Kolumne Gegenpressing Verträge im Fußball sind nur Verhandlungsmasse

Düsseldorf · "Pacta sunt servanda" - an den Geist des Gesetzes aus dem alten Rom halten sich die Vertragspartner immer seltener.

Kolumne Gegenpressing: Verträge im Fußball sind nur Verhandlungsmasse
Foto: Phil Ninh

Der wichtigste Grundsatz des Rechts stammt aus dem alten Rom. Pacta sunt servanda, heißt er im lateinischen Original. Unter den Akteuren unseres Profifußballs sind Lateinkenntnisse nicht verbreitet. Von daher ist verständlich, dass sie es mit dem Grundsatz, dass Verträge einzuhalten seien, nicht genau nehmen. Vorzeitige Spielerwechsel gehören zum Geschäft, Trainerwechsel vor der Zeit sind gang und gäbe.

Die "Zeit" hat ausgerechnet, dass der ehemalige Meistertrainer Armin Veh auf eine durchschnittliche Verweildauer von 1,99 Jahren bei einem Klub kommt. Auf 1,99 Jahre werden Verträge selten angelegt. Auch nicht auf 2,08 Jahre, wie sie Friedhelm Funkel im Schnitt aufweist, und erst recht nicht auf Peter Neururers 1,15. Weil der Ortswechsel zum Geschäft gehört, hat Veh übrigens einen Container gepackt, um auf die Schnelle mit Couch, Sessel, Esstisch, Espressomaschine aufbrechen zu können. Nur eine Klobürste, so berichtet der Trainer, kaufe er jedes Mal neu.

Eine neue Klobürste hätte auch Markus Weinzierl beinahe gebraucht. Der Trainer des FC Augsburg hat mit sich gerungen, ob er das Angebot des FC Schalke annehmen sollte. Hat er nicht. Denn Weinzierl hat sich plötzlich erinnert, dass er gerade seinen Vertrag bei den bayerischen Schwaben bis 2019 verlängert und seine "Jobzufriedenheit" gepriesen hat. Dass Schalke überhaupt an den Coach herangetreten ist zeigt, was Kontrakte wert sind. Wenig. Verträge sind im Profifußball wahlweise bloße Absichtserklärungen oder gewichtige Verhandlungsmasse.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit bleibt Weinzierl nicht bis 2019 in Augsburg. Entweder muss er wegen Erfolglosigkeit vorher gehen, oder ein anderer Klub kauft ihn aus dem jüngst verlängerten Kontrakt heraus. Deutschsprachig, nachhaltig in seiner Arbeit, sympathisch im Auftritt - so jemand hat beste Chancen. Stellen wir uns mal vor, Thomas Tuchel kommt beim BVB nicht klar, oder Borussia Mönchengladbach braucht eines fernen Tages einen Ersatz für Lucien Favre, oder bei Bayer Leverkusen endet die gute Entwicklung mit Roger Schmidt. Auf Weinzierl werden sie alle ein Auge werfen.

Und dass er zu Gesprächen mit anderen Klubs bereit ist, steht seit dieser Woche fest. Erstaunlich ist auch, wie Augsburg Weinzierls Bleifen feiert. Dabei bleibt er nur vertragstreu. Vorerst.

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(RP)
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