Arsène Wenger Die Demontage einer Trainer-Ikone

Düsseldorf/London · Zum dritten Mal hintereinander verliert Arsène Wenger mit dem FC Arsenal 1:5 gegen Bayern München. Die Fans fordern vehement den Rauswurf der Vereinslegende, der Coach selbst sucht die Schuld bei einem anderen.

Arsenal - Bayern: Reaktionen
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Foto: ap, AG TH

Die Arsenal-Fans forderten seinen Rauswurf, die englische Presse stimmte den Abgesang an. Und Arsène Wenger? Der gab allein dem Schiedsrichter die Schuld für die zweite 1:5-Pleite seiner Mannschafft gegen die Bayern innerhalb von zwei Wochen. "Wir haben die Bayern gut unter Druck gesetzt, dann gab es viele fragwürdige Entscheidungen des Schiedsrichters gegen uns", sagte der Franzose nach der erneuten Demütigung. "Vor dem Elfmeter stand Lewandowski im Abseits, dann war es kein Elfmeter und auch kein Platzverweis. Der Schiedsrichter hat uns klar benachteiligt. In Unterzahl war es für uns natürlich schwer." Zudem hätte es im ersten Durchgang Elfmeter für sein Team geben müssen, betonte Wenger. "Skandalös" seien die Entscheidungen des Gespanns um den griechischen Referee Anastasios Sidiropoulos gewesen.

In der Tat hatte seine Mannschaft bis zum 1:2 gut mitgespielt, war lange Zeit sogar besser gegen "pomadige" (Mats Hummels) Bayern. Und in der Tat stand Bayern-Torjäger Lewandowski in der Szene, die zum Elfmeter und zum Platzverweis von Abwehrstabilisator Laurent Koscielny führte, knapp im Abseits. Doch dass seine Mannschaft danach, wie schon in der zweiten Halbzeit im Hinspiel, komplett auseinanderfiel, sich nicht mehr gegen die Demontage wehrte, darüber verlor Wenger kein Wort. Doch genau darüber ist zu reden.

Die englische Presse ließ sich mit Genuss über die neuerliche Demütigung aus. "Shame old story", titelte der Dailystar. Ein Wortspiel, das man in etwa mit "Dieselbe Schande wie immer" übersetzen könnte. Die "Sun" schrieb schnörkellos "Wenger raus" und sprach von der "nächsten Peinlichkeit auf europäischer Bühne". "Arsenal schon wieder gedemütigt", hieß es beim "Guardian". Schon in der vergangenen Saison hatte es in der Gruppenphase ein 5:1 der Bayern gegen Arsenal gegeben.

Deutlich schmerzhafter als die Häme der Presse dürfte für Wenger aber der Liebesentzug der eigenen Fans sein. Seit über 20 Jahren ist Wenger der Mann auf der Arsenal-Bank. Er hat dort Professionalität und ein gepflegtes Kurzpassspiel eingeführt. Er hat Titel mit den "Gunners" gewonnen. Sechsmal den FA-Cup (zuletzt 2015), dreimal die Meisterschaft in der Premier League (zuletzt vor 13 Jahren). Auch, wenn die Erfolge länger mal ausblieben, vertrauten Verein und Fans auf das langfristige Wirken von Wenger.

"Wir wollen, dass du gehst!"

Doch nun scheint sich das Kapitel, nein, der Roman zu schließen. "Alle guten Dinge müssen ein Ende haben", hieß es auf einem Plakat, das die Fans im Emirates Stadium hochhielten. "Arsène, danke für die Erinnerungen, aber es ist Zeit, auf Wiedersehen zu sagen" auf einem anderen. Bei einem Protestmarsch nach dem Spiel wurden einige Fans deutlicher. "Arsene Wenger, wir wollen, dass du gehst!", sangen sie. Viele Anhänger hatten das Stadion schon lange vor dem Ende der 90 Minuten verlassen. "Wenn die Fans bis zum Schlusspfiff warten, sollten sie dem größten Verkehr entgehen", spöttelte Ex-Profi Gary Lineker bei Twitter.

Es scheint schwer vorstellbar, dass Arsenal Wenger in der laufenden Saison feuert. Dafür hat der Klub dem Trainer zu viel zu verdanken, dafür ist Wenger zu sehr Vereinslegende.Wengers Vertrag läuft im Sommer aus, zuletzt wurde sogar über Verlängerung spekuliert. Spieler wie Koscielny sprachen sich dafür aus. Doch der Druck auf Wenger wächst. "Wenger hat bei Arsenal viel verändert, aber im Konzert der Großen kann er nicht mehr mitspielen", sagte Ex-Profi Thomas Hitzelsperger im Sky-Studio. "Trainer wie Jürgen Klopp oder Antonio Conte sind ihm überlegen", meinte der frühere Nationalspieler, der früher selbst in England aktiv war. Viele Experten sind der Meinung, der 68-jährige Wenger habe den richtigen Zeitpunkt für einen Abschied bereits unwiederruflich verpasst.

Besonders Wengers Abschneiden in der Champions League macht ihn angreifbar. Seit 2010 ist der Verein nicht mehr über das Achtelfinale in der Königsklasse hinausgekommen. So sehr gedemütigt wie diesmal von den Bayern, die den Gesamtvergleich mit 10:2 Toren gewannen, wurde Arsenal aber noch nie. "Vielleicht reicht Arsenal ein Trainer, der Jahr für Jahr die Teilnahme an der Champions League garantiert, denn das bringt viel Geld", mutmaßte Hitzelsperger. "Gewinnen kann er die Champions League nicht."

Doch derzeit muss Arsenal um den erneuten Einzug in die Königklasse bangen. In der Tabelle sind die Londoner auf Platz fünf abgerutscht. Von hinten drückt Manchester United. Lediglich der FA-Cup gibt den Fans noch Hoffnung. Dort steht Arsenal im Viertelfinale. Doch würde das "Trostpflaster" Pokalgewinn reichen, um Wengers Amtszeit noch einmal zu verlängern?

Wenger selbst äußerte sich nach dem Spiel nicht zu seiner persönlichen Zukunft. "Ich habe dazu nichts zu sagen", sagte der Elsässer in perfektem Deutsch bei Sky und beendete das Interview. Von Rücktritt keine Rede. Noch. Ob es das letzte Interview von Wenger im deutschen Fernsehen als Arsenal-Trainer war? Ein Wiedersehen in der Champions League im nächsten Jahr scheint derzeit jedenfalls ganz weit weg.

(areh)
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