Aufregung in der Bundesliga "Schwarzer Freitag" für Schiedsrichter Dingert

Frankfurt/Main · Schon in der Pause hätte sich Christian Dingert am liebsten in seiner Kabine verkrochen. Dem Referee dämmerte beim 0:0 zwischen Eintracht Frankfurt und 1899 Hoffenheim frühzeitig, dass es für ihn ein "Schwarzer Freitag" werden würde.

 Schiedsrichter Christian Dingert stand nach der Partie im Fokus.

Schiedsrichter Christian Dingert stand nach der Partie im Fokus.

Foto: dpa, bra nic

"Der Schiedsrichter hat gesagt, dass ich ihn in der Halbzeit hätte auswechseln müssen", berichtete TSG-Trainer Julian Nagelsmann nach dem Abpfiff.

Dingert, der seit 2010 in der Bundesliga pfeift und 2013 in die Gilde der Fifa-Referees aufrückte, wirkte in der hektischen Partie überfordert. Besonders krass: Den vorsätzlichen und gefährlichen Ellbogenschlag von Frankfurts Verteidiger David Abraham gegen TSG-Stürmer Sandro Wagner ahndete der 36-Jährige nicht mit Rot. "Das war ein Fehler", sagte Wagner.

Wagner brach nach dem "zu harten Spiel" eine Lanze für den Unparteiischen. "Hut ab vor ihm! Er ist ein cooler Typ und hat mir Mitte der zweiten Halbzeit gesagt, dass er viel früher in der Partie hätte Gelb geben müssen", berichtete Wagner. Erst in der 52. Minute sprach Dingert die erste von insgesamt sieben Verwarnungen aus - viel zu spät.

Auch beim Feldverweis für Timothy Chandler lag Dingert falsch. Immerhin stand der Diplom-Verwaltungswirt zu seinen Fehlentscheidungen. "Ich hatte nach dem Spiel ein ganz gutes Gespräch mit ihm, in dem er zugegeben hat, dass es nicht sein bester Tag war", erzählte Nagelsmann und lobte Dingert: "Das ist eine tolle menschliche Seite, die ich mir von allen Leuten wünschen würde, die im Sport tätig sind."

Die überharten Zweikämpfe, die Rudelbildungen und insbesondere der Schlag ins Gesicht von Sandro Wagner sorgten nach der Partie weiter für Diskussionen. Die Wandlung vom Saulus zum Paulus bekam sein ärgster Kritiker gar nicht mehr mit: Als Hoffenheims Sandro Wagner nach dem torlosen "Gift-Gipfel" von Frankfurt ganz überraschend ein flammendes Plädoyer für "Rotsünder" Timothy Chandler hielt, war Alexander Meier schon in der Kabine verschwunden.

Zuvor hatte der ansonsten so besonnene Kapitän von Eintracht Frankfurt bewusst gegen einen Ehrenkodex verstoßen und Wagner harsch kritisiert. "Er spielt am Rande der Legalität. Deshalb muss er auch damit rechnen, wenn er mal einen abkriegt. Dazu hat jeder Verteidiger das Recht", sagte Meier über den lautstarken und stets polarisierenden Sturmtank von 1899 Hoffenheim.

Der Ellbogenschlag von Frankfurts David Abraham mit "95 km/h", wie Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann kritisch anmerkte, an den Kopf von Wagner blieb ungeahndet. Nagelsmann nannte das Einsteigen des ehemaligen 1899-Profis Abraham "aus menschlicher Sicht" grenzwertig. "Diese Aktion war völliger Wahnsinn. Das war mit vollem Risiko ins Gesicht eines Menschen, nicht eines Spielers, geschlagen", schimpfte Nagelsmann. Selbst Eintracht-Coach Niko Kovac sprach später von einer "klaren Roten Karte".

Den Platzverweis gab es dafür in einer anderen Szene - und wieder war der von den Frankfurt-Fans wüst beschimpfte Wagner beteiligt. Nachdem dem streitbaren Angreifer von Chandler an den Hals gegriffen wurde, verwies Dingert den US-amerikanischen Nationalspieler des Feldes (82.).

Zumindest sprang das "Opfer" Wagner dem "Rotsünder" Chandler zur Seite. "Ich hoffe, er wird vom DFB nicht lange gesperrt. Mein Gott, das war gar nicht viel und keine Tätlichkeit", sagte der 29-Jährige: "Chandler tut mir leid."

Nach dem Abpfiff des "Chaos-Spiels", wie Frankfurts Keeper Lukas Hradecky das spielerisch enttäuschte Spitzenduell bezeichnete, hatte sich die Lage wieder etwas beruhigt. "Emotionen gehören dazu. Essen ohne Salz schmeißt man ja auch weg", erklärte Kovac, der am Spielfeldrand verbal mit Nagelsmann aneinandergeraten war.

Ein bitterer Nachgeschmack blieb dennoch. Auch beim Eintracht-Trainer, der das Erlebte als Anlass für eine Generalkritik an der kleinlichen Pfeiferei in der Bundesliga nahm. "Man muss ganz klar die Schiedsrichter schulen und zeigen, wie es international geht", forderte Kovac. Man müsse abstellen, dass "sich Spieler hinwerfen und billige Fouls kriegen, dass Pippi-Geschichten abgepfiffen werden." Dann habe man in der Bundesliga "auch Ruhe", erklärte der 45-Jährige.

(ems/dpa/sid)
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