Bayern München scheidet aus Abschied einer großen Generation

Madrid/Düsseldorf · Die 2:4-Niederlage bei Real Madrid war für Philipp Lahm und Xabi Alonso der Abschied von der großen internationalen Bühne. Bayern München steht ein Umbruch bevor – mit ungewissem Ausgang.

Xabi Alonso umarmt Philipp Lahm.

Xabi Alonso umarmt Philipp Lahm.

Foto: rtr, tj

Die 2:4-Niederlage bei Real Madrid war für Philipp Lahm und Xabi Alonso der Abschied von der großen internationalen Bühne. Bayern München steht ein Umbruch bevor — mit ungewissem Ausgang.

Die Frage nach dem Schuldigen war schnell beantwortet. Für Spieler und Delegation des FC Bayern München war Schiedsrichter Viktor Kassai beinahe ebenso sehr am Ausscheiden des deutschen Meisters aus der Champions League beteiligt wie Gastgeber Real Madrid, der sich mit 4:2 nach Verlängerung ins Halbfinale spielte. Tatsächlich übersah Kassai bei zwei Real-Toren eine Abseitsstellung von Cristiano Ronaldo. Und er schickte Arturo Vidal mit der Ampelkarte vom Platz, obwohl der Chilene zuvor ausnahmsweise gar kein Foul begangen hatte. Die Münchner hielten das für spielentscheidend, weil sie nach dem 1:0 von Robert Lewandowski (übrigens nach einem zumindest umstrittenen Foulelfmeter), einem Eigentor von Sergio Ramos, bei dem der Münchner Thomas Müller im Abseits stand, und dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Ronaldo (regulär erzielt) mit einer 2:1-Führung in Unterzahl in die Verlängerung gehen mussten.

Das war bestimmt nicht die beste Voraussetzung. Und die am Ende unglückliche Niederlage brachte nicht nur die Spieler anständig in Wallung. Beim abendlichen Bankett fasste Vereinschef Karl-Heinz Rummenigge die Meinung der gesamten bayerischen Reisegruppe in ein klares Wort, das so alle paar Wochen auf jedem Kreisliga-Platz fällt. "Wir sind", sagte der oberste Funktionär im Klub vor Edelfans und Sponsoren, "beschissen worden." Trainer Carlo Ancelotti beklagte sprachlich etwas weniger eindrucksvoll eine Schiedsrichterleistung, die dem hohen Level nicht entsprochen habe.

Kassai trug so auf seine Weise zu einem nicht gerade triumphalen Abschied zweier ganz großer Fußballer von der internationalen Bühne bei. Bayerns Kapitän Philipp Lahm (33) und der spanische Mittelfeldspieler Xabi Alonso (35) beenden im Sommer ihre Karriere. Lahm bekannte: "Die Enttäuschung ist sehr groß." Und Alonso sprach sich selbst Trost zu. "Philipp und ich haben so viele Spiele genossen", sagte er, "wir können glücklich sein." So sah er freilich nicht aus.

Die beiden Weltmeister hinterlassen große Lücken in ihrem Team. Sie stehen für den Abschied einer großen Generation. Bastian Schweinsteiger (32) ging schon vor zwei Jahren, bald werden Arjen Robben (33) und Franck Ribéry (34) folgen. Sie laufen schon jetzt nicht mehr in jedem Spiel wie die Häschen in der Batterie-Werbung. Dem FC Bayern steht nach Jahren nahezu uneingeschränkter Herrschaft auf dem deutschen Fußballmarkt mit einem eingespielten Team aus Spielern mit internationaler Klasse ein Umbruch bevor.

Natürlich haben sie diesen Tag kommen sehen im Klub. Deswegen wurden Douglas Costa und Kingsley Coman bereits als Nachfolger für die Flügelmänner Ribéry und Robben geholt. Ob sie dem Anspruch des Rekordmeisters gewachsen sind, ist mittlerweile fraglich. Costa legte einen Raketenstart hin, ist aber inzwischen von sich selbst derart hingerissen, dass er kaum mal zu professioneller Bodenhaftung findet. Coman fehlen körperliche Robustheit und Konstanz. Er bleibt ebenso weit hinter den Erwartungen wie Renato Sanches, der als Nachfolger von Alonso aufgebaut werden soll. Er wird dessen Rolle ganz sicher nicht aus dem Stand übernehmen können. Und auch Joshua Kimmich ist noch lange nicht der neue Philipp Lahm, als der er nach ein paar sehr brauchbaren Länderspielen bereits gefeiert wurde.

Schweinsteiger, Lahm, Alonso, Ribéry und Robben sind über Jahre auf höchstem Niveau zu Marken geworden, und sie haben das Spiel der Münchner geprägt. Solche Figuren wachsen nicht auf den Bäumen. Es wird im einfachsten Fall teuer, einigermaßen gleichwertigen Ersatz zu finden. Die Hoffenheimer Niklas Süle und Sebastian Rudy, die als Zugänge schon feststehen, sind da bestimmt nicht das letzte Wort. Die Bayern müssen eine neue große Generation von Spielern entwickeln, die auf höchstem internationalen Niveau mithalten kann. Das ist schließlich der Anspruch. Aber das könnte ein bisschen dauern. Diese Einsicht setzt sich vermutlich gerade in der Unternehmensspitze durch. Auch das erklärt die Wut, mit der Rummenigge auf die Niederlage in Madrid reagierte.

(pet)
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