Champions League Böse Miene zum guten Spiel

Madrid · Am Mittwoch (20.45 Uhr/Live-Ticker) trifft der FC Bayern in der Champions League auf Atlético Madrid. Trainer Diego Simeone fühlt sich als Boss einer Gang rauer Fußballer.

 Atlético-Trainer Diego Simeone.

Atlético-Trainer Diego Simeone.

Foto: ap, PW

Am Mittwoch (20.45 Uhr/Live-Ticker) trifft der FC Bayern in der Champions League auf Atlético Madrid. Trainer Diego Simeone fühlt sich als Boss einer Gang rauer Fußballer.

Man muss sie nicht mögen. Wahrscheinlich hätten sie selbst sogar etwas dagegen. Sie sind sicher nicht Everybody's Darling. Und das finden sie ganz gut. In einer bestens ausgeleuchteten bunten Welt des Hochglanzfußballs kommen die Spieler von Atlético Madrid als leicht angeschmuddelte Außenseiter daher, als Spielverderber vom Dienst, als Gegenentwurf zu den kantenfreien, glattgebügelten Stars bei den Branchenführern. Als böse Jungs, die den Künstlern die Schau stehlen. Zuletzt haben sie das wieder mal wunderbar vorgeführt, als sie den FC Barcelona, diese Ansammlung von Feingeistern, aus der Champions League warfen. Mit einer hingebungsvollen Defensivleistung und dem Stürmer Antoine Griezmann, der nach einer 1:2-Hinspielniederlage die Tore beim 2:0 erzielte.

Bayern München, das ebenfalls zu den Teams gehört, die lieber die Feinheiten des Fußballs pflegen, sollte gewarnt sein. Denn Atlético ist heute Gegner im Halbfinal-Hinspiel (20.45 Uhr, Sky und ZDF). Das ist alles andere als ein Freilos für den Titelträger von 2013. Denn Atléticos Trainer Diego Simeone wird sicher über die geeignete Partisanen-Taktik gegen Pep Guardiolas Artisten nachsinnen. Der Bayern-Coach ist zumindest schon mal voller Hochachtung. "Das Spiel gegen Barcelona zeigt, wie stark Atlético ist und wie kompliziert es wird", sagt er, "sie haben ein großes Herz und eine sehr gute Mentalität. Sie haben in den letzten Jahren sehr wenige Tore kassiert, weil sie eine sehr gute Struktur haben."

Das stimmt. Das Toreverhindern hat Simeone seinen Jungs in die DNA eingeschrieben. Beleg: In der Liga gab es in 35 Spielen nur 16 Gegentreffer. Bei Atlético verteidigt das gesamte Team, jeder geht herzhaft in die Zweikämpfe.

Simeone ist ein großer Lehrmeister. Als Spieler mit über 100 Einsätzen für Argentiniens Nationalmannschaft gehörte er zu jenen, die man lieber nicht auf dem Fußballplatz treffen wollte - es sei denn, sie gehören zur eigenen Mannschaft. Zweikämpfe mit ihm waren schmerzhaft, Nachgeben kannte er so wenig wie Aufgeben. Und er drückte auch schon Atlético als Mittelfeldmann seinen Stempel auf.

Noch stärker prägte er die Mannschaft als Trainer. Die Fans lieben ihn dafür, wenn er - stets schwarz gekleidet - an der Außenlinie mitarbeitet, gegnerische Spieler und Trainer beleidigt, Schiedsrichter beschimpft und das Publikum zum Mitmachen auffordert.

Bisweilen schlägt er dabei über die Stränge. Beim 1:0 gegen Malaga am vergangenen Wochenende wurde Simeone vom Schiedsrichter auf die Tribüne verwiesen. Aus Richtung Trainerbank war ein Ball aufs Spielfeld geflogen. Vermutlich, um einen Konter der Gäste zu unterbinden. TV-Bilder beweisen, dass es nicht Simeone, sondern ein Balljunge war. Doch spanische Medien spekulieren darüber, ob der Coach die Aktion veranlasst habe. Eine Strafe droht so oder so. Es wird ihm egal sein. Er fühlt sich wie der Boss einer Gang.

Seine Bande spielt einen Fußball, der zunächst das gegnerische Spiel zerlegt. Schönheit zählt nicht, das Ergebnis ist entscheidend. In Deutschland versuchen sich die Aufsteiger Ingolstadt und mehr noch Darmstadt in dieser Taktik. Schon mit ihnen kamen die Bayern nicht so richtig klar. Nun bekommen sie es mit einem Gegner zu tun, der die Taktik des Zerstörens neu erfunden hat und der über ein unvergleichlich starkes Personal verfügt — Darmstadt und Ingolstadt mal fünf oder zehn.

Das Publikum von Atlético liebt diese Art des Fußballs, weil es sich im Kontrast zum schillernden Stadtrivalen Real als Außenseiter fühlt. In dieser Rolle gelangen bemerkenswerte Kunststücke - nicht nur der Viertelfinal-Erfolg über Barcelona. 2014 holte Atlético die Meisterschaft. In diesem Jahr stand der Außenseiter im Champions-League-Finale gegen Real. Der große Favorit hätte sich beinahe die Zähne ausgebissen, ehe er sich in die Verlängerung rettete und gegen entkräftete Gegner ein 4:1 schaffte.

Atlético hat sich längst als dritte Kraft im spanischen Fußball etabliert. Und auch in dieser Saison könnte es durchaus noch mit dem Titel klappen. Los Rojiblancos sind punktgleich mit Spitzenreiter Barcelona. Zu Schönheitspreisen wird es dennoch nicht reichen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort