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Pro & Contra Sollte Abseits im Fußball abgeschafft werden?

Düsseldorf · Der Fußball-Weltverband Fifa diskutiert verschiedene Regeländerungen für künftige Weltmeisterschaften. Neben Zeitstrafen statt Gelben Karten und Shootouts statt Elfmeterschießen wird auch über das Ende der Abseitsregel nachgedacht. Wäre das richtig? Unsere Autoren sind sich nicht einig.

 Nicht nur über dieses Tor von Anthony Modeste gegen Ingolstadt wurde in der Hinrunde fleißig diskutiert.

Nicht nur über dieses Tor von Anthony Modeste gegen Ingolstadt wurde in der Hinrunde fleißig diskutiert.

Foto: Screenshot Sky

Man darf, wenn es um Veränderungen beim Fußball geht, gerade mal leise "Piep" sagen, und schon kommen die Bedenkenträger aus ihrer Deckung. Die Idee ist noch nicht zu Ende ausgesprochen — der erste Reflex ist immer Ablehnung. Warum soll ein so erfolgreiches Spiel überhaupt angetastet werden? Man kann es sich einfach machen und nur auf den Gigantismus, die Geldgier der Branche verweisen. Damit macht man es sich aber zu leicht. Sicherlich geht es bei allen Weiterentwicklungen des Formats auch um wirtschaftliche Überlegungen. Denn Fußball ist längst kein Kneipensport mehr, nicht das Kulturgut einer kleinen Gruppe, sondern ein Produkt für die Masse. Und auch wer nullkommanull Ahnung von Taktik und dem ganzen Drumherum hat, soll im Stadion oder vor dem TV auf seine Kosten kommen. Das ist der Preis, den man zahlen muss für moderne Stadien, Übertragungen mit 98 Kameras und viele Top-Stars auf dem Rasen. Änderungsmöglichkeiten gibt es einige. Zum Beispiel: Abseits abschaffen. Die Regel behindert mehr den Spielfluss, als dass sie vor was auch immer schützt. Besonders die unsägliche Modifikation des sogenannten "passiven Abseits" hat das Spiel verkompliziert. Weg damit!

Im Prinzip blickt in Echtzeitgeschwindigkeit keiner mehr durch, wer sich in der verbotenen Zone befindet und wer nicht. Vor allem die Schiedsrichter, bislang ohne technische Unterstützung, sind mit der Urteilsfindung überfordert. Es geht nicht um die Komplexität der Regel. Es geht um die Attraktivität des Spiels. Es ist ja nun nicht so, dass sich bei der Abschaffung des Abseits alle Spieler wie auf dem Pausenhof im gegnerischen Strafraum versammeln würden, um auf den Ball zu warten. Es ergeben sich Möglichkeiten, das Spiel schneller und somit attraktiver, moderner zu machen. Sportarten wie Hockey haben es vorgemacht. Auch den Videobeweis. Wenn der Fußball erfolgreich bleiben will, dann muss er ständig über sich selbst nachdenken. Formel 1 und Eishockey und viele andere Sportarten haben das erst gemacht, als sie am Boden lagen. Zeitstrafen statt Gelber Karten, Netto-Spielzeit in den letzten zehn Minuten, um Zeitschinderei zu verhindern. Das alles sind Ideen, die kein Angriff auf den Fußball sind. Sie haben verdient, dass man sich mit ihnen ernsthaft beschäftigt.

Patrick Scherer sagt: Nein

Im Namen des Geldes haben Fußballfunktionäre über Jahre vor allem an Ligen und Modi geschraubt. Bisher wurde nur nebenbei ein bisschen am Spiel an sich gewerkelt. Vom Fließband kamen dabei die Gelb-Rote-Karte, das passive Abseits, das Freistoßspray oder künftig der Videoschiedsrichter-Assistent. Der Fußball hat all diese mehr oder weniger kleinen Veränderungen verkraftet, ja, sie haben dem Spiel zum Teil sogar gut getan. Die gänzliche Abschaffung des Abseits wäre aber ein Schritt zu viel. Denn die Regeländerung wäre kein Facelifting mehr. Sie wäre ein massiver Eingriff ins Grundprinzip des Spiels. Hier muss die Grenze der vermeintlichen Verbesserungswut gesetzt werden. Abseits wurde bereits im 19. Jahrhundert in England, im Mutterland des Fußballs, als Regel eingeführt. Noch bevor die Größe der Tore oder Spielfelder und die Anzahl der Spieler feststanden. Diese Regel gehört zum Spiel wie der Ball, mit dem es gespielt wird. Ein Sport, der außerhalb des Platzes so viel Veränderung erfährt, sollte auf dem Spielfeld eine Konstante bilden. Ein Blick auf die kaputtgeänderte Formel 1 kann die Sinne schärfen.

Auch im Fußball wurde schon versucht, den Rahmen des Spiels zu verändern. Um mehr Spannung zu erreichen, wurde erst das Golden Goal eingeführt, dann das Silver Goal. Auch wenn Oliver Bierhoff durch seinen Treffer im Sudden Death 1996 Deutschland den EM-Titel sicherte, war die Rückkehr zur klassischen Verlängerung der eigentlich goldene Schritt. Es wäre dem Fußball zu wünschen, dass diese Einsicht in Bezug auf die Abschaffung der Abseitsregel nicht erst reift, wenn das Kind schon im Brunnen liegt.

Die Gigantomanie rund um den Fußball nimmt längst bedenkliche Formen an. Im Fußball dreht sich vieles um Geld. Die Superreichen wollen nicht nur superreich bleiben, sie wollen megareich werden. Größen des Fußballs äußern immer deutlicher Zweifel, wie lange man dieses Geschäft noch auspressen kann, ohne das Interesse der Fans zu verlieren. Das hindert sie aber nicht daran, selbst das Rad weiterzudrehen, wenn dabei für ihren Arbeitgeber und sie mehr herausspringt. Dieser Innovationswille wurde über Jahre gelernt — und diese Änderungswut bedroht nun der Deutschen liebstes Kind.

(RP)
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