Weiser am Pranger Wenn Schwalbe nicht gleich Schwalbe ist

Düsseldorf · Kaum eine Debatte wird von Fußball-Fans so hitzig geführt, wie die über Schwalben. Seit diesem Wochenende steht Hertha-Profi Mitchell Weiser am Pranger, obwohl er vom Dortmunder Ousmane Dembele tatsächlich gefoult wurde, aber zu theatralisch reagierte.

Bundesliga 16/17: Mitchell Weiser fällt theatralisch zu Boden
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Weiser fällt theatralisch zu Boden

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Foto: Screenshot Sky

Die wohl berühmteste Schwalbe im deutschen Fußball ist immer noch die von Andreas Möller. Der damalige Dortmunder schindete am 13. April 1995 gegen den Karlsruher SC auf so dreiste Weise einen Elfmeter, dass er nachträglich für die Schauspieleinlage sogar gesperrt wurde. Auch seine Ausrede, es habe sich um eine "Schutzschwalbe" gehandelt, konnte Möller nicht vor Hohn und Spott bewahren.

Danach wurde immer wieder fleißig geflogen, aber an das Echo, die die "Schwalbe des Jahrhunderts" vor über 20 Jahren ausgelöst hatte, kam lange nichts heran. Bis sich Timo Werner von RB Leipzig in dieser Saison gegen Schalke 04 im Strafraum fallen ließ und seitdem sogar bei der Darts-WM in London mit Schmährufen bedacht wird.

Nun also Mitchell Weiser. Der Herthaner wurde nach dem 2:1-Sieg von Hertha BSC gegen Borussia Dortmund im Netz verspottet und beschimpft, beim Sport1-Doppelpass wurde die Theatralik der Profis (wieder einmal) zum Ursprung allen Übels auf deutschen Fußballplätzen erklärt. Und das, obwohl Weiser tatsächlich gefoult wurde. Das zeigen die Fernsehbilder und das zeigt auch das Foto seines stark lädierten Fußes, das Weisers Verein nach dem Spiel veröffentlichte und dazu süffisant twitterte: "Schauspieleinlage von @mitch23elijah?! Klar, und das ist auch nur Schminke..." Doch die Art und Weise, wie sich Weiser mit einer deutlichen Verzögerung nach dem Foul von Dembele auf dem Boden wälzte, stieß vielen übel auf.

Schauspieleinlagen sind derzeit nicht gerne gesehen. Manchmal hat man das Gefühl, sie seien strafwürdiger als böse Fouls. Interessanterweise erhitzte Weisers Schwalbe, die keine war, die Gemüter deutlich mehr, als beispielsweise die tatsächliche Schwalbe des Schalkers Franco Di Santo in der vergangenen Woche gegen Borussia Mönchengladbach. Di Santo hatte sich beim 2:4 seiner Schalke in der Nachspielzeit im Strafraum fallen gelassen, obwohl er noch Chancen auf den Ball gehabt hätte. Die Einlage wurde zurecht mit Gelb bestraft, sogar die eigenen Fans kritisierten Di Santo. Und dann war das Thema aber auch schnell wieder erledigt, bevor es eines werden konnte.

Ragnick beschwert sich über ungleiche Bewertung

Für Ralf Rangnick wird in der Bewertung mit zweierlei Maß gemessen. Der Sportdirektor von RB Leipzig findet es falsch, dass auf Werner seit seiner Schwalbe gegen Schalke, für die er sich nach dem Spiel entschuldigte, eine regelrechte Hexenjagd veranstaltet wird, wie sie bei anderen Profis nicht stattfindet. "Gegen Weiser wird es keine wochenlangen Sprechchöre in den Stadien geben, der spielt ja für einen Traditionsverein", sagte Rangnick im Sport1-Doppelpass sarkastisch.

Die Hertha-Verantwortlichen würden Rangnick wohl nur bedingt recht geben, sie waren über die Reaktionen sauer. Manager Michael Preetz sagte: "Hier werden Täter und Opfer verwechselt. Dembele tritt mit voller Absicht gegen das Standbein und nimmt billigend eine Verletzung in Kauf. Eine glasklare Rote Karte." Und Trainer Pal Dardai fügte an: "Wir haben Glück, dass Mitch nicht im Krankenhaus liegt!"

Weiser dagegen gab seine Schauspieleinlage unumwunden zu. "Ich glaube, er hat nachgetreten. Dann lasse ich mich natürlich ein bisschen theatralisch fallen, aber das habe ich von ihm so gelernt in den letzten Wochen und Monaten. Da habe ich ihn mal nachgemacht", sagte der 22-Jährige im Aktuellen Sportstudio provokant. Eine Aussage, die nicht zur Beruhigung der Gemüter beitrug.

(areh)
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