Interview mit Wirtschaftsexperten zum Fall Hoeneß Theisen: "Größtmöglicher Schaden, der eintreten kann"

Düsseldorf · Der renommierte Wirtschaftsexperte Manuel Rene Theisen, Wissenschaftler der Ludwig-Maximilian-Universität München und Herausgeber der Fachinformation "Der Aufsichtsrat", hat die Entscheidung des Aufsichtsrates der Bayern München AG im Fall Uli Hoeneß im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) kritisiert.

Hoeneß-Zitate zur Steueraffäre
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Foto: dpa, geb nic

Wie bewerten Sie die Entscheidung der Aufsichtsratsmitglieder der Bayern München AG im Fall Uli Hoeneß?

Professor Dr. Dr. Manuel Rene Theisen (Wirtschaftsexperte/60): "Die Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, sie ist aktienrechtlich vollkommen unverständlich. Man kann sie nur so erklären, dass es eine Entscheidung für den Fußballverein ist, weil man glaubt, dass die Mehrheit noch hinter Uli Hoeneß steht, aber sie hat mit einer Führungsentscheidung gar nichts zu tun. In einer Aktien-Gesellschaft wäre so etwas unvorstellbar, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender seinen Rücktritt anbietet und die Mehrheit des Aufsichtsrats es dann besser weiß."

Müssten es gerade die Aufsichtsräte, die zum Teil großen Unternehmen vorstehen, nicht besser wissen?

Theisen: "Sie müssen es nicht nur besser wissen, sie wissen es auch besser. Aber sie haben eben ein klassisches Problem: Sie haben zwei unterschiedliche Interessen. Zum einen, Schaden vom FC Bayern abzuwenden. Das haben sie meiner Meinung nach vernachlässigt. Die zweite Rolle ist, dass sie als Sponsoren Vertragspartner des FC Bayern sind und in dieser Rolle natürlich enormes Geld im Feuer haben. Und daran haben sie wohl fast ausschließlich gedacht. Die Entscheidung wird dadurch aber nicht richtiger."

Wie werden die Aktionäre der Firmen reagieren?

Theisen: "Mit dieser Entscheidung darf sich keiner der Herren in der eigenen Gesellschaft sehen lassen. Ich kann mir nur vorstellen, dass sie sagen, das ist ein Fußballklub, der spielt nur AG. Aber sie können nicht Wasser predigen und Wein trinken. Sie können nicht in dieser Gesellschaft sagen: Das ist ein netter Mann, der hat so gut Fußball gespielt, und in der eigenen Gesellschaft gilt Null-Toleranz. Da würden sie wegen eines Essens mit der Ehefrau auf Firmenkosten fliegen. Die nächste Hauptversammlung möchte ich in keiner der drei Gesellschaften absitzen müssen."

Wäre überhaupt ein Kompromiss denkbar gewesen, also ein Rücktritt nach dem Champions-League- und Pokal-Finale?

Theisen: "Kompromisse kann man in einer Aktiengesellschaft in so einem Fall nicht eingehen. Was ist das denn für eine Überlegung? Das ist der schiere Populismus. Jeder hofft derzeit auf diesen sportlichen Erfolg und deshalb soll alles nach hinten treten. Aber was ist denn für Herrn Hoeneß dadurch gewonnen? Der wird auf dieser Party, wenn er sie jemals noch in dieser Rolle besuchen wird, alleine auf seiner Bank sitzen. Keiner wird ein Foto mit ihm haben wollen."

Der Aufsichtsrat hat jedoch erklärt im Interesse des Vereins auch mit Blick auf die beiden Finalspiele zu handeln...

Theisen: "Es wäre etwas anderes, wenn irgendein Ereignis in drei Wochen abzusehen wäre, wo es dann heißt, dass Uli Hoeneß doch keine Steuern hinterzogen hat, dass alles ein Irrtum ist. Aber das steht gar nicht zur Debatte. Es steht ein Fußballspiel auf dem Programm. Das mag wichtig für den Verein sein, aber was hat das mit Herrn Hoeneß und seinem Amt als Aufsichtsratsvorsitzender zu tun. Er spielt ja nicht selbst mit. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Noch einmal: Ich verstehe das nur, wenn man die populistische Ebene bedenkt. Die Aufsichtsräte trauen sich derzeit nicht gegen Volkes Meinung, gefühlte oder wahre, eine Entscheidung zu treffen. Sie haben Angst, dass keine Schuhe oder Autos mehr gekauft werden."

Ist Uli Hoeneß überhaupt noch zu halten?

Theisen: "Allen ist doch klar, dass Herr Hoeneß nicht zu halten ist. Das ist gar nicht zu diskutieren. Dass er auf irgendeinem Sockel noch zu stehen kommt, ist ausgeschlossen. Ich bin kein Moral-Theologe. Ich beurteile nur die Corporate Governance einer wichtigen Aktiengesellschaft. Da sind schon Leute über ganz andere Dinge gestolpert. Es ist doch unstrittig, dass es da nur ein Ende geben wird. Es ist nichts gerettet, nur weil man es vertagt hat."

Welche Folgen ergeben sich aus dieser Entscheidung?

Theisen: "Ich halte das, was jetzt passiert ist, für den fast größtmöglichen Schaden, der eintreten kann - auch für den Verein. Der kommt weiter nicht aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Auch bei den Unternehmen der anderen Aufsichtsratsmitglieder (VW, Audi, adidas, Anm. d. Red.) kann das einen nachhaltigen Schaden anrichten. Das wird dann sprichwörtlich an deren Schuhen und Autos pappen, da ist Herr Hoeneß längst Geschichte. Das hätte man sorgfältig bedenken und richtigerweise gestern schon anders entscheiden müssen."

(sid/seeg/jco/csi)
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