Bremen - Bayern Verfall eines Klassikers

Bremen/Düsseldorf · Vor gar nicht allzu langer Zeit noch wetteiferten der FC Bayern München und Werder Bremen auf Augenhöhe um die Meisterschaft. Doch das Duell hat seinen Status als Bundesliga-Topspiel längst eingebüßt.

FC Bayern München - SV Werder Bremen: die Bilder des Spiels
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Bayern - Bremen

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Foto: afp, CS

Ailton legt sich den Ball auf seinen starken linken Fuß, nimmt Maß und schlenzt die Kugel aus 20 Metern ins linke obere Toreck. Oliver Kahn ist machtlos. Bremen führt nach 35 Minuten 3:0 im Münchener Olympiastadion und feiert nach Abpfiff bereits zwei Spieltage vor Saisonende den Meistertitel. Es ist 2004, und Werder befindet sich sportlich auf Augenhöhe mit dem FC Bayern. Mehr als zwölf Jahre später werden sich die beiden Klubs am Samstag im Weserstadion wieder mal begegnen. Von Augenhöhe ist keine Rede mehr. Bayern ist das Maß aller Dinge, Werder ist nicht mal mehr Mittelmaß.

Zwischen 1981 und 2010 landete Werder nur zweimal nicht auf einem einstelligen Tabellenplatz, qualifizierte sich regelmäßig für den Europapokal. In legendären Spielen boten die Norddeutschen den Bayern oder internationalen Topklubs die Stirn. Vor allem zwei Trainer prägten diese Jahre: Erst Otto Rehhagel (1981-1995), dann Thomas Schaaf (1999-2013). Werder galt als Synonym für Kontinuität. Davon ist nichts mehr übrig. Seit 2010 beendeten die Bremer nur noch eine Saison auf einem einstelligen Tabellenplatz, in Spielen gegen die Bayern geht es nur noch um die Höhe der Niederlage. Und internationale Spiele sehen die Fans höchstens noch im Rahmen der Vorbereitungen.

Vorbei ist die Zeit, als im Mittelfeld Strategen wie Johan Micoud, Diego oder Mesut Özil das Zepter schwangen. Vorbei ist die Zeit, als im Sturm Ailton, Miroslav Klose oder Claudio Pizarro für spektakuläre Tore sorgten. Pizarro ist zwar 2015 zum zweiten Mal an die Weser zurückgekehrt, im fortgeschrittenen Fußballalter von 38 Jahren vermochte es der erfolgreichste Torschütze der Werder-Historie aber aufgrund mehrerer Wehwehchen nicht, dauerhaft an sein altes Leistungsniveau anzuknüpfen.

Schlüsselspieler Serge Gnabry

Trainiert wird die Bremer Elf in diesen Tagen vom Bundesliga-Frischling Alexander Nouri, der das Amt von Viktor Skripnik im vergangenen September übernommen hat. Für Nouri gibt es einen Schlüsselspieler im Kader: Serge Gnabry. Der deutsche Nationalspieler bereitete in 16 Spielen zwei Treffer vor und schoss sieben selbst. Bezeichnend für das heutige Werder ist, dass Gnabry nicht als Nachfolger von Micoud, Diego oder Özil gilt, ja gelten kann. Bremen ist als Verein einfach nicht mehr in der Lage, rund um Spieler der Qualität Gnabrys etwas aufzubauen. Ohne die Qualifikation fürs europäische Geschäft sind die Gnabrys dieser Welt für Werder nicht zu halten. Als Tabellen-15. geht es für Bremen derzeit aber gar nicht um Europa, sondern erneut nur darum, die Klasse zu halten. Dass Gnabry den Verein bald wieder verlassen wird, gilt als sicher. Bei einer Ausstiegsklausel, die unter zehn Millionen Euro liegen soll, haben Arsenal, Chelsea, Leverkusen und auch die Bayern Interesse am 21-jährigen Flügelstürmer bekundet.

Für den Geschäftsführer Sport, Frank Baumann, heißt es nun, in die Fußstapfen von Klaus Allofs zu treten. Dem gelang es lange Zeit, das für Stars eingenommene Geld so zu reinvestieren, dass sich Werder zumindest keine Sorgen um den Abstieg machen musste. Und das wäre der erste Schritt, um langfristig wieder mehr Spannung in einen alten Bundesliga-Klassiker zu bringen.

(erer)
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