Champions League Bayern sucht nach dem verlorenen Schwung

Düsseldorf · Die Über-Bayern haben wieder Bodenhaftung. Das gefällt ihnen nicht, aber sie müssen damit leben, dass man sie wieder für menschliche Wesen hält. In der Bundesliga rumpelte es nach der Münchner Märzmeisterschaft, und ausgerechnet vor dem Champions-League-Halbfinal-Hinspiel bei Real Madrid (heute, 20.45 Uhr/Live-Ticker) machen sich längst überwunden geglaubte Selbstzweifel breit.

FC Bayern trainiert mit Neuer in Madrid
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Die Über-Bayern haben wieder Bodenhaftung. Das gefällt ihnen nicht, aber sie müssen damit leben, dass man sie wieder für menschliche Wesen hält. In der Bundesliga rumpelte es nach der Münchner Märzmeisterschaft, und ausgerechnet vor dem Champions-League-Halbfinal-Hinspiel bei Real Madrid (heute, 20.45 Uhr/Live-Ticker) machen sich längst überwunden geglaubte Selbstzweifel breit.

FC Bayern München: Gegner Real Madrid im Portrait
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Sogar ein notorischer Optimist wie Arjen Robben erklärt im "Kicker": "So wie wir in den letzten Wochen gespielt haben, kann man auch sagen, dass wir nicht der Favorit sind."

Vor einem Monat klang das alles noch ganz anders. Bayern beeindruckte mit seiner fußballerischen Überlegenheit das Land und den ganzen Kontinent. Es war sicher nicht verwegen, den Münchnern die erste Titelverteidigung der Champions-League-Geschichte zuzutrauen. Doch dann kamen der früheste Titelgewinn der Bundesliga und ein verhängnisvoller Satz von Trainer Pep Guardiola. Er lautete: "Sorry, die Bundesliga ist vorbei."

Cristiano Ronaldo muss beim Pokalfinale zusehen
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Die Spieler haben sich das schnell gemerkt und folgsam drei Liga-Spiele hintereinander nicht gewonnen. Das 3:3 gegen Hoffenheim wurde noch als Betriebsunfall abgehakt, das 0:1 in Augsburg als ärgerlich verbucht, das 0:3 gegen Borussia Dortmund endgültig als Nachweis dafür hergenommen, dass die Münchner ihren vielfach bewunderten Rhythmus verloren hatten.

Bayern gegen Real - Der große Vergleich
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Guardiola steuerte erschrocken gegen und erklärte seine bereitwillige Preisgabe aller weiteren Ambitionen in der Bundesliga zum Fehler. Seither sucht ganz Fußball-München verbissen nach dem berühmten Schalter, den es nun umzulegen gilt. Furchtbar erfolgreich war diese Suche noch nicht. Und die Verkrampfung, die das vormals so lockere Bayern-Ensemble erfasst hat, führt sehr konsequent zu ziemlich schlechter Laune.

Sportvorstand Matthias Sammer, der vermutlich noch nie zu den geborenen Frohnaturen gerechnet werden durfte, ging dabei energisch voran. Das 5:1 im DFB-Pokalhalbfinale gegen den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern nahm er gleich mal zum Anlass für eine bitterernste Ermahnung. "So reicht das nicht", sagte er, "ich glaube, wir gehen zu positiv miteinander um, zu lieb und zu nett, in so einer Kuscheloase." Solche Klagen kamen früher aus Leverkusen. Aber das hilft den Bayern ja auch nicht.

Franck Ribéry ist Sammers Vorbild gefolgt. Während der Bundesliga-Partie in Braunschweig schlenderte der Franzose hauptsächlich lustlos und mit grimmiger Miene über den Rasen. Und er ließ den Ärger über sich selbst, die vergebliche Suche nach dem Schalter zum Umlegen oder der Lockerheit aus dem vergangenen Jahr in beherzten Nickeligkeiten aus. Damit sein Außenstürmer nicht auch noch in ausdrucksvollere körperliche Auseinandersetzungen geriet, holte ihn Guardiola lieber vom Feld, ehe das der Schiedsrichter tat. Ribérys Laune wurde nicht besser.

Ein weiteres schlechtes Vorzeichen vor dem Aufeinandertreffen der zurzeit wohl besten Vereinsmannschaften der Welt. Schließlich hatte sich Ribéry im gütigen Regiment von Trainer Jupp Heynckes und während der faszinierenden Erfolgsserie mit dessen Nachfolger Guardiola öffentlich in der Rolle des bayerischen Hofnarren eingerichtet - immer lustig, immer mit einem kindlichen Scherz im Kopf und auf dem Platz von allen Lasten befreit.

Die Narrenkappe muss er irgendwo verloren haben. Der Franzose wirkt mal wieder wie der bissige Straßenkämpfer und übellaunige Solist der späten Phase von Louis van Gaal. Mit dem niederländischen Autokraten kam Ribéry überhaupt nicht klar, weil der nun gar keine Antenne für die Albernheiten des Offensivspielers hatte, mit denen der wiederum nur um Aufmerksamkeit bettelte. Wer ein paar Jahre später nun welche Laus über Ribérys Leber hat laufen lassen, ist nicht abschließend zu klären.

Vielleicht war es ja Sammer. Und vielleicht bekommt der äußerlich so robuste, aber extrem feinfühlige Ribéry die notwendigen Streicheleinheiten in der Vorbereitung auf das Spiel in Madrid von Klubchef Karl-Heinz Rummenigge und Trainer Guardiola. Der ehemalige Präsident Uli Hoeneß hat ja augenblicklich andere Probleme.

Es gibt aber nicht nur Anlass zur Sorge für die Bayern. Ganz schön finden sie bestimmt, dass Ribérys Partner von der anderen Seite des Platzes ziemlich gute Laune hat. Arjen Robben sagt: "Wenn du gut drauf bist und du bekommst viel Vertrauen vom Trainer, dann pusht dich das noch mal." Das wird nötig sein. Ebenso wie ein Torwart in Bestform. Immerhin meldete sich Nationalschlussmann Manuel Neuer wieder fit. Vor zwei Jahren im Halbfinale von Bernabeu bot Neuer eine Weltklasse-Leistung.

Heute wie damals gilt der Satz: "Das Halbfinale wird im Rückspiel entschieden." Reals Trainer Carlo Ancelotti hat ihn gesagt. Er kennt sich aus.

(RP)
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