Diskussionen nach Kopfnuss Matthias Lehmann: der ehrliche Schuft

Düsseldorf (RPO). Matthias Lehmann ist eine ehrliche Haut. "De Camargo hat mich berührt, natürlich habe ich das Geschenk angenommen", gab der Fußballer des Bundesligisten FC St. Pauli nach dem Duell gegen Borussia Mönchengladbach (3:1) unumwunden zu. Das "Geschenk" war eine möglicherweise entscheidende Szene im Abstiegskampf.

 Rot für Igor de Camargo (rechts), Matthias Lehmann krümmt sich am Boden.

Rot für Igor de Camargo (rechts), Matthias Lehmann krümmt sich am Boden.

Foto: dapd, dapd

Lehmann hat mit seinem Geständnis eine Diskussionswelle ausgelöst. "Schauspieler" schimpfen manche über den Profi, der in seiner Karriere nie untadelig in Erscheinung getreten ist. Dass er im "Sinne seines Vereins" gehandelt habe, meinen andere. Schließlich stehen im Abstiegskampf Existenzen auf dem Spiel - und jeder ist bestrebt, das Beste für sich und das Team herauszuholen.

Im Endeffekt war die Wutattacke des Gladbachers Igos de Camorgo der Auslöser für diese Szene. Nach Foul von Lehmann an dem Borussia-Stürmer - und dem fälligen Freistoß-Pfiff - hetzte de Camargo auf seinen Widersacher zu und berührte ihn an der Stirn. "Kopfnuss" - so die offensichtliche Wahrnehmung. Der Hamburger ließ sich theatralisch fallen. Er kassierte für sein Foul Gelb, de Camargo sah Rot.

Alle Entscheidungen waren regelkonform - für Diskussionsstoff sorgte Lehmann aber hinterher, weil er zugab, das er nur leicht berührt worden sei. Natürlich wusste er, dass sein Kontrahent mit einem Platzverweis bestraft wird, wenn er noch ein wenig schauspielert.

"Matze" Lehmann, der ehrliche Schuft. "Soll ich etwa zum Schiedsrichter und bitten, dass er de Camargo nicht vom Platz stellt?", fragte Lehmann süffisant. Nun, manche seiner Berufskollegen haben das schon getan. Allerdings in weniger prekären Situationen, in denen es beileibe nicht um Titel oder Abstiege ging. Diesmal stand es aber 1:0 für Gladbach - und beide Teams brauchen die Punkte. In Unterzahl geriet Gladbach auf die Verliererstraße.

Mit Sicherheit haben weder Lehmann noch de Camargo im Sinne des Fairplay gehandelt. Lehmann stellte sich zudem noch hin und schilderte den Ablauf medial. Doch auch dies ist eine Frage der Sichtweise. Hätte er geschwiegen, wäre er ebenfalls als Schauspieler beschimpft worden. Denn in den TV-Bildern wird offensichtlich, dass de Camargos Kopfnuss eher ein Nüsschen war und auch Lehmann den Kopf bewegte. Für den Platzverweis war das im übrigen unerheblich. Im Regelwerk steht, dass schon der Versuch strafbar ist.

Hätte Lehmann gar beim Schiedsrichter Gnade für de Camargo erbeten, wäre er der Buhmann seines Vereins geworden. Für Fairplay gibt es keine Punkte. Lehmann weiß das. Der frühere Junioren-Nationalspieler, der als Sympathieträger gilt, geht gerne mit Herz in die Zweikämpfe. Er ist kein Kind von Traurigkeit, vor einigen Jahren hat er schon mal beim Fußball einen ganzen Satz Zähne eingebüßt. Diesmal hätte er anschließend einfach nur schweigen sollen, denn seine Ehrlichkeit klang auch wie eine Verhöhnung des Gegners.

Für Borussia-Trainer Michael Frontzeck war die Schuldfrage klar, an Diskussionen wollte er sich nicht beteiligen. "Igor hatte da nichts verloren. Es war absolut unnötig, so an den Mann heranzugehen", sagte Frontzeck.

(rl)
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