Toni Kroos Der Mann aus dem Maschinenraum

Dortmund · Toni Kroos ist die Schaltzentrale im Spiel von Real Madrid. Am Dienstagabend sind die Königlichen in der Champions League bei Borussia Dortmund zu Gast.

Das ist Toni Kroos
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Foto: ap, FS

Ende Mai fasste der große Zinedine Zidane einen beinahe folgenschweren Beschluss. Er lautete: Das Champions-League-Finale ist entschieden. Es war in der 72. Minute des Endspiels, das die Ortsrivalen Real und Atlético Madrid in Mailand bestritten. Der Favorit Real führte 1:0, und Trainer Zidane hielt es für an der Zeit, seinen deutschen Mittelfeldspieler Toni Kroos zur Erholung vor den anstrengenden Siegesfeiern auszuwechseln. Das wäre fast nach hinten losgegangen. Ohne Kroos musste Real den Ausgleich hinnehmen und rettete sich so gerade ins Elfmeterschießen, das es dann doch gewann.

Auf dem Briefkopf steht damit der nächste Titel, der elfte in diesem Wettbewerb. Die meisten Augenzeugen waren aber sicher, dass es Real mit Kroos bis zum Ende auf dem Rasen viel leichter gehabt hätte. Und wahrscheinlich wird Zidane nicht noch einmal darauf verfallen, den Mann aus dem Maschinenraum des Real-Spiels in einer wichtigen Begegnung vorzeitig aus dem Team zu nehmen.

Kroos ist längst auch in diesem Weltklub der Taktgeber, mit großer Sicherheit auch heute Abend (20.45 Uhr) beim Gastspiel bei Borussia Dortmund. Mit erst 26 Jahren erlebt der Mann aus dem vorpommerschen Greifswald den nächsten Höhepunkt seiner Karriere. Zu verbalen Höheflügen veranlasst ihn das aber nicht. "Ich bin", sagt er kühl wie ein Wissenschaftler, "nicht so der enthusiastische Typ."

92,3 Prozent Passquote bei EM

So ist auch sein Spiel. Er behauptet den Ball mit einer Selbstverständlichkeit und Ruhe, die alles leicht aussehen lässt. Er schlägt Pässe mit einer Präzision, die selbst Experten ins Staunen versetzt. Bei der Europameisterschaft in Frankreich errechneten die Uefa-Statistiker eine Quote von 92,3 Prozent gelungener Pässe. Das ist ein Wert nahe an der Unfehlbarkeit. Kein Wunder, dass ihn die Kollegen suchen, wenn sie mal wieder nicht wissen, wohin mit dem Ball. Kroos wird schon Verwendung dafür haben. Und weil er sehr oft am Ball ist, gibt er seinen Mannschaften den Stil vor. "Er hat sein Spiel auf seine Mannschaften übertragen", sagt Jerome Boateng, der Kollege aus der DFB-Auswahl.

So ist Kroos auch in der kleinen Weltauswahl von Real Madrid ohne erkennbare Mühe angekommen. Weder die hochkarätige Konkurrenz im eigenen Team noch schwierige Spiele auf hohem Niveau oder die hitzige Atmosphäre bei Auswärtsspielen wie heute Abend im ehemaligen Westfalenstadion bringen ihn dabei aus der Ruhe. "Verunsichern kann mich eigentlich nichts", hat er im Sommer bei der EM gesagt. Und geschaut hat er dabei wie ein Buddha von der nordostdeutschen Küste.

Früher wurde ihm das als Arroganz ausgelegt. Hinweise darauf fanden seine Kritiker auch in der Art, wie er spielt, immer aufrecht mit dem Blick zur nächsten Spielsituation und gelegentlich einem beleidigten Augenaufschlag Richtung Schiedsrichter, wenn er von ein paar Jungs härter bedrängt wurde. Manchmal wünscht man ihm da einen Schuss Leidenschaft, ein bisschen Wut. Aber zum Ausdruckstänzer bringt er es in diesem Fußballleben nicht mehr.

Wahrscheinlich liegt das daran, dass er früh Verantwortung übernahm, weil er immer der Beste war, stets bei den älteren Jahrgängen spielte und schon mit 15 bei Hansa Rostock eine lokale Berühmtheit wurde. "Das war nicht einfach, wenn man immer der Beste sein muss", sagt er. Mit 16 ging der Hochbegabte zum großen FC Bayern. Der damalige Manager Uli Hoeneß erklärte, er werde die Nummer 10, die Nummer der ganz Großen, der Pelés, Maradonas, Netzers, für Kroos reservieren. Und das war dann ein bisschen viel auf einmal.

Kroos drohte zu scheitern wie so viele Überbegabungen zuvor. Die Bayern liehen ihn aus, und in Leverkusen beim Trainer Jupp Heynckes wurde das herausragende Talent zum herausragenden Spieler geformt. Heynckes vermittelte ihm, dass zur Weltlaufbahn die Arbeit an Kleinigkeiten gehört. "Heynckes war mein wichtigster Trainer", versichert der Spieler.

Kroos war nicht mehr aufzuhalten. Er wurde mit 24 Weltmeister, gewann mit Bayern und Real die Champions League, der verstorbene Fußballweise Johan Cruyff hielt ihn schon im Sommer 2015 für "den wahren Weltfußballer" - nicht etwa Zauberkünstler vom Schlag des Kollegen Cristiano Ronaldo. Aber auch solche Jungs hat Real Madrid ja im Angebot. Das ist echter Luxus.

(pet)
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