BVB-Trainer Jürgen Klopp Spitzenreiter mit Gottes Segen

Düsseldorf · Jürgen Klopp hat Borussia Dortmund zurück an die Spitze der Bundesliga geführt. Der Trainer vermittelt seiner Mannschaft Werte, die ihm selbst wichtig sind: Kampf, Leidenschaft, Gemeinschaftsgefühl. Seine Kraft zieht Klopp aus dem Glauben zu Gott.

Jürgen Klopp: Kult-Trainer und Meister-Macher
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Das ist Jürgen Klopp

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Foto: AFP/JUSTIN TALLIS

Manchmal, so sagt Jürgen Klopp, übermannt ihn beim abendlichen Gebet der Schlaf. Ja, der Trainer von Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund betet. Jeden Abend. Der christliche Glaube ist sein "moralischer Leitfaden", erklärt der Blondschopf, der ohne seinen Glauben nicht da wäre, wo er jetzt ist. "Grundsätzlich gibt es in meinem Leben unglaublich viele Gründe, mich im Minutentakt bei Gott zu bedanken", sagt Klopp deshalb.

Das Wunder von Mainz

Der 43-Jährige hat sich vom durchschnittlich begabtem Zweitliga-Profi, der 325 Spiele für den FSV Mainz 05 in der 2. Bundesliga absolvierte, zu einem der beliebtesten und erfolgreichsten deutschen Trainer entwickelt. Diese Entwicklung begann 2001, als Klopp als Interimstrainer den "Karnevalsverein" Mainz vor dem Abstieg rettete. Eigentlich sollte er nur eine Übergangslösung sein. Die Verantwortlichen hielten aber an dem gebürtigen Stuttgarter fest, und sie taten gut daran. Scheiterte Klopp mit seiner Mannschaft 2002 und 2003 jeweils als Tabellen-Vierter nur knapp an der "Mission Aufstieg", schaffte er ein Jahr später endlich das Wunder. Das kleine Mainz stieg am 23. Mai 2004 in die höchste deutsche Spielklasse auf. Ein Verdienst, der zu großen Teilen dem Trainer zuzuschreiben ist. Schon damals vermittelte Klopp seinen Schützlingen die Werte, mit denen er nun in Dortmund erfolgreich ist: Laufbereitschaft, Kampf, Leidenschaft, Teamgeist und den Hunger nach Erfolg.

Der Lohn für "Kloppo": Eine Anstellung bei einem großen Bundesliga-Verein. Borussia Dortmund sank nach dem Gewinn der Meisterschaft 2001/2002 stetig bergab, Platz 13 in der Saison 2007/2008 war der traurige Tiefpunkt. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Manager Michael Zorc mussten etwas ändern und suchten händeringend nach einem neuen Trainer. Von Thomnas Doll hatte sich der BVB gerade getrennt, der nächste Transfer musste sitzen. Und er saß. Klopp kam und brachte auf Anhieb den Erfolg zurück. In seinem ersten Jahr verpasste er als Sechster den Europapokal nur knapp, ein Jahr später schaffte Dortmund unter Klopps Regie die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb. Und nun darf der BVB endlich wieder von der Meisterschaft träumen.

Urvertrauen in die Jugend

Seit seinem Amtsantritt in Westfalen setzt Klopp auf die Jugend, überzeugte mit seinem Konzept auch Watzke und Zorc. Als der BVB einen neuen Innenverteidiger suchte und bereits in Verhandlungen mit dem Alt-Internationalen David Rozehnal stand, warf Klopp den Namen Neven Subotic in den Raum. Mit diesem hatte er in Mainz zusammengearbeitet und war überzeugt von den Qualitäten des Bosniers. Zorc und Watzke gingen das Risiko ein, holten Subotic und ernten nun die Früchte: Der 21-Jährige gehört in der laufenden Saison zu den besten Innenverteidigern der Liga. Subotic ist nicht das einzige Beispiel. Die "jungen Wilden" Mario Götze, Kevin Großkreutz oder der Japaner Shinji Kagawa, der im Sommer als Nobody kam, spielen unter Klopp groß auf. Von der Mannschaft, die der Trainer 2008 übernahm, ist nur noch Roman Weidenfeller als Stammspieler gesetzt. Klopp vertraut den Youngstern blind, gesteht ihnen Fehler zu und stärkt sie in schlechten Phasen. Der Trainer ist ein Menschenversteher, weiß genau, wie er in welcher Situation mit seinen Spielern umzugehen hat. Klopp, die Vaterfigur. In der Kabine kann er, so hört man, aber auch streng sein.

Grenzenlose Kreativität

Dazu hatte er in der Hinrunde allerdings nur selten einen Grund. Die jungen Dortmunder spielen den Fußball, den Klopp ihnen im Training vermittelt. Aus einer stabilen, beweglichen Abwehr heraus, in der der BVB in Ballnähe immer Überzahl schafft, schalten die Westfalen blitzschnell um und leiten mit ihren offensiven Mittelfeldspielern wie Nuri Sahin, Großkreutz, Kagawa oder Sven Bender Gegenangriffe ein, die nur schwer zu verteidigen sind. Zum einen, weil Dortmund nicht lange braucht, um den Ball vom eigenen zum gegnerischen Sechzehner zu transportieren. Grundlage dafür ist eine starke Kondition und die Bereitschaft, mehr zu laufen als der Gegner. Diese Bereitschaft ist in den Köpfen der Spieler verankert. Zum anderen, weil die Kreativität der Spieler grenzenlos scheint. Das BVB-Mittelfeld hat immer eine passende Antwort auf die Aktionen des Gegners parat und reagiert intuitiv.

Das alles sind Trainingsinhalte, auf die Klopp setzt. Der Übungsleiter schult seine Mannschaft nicht nur auf dem Rasen, sondern schickt sie auch mindestens einmal die Woche zum Koordinationstraining. Dadurch können die Akteure auf dem Rasen auf gewisse Spielsituationen schneller reagieren. Die Dortmunder verfügen zudem über einen überdurchschnittlichen Angriff: Lucas Barrios wird schon von Real Madrid umworben, Robert Lewandowski ist Top-Joker der Liga.

Dass sich Klopp mitunter am Rande des Wahnsinns bewegt, belegen seine Ausbrüche am Seitenrand. 37.000 Euro musste er bereits an Geldstrafen zahlen, weil er Schiedsrichter beleidigt, beschimpft oder kritisiert hatte. Zuletzt leistete sich Klopp im Spiel gegen den Hamburger SV einen Aussetzer, als er nach einem nicht gegebenen Foul Kopf-an-Kopf mit dem vierten Offiziellen stand und sich lautstark beschwerte. Der andere Klopp.

"Er war rücksichtslos"

Geerbt hat er diese Züge wohl von seinem Vater. Klopp wuchs im Schwarzwald auf und wurde schon als kleiner Junge von seinem Vater gefordert und gefördert. "Mein Vater war ein Sportler durch und durch, Trainer durch und durch. Der hat mir alles beigebracht, Tennis, Fußballspielen und Skifahren. Er war rücksichtslos: Beim Skifahren bin ich immer nur dem roten Anorak hinterhergenagelt. Ich hab vom Skigebiet nichts gesehen", beschrieb Klopp seinen Vater vor der Saison in einem "Zeit"-Interview. Ein Jahr, bevor Klopp Trainer wurde, verstarb sein Vater an Krebs. Heute lebt Klopp mit seiner zweiten Ehefrau in Herdecke, wo auch ein großer Teil der Dortmunder Spieler wohnt. Sein Sohn Marc spielt in der zweiten Mannschaft des BVB.

Einen Einblick in den Menschen Klopp haben die Zuschauer bei den beiden vergangenen Fußball-Weltmeisterschaften erhalten, als er gemeinsam mit Johannes B. Kerner 2006 und Günther Jauch 2010 für RTL die Spiele kommentierte. Klopp erwies sich als schlagfertig, witzig und menschlich. Auf der großen Bundesliga-Bühne zeigt er Züge, die ein Normal-Sterblicher auch zeigt.

Die Szenen bei seinem Abschied aus Mainz unterstreichen das. 20.000 Fans wünschten dem Trainer eine schöne Zeit in Dortmund, bedankten sich für das Geleistete. Klopp fand auf der Bühne kaum Worte, Tränen liefen über sein Gesicht. "Alles was ich bin, alles, was ich kann, habt ihr mich werden lassen", stammelte Klopp. "Er besitzt Eigenschaften, die man nicht lernen kann", beschreibt Mainz-Präsident Harald Strutz seinen Ex-Trainer. Und einen unbändigen Glauben an Gott, sich und seine Mannschaft, aus dem eine große Zukunft entstehen kann.

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