Kommentator des Champions-League-Finales Rethy find' ich gut - Plädoyer für einen Gescholtenen

Düsseldorf · Es ist zum Volkssport geworden, auf die Kommentatoren der Fußballspiele einzudreschen. Für das ZDF sitzt heute Abend beim Finale der Champions League der Lieblingsfeind vieler Fußballfans am Mikrofon.

CL 12/13, Finale, Dortmund - Bayern: Der Mann-gegen-Mann-Vergleich
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Es ist an der Zeit, mal einen Mann zu loben, der schon viel Prügel einstecken musste. Steffen Simon (48) heißt er, ist Sportchef des Westdeutschen Rundfunks und hat am Donnerstagabend das Relegationsspiel zwischen Hoffenheim und Kaiserslautern kommentiert. Über seine Einschätzungen des erfrischend turbulenten Geschehens konnte man geteilter Meinung sein, aber das liegt in der Natur der Sache. Der Fußball bezieht seine Faszination ja daraus, dass sich jeder ein anderes Bild vom Spiel macht.

Simon hat vorgestern aber etwas getan, für das er bislang nicht bekannt war: Er hat Fehler eingeräumt und mindestens zweimal nach Ansicht von Wiederholungen sein Urteil ohne großes Lamentieren revidiert. Gut so! Fehler zugeben, konsequent durchs Spiel führen, den Profis auf dem Platz nicht die Schau stehlen - für die Leute am Mikrofon gilt dasselbe wie für Schiedsrichter.

Bela Rethy (56) - wie Simon ein Vielgescholtener - ist das nicht immer gelungen. Er bestimmt oft die Schlagzeilen. Der erste Mann unter den Fußballreportern des ZDF lag daneben, als er in Barcelona in einem Flitzer den Bruder des Münchner Profis Franck Ribéry erkannt haben wollte. Bei Rethy häuften sich phasenweise die Fehleinschätzungen gerade bei Länderspielen. In sozialen Netzwerken bildete sich deshalb die Gruppe "Best of Bela Rethy", die Fehler des Mainzers genüsslich zusammentrug. Manch einer sah in Réthys Wintereinsätzen beim Skisprung-Weltcup der Damen hinter den sieben Bergen schon die Strafversetzung.

Aus Barcelona lieferte Rethy seinen Kritikern Anfang des Monats üble Vorlagen. Kostproben: "Ecken mögen die Bayern normalerweise nicht - zumindest nicht gegen sich", "Für Jupp Heynckes beginnt jedes Spiel bei 0:0" und "Selbst die Barca-Fans applaudieren Alaba zu, für seine klasse Defensivarbeit" (dabei galt der Beifall der Offensivaktion von Barcelonas Batra). Junge, Junge. Rethy wurde zum Lieblingsfeind vieler deutscher Fußballfans. Es wurde zum Volkssport, anonym auf ihn zu schimpfen. Teile seines Gehalts betrachtete er als Schmerzensgeld.

Dennoch ist der in Wien geborene und in Brasilien aufgewachsene Fußballexperte ein erstklassiger Mann und somit die Idealbesetzung für Wembley. Er kann ein Spiel erklären. Er spricht klar und abwechslungsreich - meistens ohne vermeintlich kunstvolle Verbaldribblings. Er kann den Ansprüchen der Fußballexperten und der vielen Gelegenheitsgucker unter den 20 oder mehr Millionen Zuschauern heute Abend gerecht werden. Denn genau das ist die Kunst, die der Sportkommentator beherrschen muss. Es gibt kein anderes journalistisches Metier, in dem gleichermaßen absolute Fachleute wie Laien bedient werden müssen. Rethy ist auch nicht gleich von jedem Fehlpass beleidigt - so wie der Kollege Marcel Reif (64), der heute beim Sender Sky antritt. Für den ist jede Unzulänglichkeit auf dem Platz ein persönlicher Affront.

Allen recht machen können es die beiden gerade im deutschen Finale nicht. Im "Bild"-Interview sprach Rethy jetzt in derben Worten über das DFB-Pokalfinale vor fünf Jahren: "Wir haben damals einige Anrufe in der Redaktion bekommen. 80 Anrufer sagten, ich sei ein Bayern-Schwein. 80 meinten, ich sei eine Dortmund-Sau. So gut hat Kritik selten getan." Viel Feind, viel Ehr.

(RP/sgo)
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