VfB Stuttgart Schweizer Gross wird Babbels Nachfolger

Stuttgart (RPO). Keine Siege, kein Rückhalt, dafür jede Menge Ärger: Mit der Freistellung von Trainer Markus Babbel hat die schier unendliche Krise beim VfB Stuttgart ihren einstweiligen Höhepunkt erreicht.

Babbels emotionaler Abschied im Wortlaut
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Foto: AP

Einen Tag nach dem erbärmlichen 1:1 (0:0) gegen den VfL Bochum und Auschreitungen von Randalierern vor und nach dem Spiel trennten sich der abstiegsgefährdete Fußball-Bundesligist und der 37 Jahre alte Europameister von 1996.

"Zurück auf die Siegerstraße"

Als Nachfolger wurde am Sonntagabend der Schweizer Christian Gross präsentiert. Er erhielt einen Vertrag bis 30. Juni 2011. "Ich bin hier um zu retten, was noch zu retten ist", sagte der 55-Jährige, der mit seiner Rettungsaktion sofort begann: Nach am Abend musste die Mannschaft zum Training anrücken. "Ich will mit der Mannschaft zurück auf die Siegerstraße", ergänzte Gross, der noch am Sonntagabend die Mannschaft zu einer Trainingseinheit versammelte.

"Ich wünsche dem neuen Trainerteam alles Gute. Ich hoffe, dass sie den Knopf finden und drücken, damit die Mannschaft wieder funktioniert. Ich habe ihn nicht gefunden", sagte Babbel. Er muss die Verantwortung für eine Saison tragen, die bislang eine einzige Enttäuschung war: nur 12 Punkte aus 15 Spielen und Platz 16 in der Bundesliga. VfB-Sportvorstand Horst Heldt sagte zum Abschied seines Freundes mit betretener Miene: "Ich möchte mich bei Markus Babbel für seine tolle Arbeit vom ersten bis zum letzten Tag bedanken."

Siege für den Spaß

In der Bundesliga ist der VfB seit acht Spielen sieglos. Kurioserweise kann er am Mittwochabend aber noch aus eigener Kraft das Achtelfinale der Champions League erreichen, mit einem Sieg gegen den rumänischen Meister Unirea Urziceni. "Da müssen wir gewinnen, erst wenn man gewinnt, macht es wieder Spaß", sagte Gross.

Am vergangenen Dienstag durfte Babbel noch davon ausgehen, mindestens bis zur Winterpause im Amt bleiben zu dürfen. Doch der Wind hatte sich nach dem blamablen 0:4 bei Bayer Leverkusen schon gedreht, und am Samstag überschlugen sich die Ereignisse geradezu. Vor dem Spiel blockierten einige hundert Chaoten die Anfahrt des Stuttgarter Mannschaftsbusses ins Stadion, die Polizei musste dem Gefährt Geleitschutz geben. "Diese Szenen haben mich schon sehr nachdenklich gemacht", sagte Babbel am Sonntag und sprach vier Wochen nach dem Selbstmord von Robert Enke von "Heuchelei".

Nach dem Spiel ging es weiter. Während sich im Stadion die Verantwortlichen angesichts der jüngsten Entwicklungen die Köpfe heißredeten und die Trennung beschlossen, tobte draußen vor den Eingängen der Mob. Eine Menge, die zeitweise auf rund 3000 Leute anwuchs, belagerte die Arena, das VIP-Gebäude und das angrenzende Klub-Gelände. Abermals musste die Polizei einschreiten, bei den Auseinandersetzungen erlitten zwei Beamte Verletzungen, drei Personen wurden festgenommen.

"Euer Kredit ist verspielt"

"Man muss Angst haben, dass das weiter eskaliert", sagte kurz nach dem Spiel der erkennbar deprimierte Heldt. Er meinte damit auch die angekündigte Aktion der treuesten Anhänger. Sie hatten bislang fest bis zur Selbstverleugnung zu Mannschaft und Trainer gestanden, sich nach dem Debakel in Leverkusen allerdings zu einer Kehrtwende entschlossen. Mit Spielbeginn entrollten die Cannstatter Kurve ein Plaket mit der Aufschrift: "Euer Kredit ist verspielt."

Zwar gab es zwischenzeitlich Anfeuerungsrufe, spätestens nach dem Spiel aber war klar: Auch die Anhänger sind kein Rückhalt mehr. "Das ist bitter, weil die Mannschaft Unterstützung braucht, aber wir müssen das akzeptieren", erklärte Heldt. Babbel hätte lieber eine Trotzreaktion der Spieler gesehen. Die Bus-Blockade vor dem Spiel habe ihn stimuliert, sagte er am Samstag: "Mich hat das hochgradig erregt. Aber leider konnte ich mich nicht selbst aufstellen."

Doch so huschte ein VfB Stuttgart über den Platz, dem mit der Bezeichnung Absteiger noch geschmeichelt ist. Nichts ließ darauf schließen, dass die völlig verunsicherten Spieler den Kredit wieder hereinspielen könnten. In der zweiten Halbzeit wurde es ein wenig besser, Serdar Tasci köpfte das 1:0 (63.). Doch trotz einer Roten Karte für den eingewechselten Diego Klimowicz (81.) gelang den eher harmlosen Gästen noch der Ausgleich durch Christian Fuchs (89.).

"Ich hüte mich davor zu sagen, dass es nicht schlimmer werden kann", sagte der entmachtete Kapitän Thomas Hitzlsperger, "aber das habe ich vor vier oder sechs Wochen auch schon gesagt, und es ist schlimmer geworden." Und es könnte noch schlimmer kommen: Der VfB ist und bleibt ein Abstiegskandidat.

(can)
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