ich habe immer meine Leistung gebracht. Ich war immer Führungsspieler. Natürlich gab es Leute, die mitkriegten, dass ich ein Problem habe.

Was haben Sie gemacht, wenn Sie vom Suff noch zu benebelt waren, um beim Training mitzumachen?

Borowka Es kam zum Glück nicht so oft vor. Einmal hatte ich das Training bei Werder Bremen verschlafen. Ich rief Otto Rehhagel an. "Chef, ich kann heute nicht zum Training kommen", habe ich ihm gesagt. Rehhagel hat sofort gewusst, was Sache war. Er schlug mir einen Deal vor: "Weißt du was: Ich biete dir eine Magen-Darm-Grippe an. Dafür machst du heute frei und kommst morgen zum Training." Ich bin am anderen Tag pünktlich erschienen.

Schämen Sie sich für Ihr Leben?

Borowka Ich schäme mich für viele Dinge in meinem Leben.

Wie nah waren Sie dem Tod?

Borowka Sehr, sehr nah. Ich habe einen Selbstmordversuch hinter mir und diese schreckliche Zeit der Selbstzerstörung mit dem Alkohol. Ich hatte Glück. Es hätte auch anders ausgehen können.

Wie haben Sie sich aus dem Dreck gezogen?

Borowka Ich habe erst gar nicht gezogen. Enge Freunde von mir haben das gemacht. Christian Hochstätter, mein früherer Mitspieler, und Wilfried Jacobs (ehemaliger Präsident von Borussia Mönchengladbach und Ex-Chef der Krankenkasse AOK, Anmerkung der Redaktion) haben mir hinter meinem Rücken einen Platz in einer Entzugsklinik besorgt. Ich wurde von einem Fahrer abgeholt und da abgeliefert. Ich dachte, ich spinne. Was sollte ich in einer Klinik?

Wann haben Sie sich helfen lassen?

Borowka Als ich kapiert habe, dass ich jetzt mitmachen konnte oder das Spiel ist vorbei. Ich habe mich für das Leben entschieden.

Welchen Stellenwert haben Hochstätter und Jacobs heute in Ihrem Leben?

Borowka Es sind zwei wunderbare Menschen. Ohne die beiden würde ich heute nicht mehr leben. Sie haben mich mit Respekt behandelt, als ich in der Gosse lag. Sie haben mich nie als Mensch zweiter Klasse behandelt.

Gibt es in der Bundesliga auch heute Spieler, die wie Sie damals mit der Alkoholsucht zu kämpfen haben?

Borowka Leider ja. Mich haben ein paar Profis angerufen und mir ihre Geschichte erzählt. Vieles davon kommt mir sehr bekannt vor.

Was raten Sie ihnen?

Borowka Sich ganz schnell Hilfe zu suchen. Ich bin dabei, einen Verein zu gründen. Er soll als Anlaufstelle dienen. Wir führen Gespräche mit Vereinen und Verbänden. Es wäre schön, wenn uns möglichst viele unterstützen würden. Ich ziehe das Ding aber so oder so durch.

(RP/spol)
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