Zehn Hingucker des 11. Spieltags Bruderduell und Tunnel-Hattrick

Düsseldorf · Wer dreimal trifft, darf den Spielball mitnehmen. Wer wie Dortmunds Sokratis dreimal getunnelt wird, nimmt wohl einen Knoten in den Beinen mit nach Hause. Die Szene mit Zlatko Junuzovic von Werder Bremen war einer der Hingucker des 11. Bundesliga-Spieltags.

SV Werder Bremen: Zlatko Junuzovic tunnelt Sokratis dreimal in einer Szene
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Junuzovic tunnelt Sokratis dreimal in einer Szene

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Foto: dpa, crj fdt

Nach 161 Tagen ist er wieder da — und sein Bundesliga-Comeback fiel fast schon standesgemäß aus. "Die Null muss stehen", lautet das Motto des neuen Hoffenheimer Trainers Huub Stevens. Und die Null stand auch beim 0:0 der Kraichgauer im Spiel beim 1. FC Köln. "Es war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Ich bin über den einen Punkt froh", sagte der "Knurrer von Kerkrade" nach seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. 2004/05 hatte Stevens den FC zurück in die Bundesliga geführt, nun geht es mit Hoffenheim um den Klassenerhalt.

"André Schubert: The Interims One" – Pressestimmen
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11. Spieltag: Pressestimmen

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Sechs Spiele, sechs Siege — die Bilanz von Andre Schubert als Trainer von Borussia Mönchengladbach bleibt auch nach dem 4:1 (2:0) bei Hertha BSC makellos. Binnen weniger Wochen hat der 44-Jährige den Champions-League-Teilnehmer vom Krisenteam zur Mannschaft der Stunde geformt — und sich selbst mit einem Startrekord in den Bundesliga-Geschichtsbüchern verewigt.

Durch den souveränen Erfolg in der Hauptstadt zog Schubert mit dem bisherigen Rekordhalter Willi Entenmann gleich, der 1986 mit dem VfB Stuttgart ebenfalls seine ersten sechs Spiele gewonnen hatte. Und auch in Borussias Vereinshistorie hat Schubert etwas Seltenes vollbracht: Mehr als sechs Siege hintereinander gab es bislang erst zweimal.

Joel Matip gegen Marvin Matip: Erstes Duell der beiden Brüder
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Erstes Duell der Matip-Brüder endet mit einem Unentschieden

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Nach der bravourös bestandenen Abwehrschlacht gegen die Über-Bayern sprudelte es nur so aus Frankfurts Torwart Lukas Hradecky heraus. "Damit hatte ich heute nun wirklich nicht gerechnet", gestand der finnische Keeper. "Ich habe bislang erst einmal in dieser Saison zu Null gespielt und jetzt meine zweite Weiße Weste gegen das beste Team in Deutschland. Das ist unglaublich."

Im letzten Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach hatte Hradecky gleich fünf Gegentreffer hinnehmen müssen. Vor der Partie gegen den zuvor noch ungeschlagenen Tabellenführer war daher eigentlich nur darüber diskutiert worden, wie oft der 25-Jährige dieses Mal den Ball aus dem Netz holen müsste. Doch dann verlebte Hradecky einen weitaus ruhigeren Abend als er zuvor gedacht hatte. Weil die Eintracht phasenweise mit zehn Mann verteidigte, kamen die Bayern nur zu wenigen Chancen. Und wenn einmal ein Ball durch das dichte Abwehrnetz der Gastgeber rutschte, war der Finne mit slowakischen Wurzeln zur Stelle.

Durch. Und durch. Und nochmal durch. Es lief die 63. Minute im Bremer Weserstadion, als Zlatko Junuzovic seinen früheren Teamkollegen Sokratis von Borussia Dortmund mal so richtig auf die Hörner nahm. Erst tunnelte der Österreicher den Griechen von links nach rechts, dann von rechts nach links. Und, als wäre es noch nicht genug gewesen, schob er dem 27-Jährigen den Ball auch noch aus der Drehung durch die Beine - bis Sokratis genug hatte und Junuzovic unsanft ausbremste.

1. FC Köln: Trainer Peter Stöger nach Strobl-Handspiel bedient
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FC-Trainer Stöger tobt nach Strobl-Handspiel

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Foto: Screenshot Sky

Das dreifache "Gurkerl" - so nennen die Österreicher einen "Tunnel" - dauerte für Sokratis ewig lange zehn Sekunden an und war dem Innenverteidiger dennoch am Ende herzlich egal. Aus dem Freistoß entstand keine Torgefahr, und der BVB entführte souverän drei Punkte aus der Hansestadt. Trotz der Szene des Spieltags von Zlatko Junuzovic.

Manuel Gräfe ist einer der Besten seiner Zunft. 2011 wurde er vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) als "Schiedsrichter des Jahres" ausgezeichnet. Sein Patzer im Spiel zwischen dem VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen (2:1) dürfte dennoch einen Platz im Kuriositäten-Kabinett der Saison 2015/2016 sicher haben.

Die 28.766 Zuschauer rieben sich verwundert die Augen, als der Berliner in der 34. Minute seinen Assistenten überstimmte und das Tor zum 1:0 durch Nicklas Bendtner anerkannte. Der Unparteiische von Hertha 03 Zehlendorf war überzeugt, dass der Pass zu Flankengeber Vieirinha, der unbestritten im Abseits stand, vom Leverkusener Kevin Kampl kam. Doch die Hintertorkamera wies eindeutig Wolfsburgs Andre Schürrle als Passgeber aus — Pech für Gräfe. "Ich war mir einfach ziemlich sicher", beteuerte er hinterher und hatte eigentlich keine Schuld. Er selbst hat die Situation anders wahrgenommen und danach gehandelt. So gibt es das Lehrbuch vor.

Gräfe nahm es gelassen und machte mit seinem menschlichen Auftritt Werbung für die Tatsachen-Entscheidung des Schiedsrichters. Der 42-Jährige gab seinen Fehler zu, stand ausführlich Rede und Antwort und überzeugte an diesem Abend alle — sogar auch einige Leverkusener wie Bayer-Keeper Bernd Leno: "Es ist passiert. Es war eine Fehlentscheidung. Der Schiedsrichter hat gesagt, dass es sein Fehler war. Mehr gibt es nicht zu sagen."

Plötzlich herrschte rege Betriebssamkeit zwischen den Bänken von Werder Bremen und Borussia Dortmund. BVB-Trainer Thomas Tuchel bereitete die Einwechslung von Lukasz Piszczek vor, doch dass die vier Unparteiischen kurzfristig einen Kriegsrat einberiefen, hatte einen ganz anderen Grund: Tobias Welz (Wiesbaden), der die Partie 83 Minuten lang geleitet hatte, konnte aufgrund einer Wadenverletzung nicht mehr weitermachen.

Nach kurzer Diskussion zwischen den vier Männern griff sich Assistent Martin Thomsen die Pfeife. Der vierte Offizielle Norbert Grudzinski zog sich seine lange Trainingshose aus und übernahm den vakanten Posten an der Linie in den letzten Minuten des 3:1-Auswärtssiegs des BVB. Die kuriose Szene in Bremen war übrigens in der laufenden Saison nicht der erste Schiedsrichter-Wechsel während einer Bundesliga-Partie. Im September beim Duell zwischen dem Hamburger SV und Schalke 04 musste sich Jochen Drees mit Schmerzen im Bein selbst auswechseln und wurde durch Marco Fritz ersetzt — auch die Schiedsrichter müssen dem immer schnelleren Spiel und den gestiegenen körperlichen Belastungen hin und wieder Tribut zollen.

Peter Stöger ist ein ruhiger und besonnener Mann. Seine Worte wählt er meist mit Bedacht, dass der Trainer des 1. FC Köln lauter wird, passiert höchst selten. Am Samstag aber war es so weit. Das Handspiel von Hoffenheims Abwehrspieler Tobias Strobl nach Anthony Modestes Kopfball (57.) war der Auslöser. Für fast alle im Stadion war das Vergehen klar ersichtlich — außer offenbar für Schiedsrichter Günter Perl.

"Mehr Hand geht nicht. Aus 50 Metern habe ich es gesehen", sagte der genervte Stöger nach dem 0:0 bei Sky und legte zynisch nach: "Hand wird in Köln etwas anders bewertet, ist o.k. so. Darauf werden wir uns einstellen und bald auch etwas mehr mit der Hand spielen."

Handspiel und Köln? Da werden Erinnerungen wach. Es ist gerade zwei Wochen her, da traf Leon Andreasen in bester Volleyballermanier zum 1:0-Siegtreffer von Hannover 96 beim FC. "Es ist - schönen Gruß an den DFB - ärgerlich, dass wir Handball-Schiedsrichter hier hatten und das Spiel mit einem Kempa-Trick entschieden wird", hatte Geschäftsführer Jörg Schmadtke schon damals geschimpft.

Tobias Levels und Alexander Baumjohann sind mit 28 Jahren im besten Fußballalter. Trotzdem erweckten beide den Eindruck, schon ewig in der Bundesliga zu spielen. Levels erzielte für seinen FC Ingolstadt das zwischenzeitliche Führungstor beim FC Schalke, Baumjohann für Hertha BSC das wertlose 1:3 gegen Borussia Mönchengladbach — für beide war es der erste Treffer im Oberhaus seit 2009.

Damals spielten beide gemeinsam in Gladbach. Etwas länger, seit dem 21. Februar jenes Jahres, hatte Baumjohann warten müssen. Levels war am 7. März sein bis Samstag einziges Bundesligator gelungen, als Defensivspieler ist es auch nicht gerade seine Paradedisziplin. Baumjohann wurde weniger von seiner Lieblingsposition gestoppt, sondern von gleich zwei Kreuzbandrissen nacheinander.

Bayern Münchens Kapitän Philipp Lahm sagte zuletzt über Thomas Müller, dieser sei vor dem Tor "kalt wie eine Hundeschnauze". Wer am Samstag Yoshinori Muto im turbulenten 3:3 (1:2) beim FC Augsburg beobachtete, dürfte den japanischen Torjäger des FSV Mainz 05 ähnlich beschreiben.

Mit gnadenloser Effizienz sicherte Muto den Rheinhessen praktisch im Alleingang einen Zähler und legte einen Auftritt hin, den er mit dem dritten Tor in der Nachspielzeit (90.+3) auch dramaturgisch perfekt gestaltete. Genug war es ihm allerdings nicht. "Es wäre besser gewesen, wenn ich vier Tore gemacht und wir drei Punkte geholt hätten", sagte der 23-Jährige über seinen Dolmetscher.

Sechs Saisontore hat der Sommereinkauf vom FC Tokio bereits zu Buche stehen und damit seinen Landsmann Shinji Okazaki (zu Leicester City) vergessen lassen. Zudem ist er der erste Japaner seit dem früheren Frankfurter Naohiro Takahara (Dezember 2006), der einen Dreierpack in der Fußball-Bundesliga erzielte. "Er muss weiter arbeiten und dranbleiben", forderte Trainer Martin Schmidt. Muto hat verstanden: "Ich bin noch nicht zufrieden. Ich will mich weiterentwickeln."

Auf der Tribüne saß Jean Matip im grünen Kamerun-Trainingsanzug, er war stolz und zufrieden zugleich. Unten auf dem Rasen umarmten sich seine Söhne Marvin und Joel nach ihrem ersten Bruderduell in der Bundesliga — und niemand hatte verloren. "Ich glaube, ich kann ein bisschen besser damit leben", sagte der 30-jährige Marvin nach dem 1:1 (1:0) mit dem Aufsteiger FC Ingolstadt bei Schalke 04 und seinem sechs Jahre jüngeren Bruder Joel.

So nah wie nach dem Schlusspfiff waren sich die beiden in den 90 Minuten zuvor selten gekommen, die originären Aufgabengebiete der beiden Abwehrspieler lagen weit auseinander. Wagte einer von beiden den Weg nach vorne ins Revier des Bruders, war "es schon komisch", meinte Marvin: "Irgendwann nach dem Zweikampf merkst du dann, dass es dein eigener Bruder war." Joel betonte: "Ich sehe dann nur auf den Ball."

Nach dem Spiel ging es nicht mehr gegeneinander, sondern gemeinsam weiter. Die in Bochum aufgewachsenen Brüder fuhren zusammen nach Mainz ins ZDF-Sportstudio, sahen dort Fotos aus ihren Kicker-Anfangsjahren beim SC Weitmar 45, hörten Erinnerungen ihres Vaters Jean und ihrer Mutter Eva-Maria, plauderten über ihr einziges gemeinsames Länderspiel mit Kamerun. Und als Joel, dessen Vertrag auf Schalke ausläuft, nach seiner Zukunft gefragt wurde, mutmaßte Marvin: "Er wird sich irgendwann den Traum von der Premier League erfüllen. Aber mir hat er auch noch nichts gesagt."

Einen Gewinner im 24. Bruderduell der Bundesliga gab es am Ende doch noch. An der Torwand traf Joel viermal, Marvin nur zweimal.

(jaso/sid/dpa)
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