Dortmunds erster Champions-League-Titel 1997 "Es gibt Märchen, die gibt es gar nicht"

Dortmund · Besonders im Vorfeld des Champions-League-Finales am Samstag gegen Bayern München erinnert man sich bei Borussia Dortmund gern an den Triumph 1997 in München und den Europacup-Helden Lars Ricken.

CL 12/13: Dortmunds Weg ins Finale
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Im Münchner Olympiastadion wurde die 71. Minute notiert. Trainer Ottmar Hitzfeld wechselte aus, schickte Lars Ricken ins Finale. Der damals 20-jährige war gerade zehn Sekunden auf dem Spielfeld, als er den an der Strafraumgrenze postierten Torhüter Angelo Peruzzi von Juventus Turin aus 25 Metern überlupfte und mit dem Treffer zum 3:1 den bisher großten Erfolg von Borussia Dortmund perfekt machte.

Ricken genießt inzwischen in Dortmund Kultstatus, seine Bogenlampe wurde anlässlich des 100. Klub-Geburtstages zum "Jahrhundert-Tor" gekürt. Was Rickens Kunstschuss vor 16 Jahren auslöste? TV-Kommentator Marcel Reif fasste damals den Triumph des BVB gegen den scheinbar übermächtigen Gegner treffend zusammen: "Die Gebrüder Grimm drehen sich im Grabe um. Es gibt Märchen, die gibt es gar nicht."

"Oh, wie ist das schön!"

Als Schiedsrichter Sandor Puhl aus Ungarn die Partie am 28. Mai um 22.21 Uhr abpfiff, kannte der Jubel keine Grenzen. Jürgen Kohler, der zweifache Torschütze Karlheinz Riedle (29. und 34.), Andreas Möller, der Ricken mit seinem Pass die Vorlage zum Tor geliefert hatte, Stefan Reuter und Co. wälzten sich ausgelassen auf dem Rasen. Am Spielfeldfeldrand wuchteten einige Spieler Erfolgscoach Hitzfeld Richtung Nachthimmel, und 30.000 mitgereiste BVB-Fans trällerten in ohrenbetäubender Lautstärke: "Oh, wie ist das schön!"

Gesehen hatte man das in Deutschland lange nicht - genauer noch nie. Denn der BVB ging als erster deutscher Gewinner der Champions League in die Geschichte ein. Und das nach einer eher durchwachsenen Bundesliga-Saison. Wohl niemand hat auch eine Mark auf die Westfalen gegen das Starensemble von Juve um Zinedine Zidane, Alessandro Del Piero, Torschütze zum Anschlusstreffer (65.), und Didier Deschamps gesetzt.

Denn fünf ihrer acht Auswärtsspiele verloren die Westfalen zuvor in der Bundesliga-Rückrunde, und vier Tage vor dem Endspiel die letzte Saison-Begegnung auch noch mit 1:2 gegen den Hamburger SV. Doch Riedle wollte es gewusst haben. "Ich habe eine Nacht zuvor einen Traum gehabt - und da habe ich zwei Tore gemacht", verriet er. "Es waren rückblickend definitiv die wichtigsten 90 Minuten in meinem Leben," sagte Riedle später.

Hunderttausende feierten die Könige von Europa nach der Rückkehr aus der bayrischen Hauptstadt und straften ein Boulevard-Blatt Lügen, dass nach dem Duell mit der vermeintlich weltbesten Mannschaft aus Turin einen "Trauerzug" anstelle eines Korsos durch die Dortmunder Innenstadt prophezeit hatte.

Begehrtester Interview-Partner war natürlich Ricken. "Als ich auf der Bank saß, habe ich gesehen, dass Peruzzi immer weit vor seinem Tor stand. Ich habe dann zu Heiko Herrlich gesagt: 'Den ersten Ball, den ich bekomme, den werde ich einfach blind über ihn rüber heben'. Und so habe ich es dann auch gemacht - und Glück gehabt."

Dass die spätere Karriere des jetzigen BVB-Jugendkoordinators immer wieder auf jenen Treffer reduziert wird - Ricken nimmt's gelassen. Dem kicker sagte der Ex-Nationalspieler jüngst: "Da habe ich schon von deutlich Schlimmerem gehört. Einer bleibt in Erinnerung, weil er den entscheidenden Elfmeter an den Pfosten donnert, der andere, weil er ein billiges Tor kassiert hat. Dann bin ich ganz gerne der, der zehn Sekunden nach seiner Einwechslung das Tor zum Champions-League-Sieg geschossen hat."

Mehr noch: Einer, so erzählte Ricken, habe auf dem Friedensplatz beim Torjubel eine völlig fremde Frau an sich gedrückt. "Sie haben sich kennengelernt, geheiratet und einen Sohn. Klingt erfunden, stimmt aber alles: Der Junge heißt Lars."

(sid/seeg/sgo)
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