Real Madrid gewinnt das Champions-League-Finale Körperkunst mit Cristiano Ronaldo

Lissabon/Düsseldorf · Der Portugiese steuerte den letzten Treffer beim 4:1-Erfolg von Real im Champions-League-Finale gegen Atlético bei.

Real Madrid: Cristiano Ronaldo macht auf Mario Balotelli
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Ronaldo macht nach Titel auf Balotelli

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Zu vorgerückter Stunde wurde auch noch tüchtig nackte Haut gezeigt. Der Weltfußballer persönlich hatte gerade einen seiner bemerkenswertesten Beiträge zum zehnten Champions-League-Titel für Real Madrid geleistet. Cristiano Ronaldo verwandelte in der Verlängerung des Finales von Lissabon einen Foulelfmeter zum 4:1-Endstand gegen den Lokalrivalen Atlético. Dann strebte er als oberster Vermarkter des eigenen Luxuskörpers zunächst mal in beste Fotografenposition, enthüllte unterwegs den in zahlreichen Muckibuden-Stunden formschön gestalteten Oberkörper und gab eine gut einstudierte Kopie des Italieners Mario Balotelli. Der hatte 2012 einen EM-Treffer gegen die Deutschen mit einer ähnlichen Enthüllungsaktion gefeiert.

Es sind Szenen wie diese, die Ronaldo zu einer kuriosen Figur machen. Niemand bestreitet dem inzwischen 29-jährigen Stürmer die fußballerische Klasse. Er hat sie in vielen großen Spielen bewiesen. Allein für Real hat er in 51 Spielen der Meisterklasse sagenhafte 52 Tore erzielt. Und er ist der Erste, der bei zwei Endspielen für zwei verschiedene Siegermannschaften (Real und Manchester United) traf. Das ist einzigartig.

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Einzigartig ist allerdings auch seine Fähigkeit, derartige Leistungen entsprechend hervorzuheben. "So lange ich im Klub bin, fühlte ich mich bereit für diesen Moment", sagte er im Gedränge der Medienmenschen, "der Druck macht mich jeden Tag besser. Die Decima (zehnter Titel im wichtigsten europäischen Wettbewerb, Anm. d. Red.) ist da, und das wird mit all den Rekorden wirklich einmalig." Das musste noch schnell gesagt werden.

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Derartige Selbstbespiegelung passt zum Auftritt als Körperkünstler an der Eckfahne. Und solche Aufführungen unterstreichen das Image des eitlen Gockels. Ronaldo setzt es ganz bewusst ein, es hat ihm hochdotierte Werbeverträge eingetragen, aber nicht unbedingt den Respekt seiner Gegner. Sie tun sich schwer mit dem Gehabe des Stürmers. Und sie stöhnen schon auf, wenn er sich in Pistolero-Manier zum Freistoß aufstellt.

Gegen den hingebungsvoll arbeitenden Gegner im Finale gab es dazu ein paar Gelegenheiten, so richtig nah kam er dem Tor dabei nicht. Im Spiel blieb Ronaldo lange unter seinen großen Möglichkeiten. Es war nicht zu übersehen, dass er noch unter den Nachwirkungen seiner Oberschenkelverletzung leidet. Ein Verzicht auf den Auftritt in der Hauptstadt seiner portugiesischen Heimat hätte allerdings auch nicht gepasst. Im Gegensatz zu Diego Costa von Atlético, der nach ein paar Minuten feststellen musste, dass es nun doch noch nicht reicht, war Ronaldo zumindest in der Lage, die vollen 120 Minuten inklusive Verlängerung durch zu stehen.

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Das verdankt er ebenfalls seiner ganz besonderen Zuneigung zum eigenen Körper. Seine Wegbegleiter rühmen die äußerst professionelle Einstellung des Angreifers. Er ernähre sich vorbildlich, pflege den teuren Körper nach allen Regeln der wissenschaftlichen Kunst. "Deshalb bin ich fast nie verletzt", hat er im Frühjahr noch gesagt, bevor ihn dann doch ein kleines Zipperlein ereilte.

Trotz der Maximalbelastung mit 50 Pflichtspielen im Jahr sind solche Beschwerden bei Ronaldo tatsächlich extrem selten. Und bis zur Weltmeisterschaft, bei der er für Deutschlands ersten Gruppengegner Portugal eine noch viel wichtigere Rolle als bei Real Madrid spielen muss, ist er sicher wieder im Vollbesitz seiner bemerkenswerten Kräfte. Es sind nicht diese Kräfte allein, die ihm in seinen Mannschaften zu einem beliebten Mitspieler machen. Seine Kollegen loben übereinstimmend eine herausragende Einstellung zum Beruf, vorbildlichen Umgang mit Klubpersonal und Nebenleuten auf dem Feld. Und sie verweisen gern darauf, dass Ronaldo sich beim Training keineswegs mit der Arroganz des Schönlings drückt. Im Gegenteil: Der Mann von der Atlantikinsel Madeira gehört immer zu den Ersten auf dem Rasen, er legt häufig Sonderschichten ein, und er soll im Umgang ein sehr netter Kerl sein.

Wer ihn nur von weitem erlebt, wenn er wie ein Pfau mit seiner Entourage im Schlepp durch die Mixedzonen der Stadien dieser Welt pflügt, oder wenn er sich wie in Lissabon zum Posing vor die Kameras stellt, dem fällt es schwer, so etwas zu glauben. Weil es aber viele sagen, muss etwas daran sein. Der öffentlichen Ronaldo ist trotzdem eine seltsame Figur.

(RP)
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