Tuchel unter Druck BVB muss auf der großen Bühne wieder den Schalter umlegen

Lissabon · In der Champions League kann Borussia Dortmund den vielen Diskussionen zumindest für 90 Minuten entfliehen. Thomas Tuchel ist davon überzeugt, dass die Mannschaft ganz anders auftreten wird, als in Darmstadt. Das muss sie auch, sonst wird es ungemütlich.

 Zeigt das Tuchel-Team in Lissabon wieder sein Europapokal-Gesicht?

Zeigt das Tuchel-Team in Lissabon wieder sein Europapokal-Gesicht?

Foto: dpa, bt hpl

"Im Rampenlicht sind wir hellwach und spielen am Limit", versprach der BVB-Trainer vor dem Duell mit dem portugiesischen Rekordmeister am Dienstagabend (20.45 Uhr/Live-Ticker) im Estadio da Luz. Seine Mannschaft plagt quasi das Gegenteil von Lampenfieber: Sie liebt den großen Auftritt, besonders auf ihrer Lieblingsbühne, während die kleineren Säle schon mal quälend zäh bespielt werden. Wie zuletzt bei Tabellenschlusslicht Darmstadt 98 — das 1:2 in der Bundesliga war eine Blamage.

"Gnadenlos durchgefallen", hat Tuchel vernichtend über seine junge Mannschaft geurteilt. Man müsse sich eventuell daran gewöhnen, dass dies der BVB der Saison 2016/17 sei, sagte er sinngemäß. Und: Das müsse vielleicht auch intern "mal durchsickern". Das ließ sich problemlos als schmucklos verpackte Kritik an der Vereinsführung interpretieren.

Es entsteht der Eindruck, wie das Fachmagazin "kicker" sinngemäß schrieb, man könne vielleicht in diesen Tagen zusehen, wie ein Mythos zu bröckeln beginnt. "Es ist viel Unruhe da", stellt Tuchel fest. Seine späte Einbeziehung in den Transfer des schwedischen Supertalents Alexander Isak ist zu nennen, das Zerwürfnis mit Chefscout Sven Mislintat. Und das Verhältnis zu Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc. Es wird nicht mit einer Stimme gesprochen beim BVB. Die "Bild" schreibt sogar schon vom ersten "Schicksalsspiel" für Tuchel. Sollte Dortmund im Achtelfinale der Champions League ausscheiden, wäre Tuchel im Sommer Geschichte, spekuliert das Blatt.

Fakt ist, dass die Diskussionen über randalierende Fans, internes Knirschen und sportliche Schwankungen den BVB Kraft und Konzentration gekostet. Am Montag akzeptierte der Verein die Sperrung der Südtribüne im kommenden Heimspiel gegen Wolfsburg nach den Schmäh-Plakaten gegen RB Leipzig.

Leistungssteigerung im Scheinwerferlicht?

Doch nun gehen wieder die strahlenden Scheinwerfer an, der Rasen ist gepflegt: Es ist Königsklasse. "Wir trauen uns eine große Leistung zu. Wir haben bewiesen, wozu wir in der Lage sind", sagte Tuchel. Seine Spieler sind jedenfalls heiß. "Allein mit der Hymne der Champions League wird das etwas komplett anderes", sagte Torhüter Roman Bürki ganz passend: "Wir haben die Möglichkeit, es gleich wieder gutzumachen."

Und Kapitän Marcel Schmelzer sagte kurz vor dem Abflug: "Das ist ein ganz anderer Wettbewerb, es überwiegt die Vorfreude. Wir haben die Sachen angesprochen, die in Darmstadt falsch gelaufen sind. Wir wissen, was wir verbockt haben und müssen in Lissabon ganz anders spielen als am Wochenende."

Wie tadellos sich der BVB bisher im Europapokal präsentiert, spricht dafür, dass sich ein Totalausfall wie in Darmstadt nicht wiederholen wird. Denn die Rampensau-Seite der Schwarz-Gelben glitzert. Da waren: Der Gruppensieg vor Titelträger Real Madrid, das torreichste Spiel der Champions-League-Geschichte gegen Legia Warschau (8:4), ein 6:0 in Polen und zwei (wenngleich nicht restlos überzeugende) Siege gegen Benficas Stadtrivalen Sporting.

Mut macht auch, dass am Sonntag Lukasz Piszczek und Schmelzer, die in Darmstadt angeschlagen gefehlt hatten, wieder auf dem Trainingsplatz standen und die Reise mitantreten konnten. Ousmane Dembélé (Trauerfall in der Familie), der inzwischen das Herz des BVB-Spiels ist, und Gonzalo Castro könnten ebenfalls in die Startelf zurückkehren. Mario Götze musste dagegen wegen seiner muskulären Probleme zu Hause bleiben.

Die Aufgabe ist eine der leichteren und dennoch knifflig. Benfica ist Meister der vergangenen drei Jahre, versammelt ähnlich wie die Borussia viel Talent im Kader und gewann die Generalprobe trotz Unterzahl gegen den FC Arouca locker mit 3:0.

Dortmund und Benfica trafen sich erst zweimal: Im Landesmeister-Achtelfinale 1963 gewann der BVB nach einem 1:2 in Lissabon das Rückspiel 5:0. In der laufenden Saison hat kein Team mit weniger Punkten (8) das Achtelfinale erreicht als Benfica.

(areh/sid)
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