Traumjob mit Tücken Erst Bundesliga, dann arbeitslos

Düsseldorf · Christian Müller hat sechs Monate einen Verein gesucht. Der Spieler, der mehr als 150 Spiele in den drei Profiligen gemacht hat, hielt sich bei einem Viertligisten fit. Sein Geschenk fürs neue Jahr: Ein Job beim Drittligisten Münster.

 Christian Müller (l.) im Trikot von Arminia Bielefeld.

Christian Müller (l.) im Trikot von Arminia Bielefeld.

Foto: IMAGO

Fast jeden Tag schreibt Christian Müller seinem alten Kumpel aus Berliner Tagen eine Nachricht. Jérôme Boateng heißt der Kumpel. Beide gehörten vor rund zehn Jahren zu der Nachwuchstruppe von Hertha BSC um Boateng, dessen Halb-Bruder Kevin-Prince, Ashkan Dejagah und Patrick Ebert, die große Hoffnungen in der Hauptstadt weckte. Die Gegenwart allerdings könnte kaum unterschiedlicher sein: Während sich der Weltmeister in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern München mit den besten Fußballspielern der Welt misst, hatte Müller zuletzt einen ganz anderen Kampf zu bestehen.

Ein halbes Jahr hat Müller (32) für einen neuen Vertrag, gegen das Vergessenwerden und das Gefühl der Perspektivlosigkeit gekämpft. Wie Müller, den Fußballfans vor allem aus seiner Zeit bei Arminia Bielefeld kennen, geht es mehreren Fußballprofis. Bekannte Spieler wie Kevin Kuranyi (ehemals Schalke), Sejad Salihovic (Hoffenheim) oder Piotr Trochowski (zuletzt Augsburg) haben keinen Verein gefunden, obwohl sie ihre Karrieren noch nicht beenden wollen.

Beste Zeit in Bielefeld

Auf solche glanzvollen Stationen kann Müller nicht zurückblicken. Nachdem er sich bei Hertha auch wegen langwieriger Verletzungen nicht hatte durchsetzen können, wechselte er 2008 zum Erstligisten Energie Cottbus. Doch auch in der Lausitz reichte es meist nicht für die erste Mannschaft. Über Umwege kam er nach Bielefeld, wo er seine sportlich erfolgreichste Zeit erlebte. In vier Jahren machte Müller für die Ostwestfalen 54 Zweitliga-, 46 Drittliga-Spiele und erlebte zwei Auf- und Abstiege. Insgesamt bringt es der gestandenen Fußballprofi auf mehr als 150 Spiele in den drei obersten deutschen Ligen.

Doch seit dem Sommer 2016 kamen keine neuen Partien dazu. Der ungarische Erstligist Vasas FC, für den Müller ein halbes Jahr spielte, hatte ihm keinen neuen Vertrag angeboten. Dabei sei der Trainer, der deutsche Michael Oenning, durchaus mit ihm zufrieden gewesen, erzählt Müller, aber der Präsident habe anders entschieden. Sechs Monate lang musste er einen neuen Arbeitgeber suchen. Es gab Anfragen, doch entweder kam ein Vertrag nicht zustande oder die Angebote genügten nicht den Ansprüchen des Mittelfeldspielers. "Ich habe nicht mehr viele Jahre zu spielen. Da muss es schon passen", sagt er. "Es muss sportlich reizvoll sein." Und das Geld sollte bei einer seiner letzten Stationen im Profi-Fußball natürlich auch stimmen.

Für einen guten Vertrag hat Müller einiges versucht. Von Juli bis September nahm er mit anderen Fußballern am Proficamp teil, das die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV) jedes Jahr organisiert. Vertragslose Fußballprofis trainieren dort und können in Testspielen (gegen Teams wie Fortuna Sittard oder den FC Málaga) auf sich aufmerksam machen.

Danach hielt Müller sich beim SC Verl fit - mit dessen Trainer Andreas Golombek ist er befreundet. Von Montag bis Freitag fuhr er jeden Tag von Bielefeld, wo er wohnt und wo seine Tochter zur Schule geht, nach Verl und trainierte dort mit der Viertliga-Mannschaft. Zusätzlich machte er Ausdauer- und Kraftsport im Fitnessstudio. "Ich bin fit und gesund", sagt Müller.

Das Amt kann keine Profi-Jobs vermitteln

Bis Ende 2016 lebte der Fußballer von Arbeitslosengeld. "Ich war ganz normal arbeitslos gemeldet, mit allem, was dazugehört", sagt er. Doch ein Unterschied existiere dann doch zum "normalen" Arbeitslosen-Dasein: "Vermitteln und helfen kann das Amt nicht." Denn Jobs im Profi-Fußball werden nicht per Ausschreibung oder Inserat gesucht. Müller, der keinen Berater hat, machte das selbst. Er fragte bei ehemaligen Mitspielern nach und beobachtete genau den Markt. Wenn er glaubte, dass ein Verein - vielleicht weil ein Spieler verletzt ausfällt - einen offensiven Mittelfeldspieler wie ihn gebrauchen könnte, rief er bei den Verantwortlichen an. Unangenehm war ihm das nicht. "Ich habe nichts zu verlieren", sagt Müller. Das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, fand er viel schlimmer. "Ab und zu kommt ein Loch", sagt Müller. "Aber wenn ich trainiere, denke ich nicht daran." Das Training beim SC Verl gab ihm Halt und Struktur im Leben, im Team erlebte er ein Gemeinschaftsgefühl. "Ich war Teil der Mannschaft. Für mich galten die gleichen Regeln und gleichen Strafen", erzählt Müller. "Und es wäre unfair, wenn ich mich hängen lasse."

Und aufgeben gab es für Müller, der immer wieder von schweren Verletzungen zurückgeworfen wurde, nicht. "23 Mal wurde ich schon operiert, und ich habe mich immer wieder zurückgekämpft", sagt Müller. Auch diesmal: Unmittelbar nach unserem Gespräch bekam er einen Job. Er spielt jetzt für Preußen Münster in der Dritten Liga. Der Vertrag läuft bis zum Sommer.

(RP)
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