Analyse zur Champions League Jose Mourinho — Taktik-Genie oder Maurer?

Düsseldorf · An Jose Mourinho scheiden sich die Geister. Für die einen ist er ein Trainer-Genie, der seine Mannschaften perfekt einstellt. Für die anderen ist der Portugiese einfach nur ein Trainer, der äußerst konsequent auf die Defensive setzt. Zwei Sachen sind sicher: Er hat damit Erfolg und die Meinung anderer interessiert ihn sowieso nicht.

 Jose Mourinho während des Spiels bei Atletico Madrid.

Jose Mourinho während des Spiels bei Atletico Madrid.

Foto: ap, AG

Das 0:0 zwischen Atletico Madrid und dem FC Chelsea im Halbfinal-Hinspiel der Champions League war kein schönes Spiel für neutrale Zuschauer. Es gab nur wenige klare Torchancen. Schuld daran war Chelseas Coach, der dem Gegner ein Spiel aufzwang, dass ihm überhaupt nicht lag.

Atletico ist vielleicht die größte Überraschung der laufenden Saison. Trainer Diego Simeone hat die "Matratzen" nicht nur ins Halbfinale der "Königsklasse" geführt, sondern auch an die Spitze der spanischen Primera Division, vor Real Madrid und dem FC Barcelona. Simeone hat der Mannschaft ein konsequentes Pressing verordnet, zudem schaltet die Mannschaft schnell um, kontert sehr gefährlich.

Gegen Chelsea mussten sie nun das Spiel machen — und verzweifelten an Mourinhos destruktiver Defensiv-Taktik. Chelsea zog sich mit den Mittelfeld-Zerstörern Obi Mikel, David Luiz, Ramires und Frank Lampard sehr weit zurück, machte das Zentrum dicht und bot Atletico Ballbesitz und Platz für Flanken an. Atletico hatte am Ende 69,4 Prozent Ballbesitz und schlug 46 Flanken, erzeugte dabei aber nur sehr selten Torgefahr, nur vier der 25 Torschüsse gingen auf das Chelsea-Tor. Im Schnitt hatte das Team im Verlauf der gesamten Saison in der Champions League 45 Prozent Ballbesitz und vor dem Halbfinale schlug Atletico durchschnittlich 16,8 Flanken.

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"Sky"-Experte Patrick Owomoyela kann sich mit Mourinhos Fußball nicht so recht anfreunden: "Wahrscheinlich ist seine Taktik sogar richtig, wahrscheinlich führt sie zum Erfolg, aber für mich bekommt er deshalb nicht das Label 'Taktikfuchs'", sagte der frühere deutsche Nationalspieler. Doch der Erfolg gibt dem Pragmatiker Mourinho recht. Mit dem FC Porto gewann er mit einer ähnlichen Ausrichtung ebenso den Titel wie mit Inter Mailand.

Sein FC Chelsea steht nicht für Hurra-Fußball, es ist eine sehr kühl agierende Mannschaft, die nur so vor Erfahrung und Selbstbewusstsein strotzt. Das Team glaubt Mourinho — und an seine Taktik. In der Offensive vertraut Mourinho auf die individuellen Fähigkeiten seiner Spieler, allen voran auf die Fähigkeiten von Eden Hazard. Den verletzten Belgier ersetzte er in Madrid durch den robusten und zweikampfstarken Ramires, nicht etwa durch den Brasilianer Oscar, der seine Stärken in der Offensive hat. Mourinho wollte Stabilität und er bakam sie.

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Ganz zufrieden war "The Special One" aber mit dem 0:0 nicht. "Es war ein defensives Spiel. Es war sehr umkämpft, sehr eng. Das Ergebnis geht in Ordnung. Es ist kein wirkliches gutes Resultat, da wir jetzt im Rückspiel gewinnen müssen. Es is nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut", sagte Mourinho nach der Partie. Wer jedoch dem deutschen Nationalspieler André Schürrle zuhörte, der ahnte, dass der Portugiese mit dem torlosen Remis gar nicht so unglücklich war: "Für uns ging es darum, kein Gegentor zu kassieren. Das war unser Plan. Wir wollten defensiv gut stehen und auf Konter spielen."

Im Rückspiel wird Mourinho nicht ganz so destruktiv verteidigen lassen, wird vor allem das Mittelfeld offensiver besetzen, ohne jedoch ins offene Messer zu laufen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Chelsea das Finale am 24. Mai in Lissabon erreichen wird. Und Mourinho könnte dann in seiner Heimat das schaffen, was vor ihm noch keinem Trainer gelang: mIt drei verschiedenen Klubs die Champions League gewinnen.

Egal, ob der Gegner dann der FC Bayern oder Real Madrid heißen wird, der Portugiese wird es wieder auf seine Weise versuchen. Er wird Beton anmischen. Ob es den Zuschauern gefällt, oder eben nicht. Er wird es vielleicht registrieren, aber Anerkennung für ein schönes, attraktives Fußballspiel lassen ihn relativ kalt. Fußball ist für Mourinho ein reines Ergebnisspiel, in dem nur das Resultat zählt. Er definiert sich eben über Titel, nicht über Ästhetik.

(can)
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