Fußball wird digital Das Stadion der Zukunft

Düsseldorf · Wie werden wir künftig Fußballspiele im Stadion verfolgen? Vereine, Forscher und Architekten planen die Zukunft der Arenen. Als sicher gilt: Die digitalen Angebote werden den Stadionbesuch immer weiter verändern.

Fußball wird digital: Das Stadion der Zukunft
Foto: Interpol Architecture

Es ist der 33. Spieltag im Jahr 2025. Vater und Sohn sitzen auf einer Parkbank, vor ihnen liegt das Stadion ihrer Mannschaft. Sie tragen Datenbrillen, die ihnen viele statistische Werte auf einer digitalen Projektionsfläche anzeigen. "Wie möchtest du deine Stadionwurst heute?", fragt der Vater. "Doppel-Tofu-Schranke mit Cola, zur Halbzeit und an den Platz", antwortet der Nachwuchs, während er digital seine Bestellung aufgibt. Und: "Schau doch mal, wie viele heute zuschauen."

Der Vater ruft die Zahlen mit einer Handbewegung ab, antwortet: "189 Millionen in 87 Ländern, allein 50 Millionen verfolgen das Spiel in China." Bevor das Spiel angepfiffen wird, bestimmen die beiden noch die Taktik (Vater: "Dreier- oder Zweierkette?") und die Trikotfarben ("Lila und südamerikanisch, wie immer?") - dann stehen sie auf und laufen Richtung Arena. Das ist kein Computerspiel, das ist moderner Fußball in zehn Jahren - zumindest in einem animierten Kurzfilm, den der Sportvermarkter Sportfive herausgegeben hat.

So ähnlich könnte es aussehen, wenn sich in Zukunft die Anhänger einer Fußballmannschaft auf ihren Stadionbesuch vorbereiten. Das glaubt zumindest Sascha L. Schmidt, Professor und Leiter des Centers for Sports and Management an der WHU Düsseldorf. Er erforscht die Zukunft des Sports, beschäftigt sich dabei insbesondere mit der Entwicklung des Fußballs.

"Der Trend geht zum Secondscreen. Viele Zuschauer sitzen im Stadion, verfolgen während des Spiels Statistiken auf ihren Smartphones", sagt Schmidt. Er hält es für möglich, dass in Zukunft die Fans auch mehr Mitspracherecht bei den Vereinen bekommen. "Von der Mitbestimmung bei der Wahl der Trikotfarbe bis zur richtigen Aufstellung ist alles denkbar. So etwas wird zum Teil schon in Amateurligen oder bei Freundschaftsspielen getestet", sagt der Professor.

Auch der "gläserne Spieler" liege nicht mehr in ferner Zukunft, sagt Schmidt: "Ein Spieler wird mit einer Mini-Kamera ausgestattet, damit wir seine Sicht des Spielverlaufs abrufen können. Auch Messwerte, die Auskunft über seine Fitness geben, werden für den Zuschauer individuell abrufbar sein." Die Fans auf der Tribüne könnten dann auf Smartphones, Tablets oder Datenbrillen das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven verfolgen. Die Zukunft hat bereits begonnen. Einige Bundesligavereine bieten moderne Smartphone-Apps an. Einer davon ist Bayer Leverkusen. Mit der "HeimspielApp" lassen sich seit Februar während der Partie über das stadioneigene Wlan-Netz Statistiken und Video-Wiederholungen von Spielszenen abrufen. Die Applikation werde bereits von 10.000 Leverkusen-Fans regelmäßig genutzt, sagt Kommunikationsdirektor Meinolf Sprink: "Das Angebot wird gut angenommen."

Mit der App wolle man aber keinesfalls vom Spiel ablenken, sondern ein Zusatzangebot schaffen. "Das Entscheidende ist weiterhin auf dem Platz. Das stellen wir auch beim Nutzerverhalten fest: Je intensiver das Spiel, desto weniger wird die App genutzt", sagt Sprink. Man wolle das Angebot künftig noch weiter ausbauen und noch mehr Service anbieten. "Zum Beispiel können wir den Stadionbesuchern mitteilen, welche Toiletten oder Wurststände weniger stark besucht sind." Und auch bei der Vermarktung des Vereins sieht der Bayer-04-Sprecher noch Potenzial: "Man könnte beispielsweise Spontankäufe von Trikots oder Tickets anbieten."

Auch Architekten beschäftigen sich mit der Zukunft des Sports. So etwa das Büro Interpol Studios mit Sitz in Berlin und Hamburg. Dort wurde das New-Wave-Suprastadio entwickelt. Es ist aufgebaut wie eine brechende Welle: Die höher gelegenen Tribünenplätze liegen über den unteren Rängen. Auf diese Weise sollen alle Zuschauer nah dran sein am Geschehen. "Wir haben aus der Sicht der Fans geplant. Durch die Konstruktion schaffen wir eine dichtere Atmosphäre im Stadion", sagt Tim Schierwater, Architekt bei Interpol Studios. Zudem spare man Platz, das "ist besonders für enge Städte sehr interessant". Noch werde kein Suprastadio realisiert, doch es gebe "weltweit ein großes Interesse", versichert Schierwater.

WHU-Professor Schmidt sieht darin jedoch erst den Anfang. Er geht davon aus, dass in der Zukunft die Fans in Stadien Hologrammen zujubeln werden. "Die Technik ist schon relativ weit. Ich habe kürzlich ein Konzert von Michael Jackson gesehen - er stand als Hologramm auf der Bühne. Es war gespenstisch. Das wird im Sport auch bei Live-Spielen möglich sein", sagt Sascha L. Schmidt.

So könnten Anhänger bald die Auswärtsspiele ihrer Lieblings-Mannschaft im eigenen Stadion verfolgen. "Stellen sie sich ein Champions-League-Finale vor. Es könnte in jedem Stadion der Welt auf dem Rasen verfolgt werden, obwohl das Spiel in London stattfindet", erklärt Schmidt. Denn eines, davon ist der Professor überzeugt, wird sich auch in Zukunft nicht ändern: Die Menschen wollen nach wie vor gemeinsam die Spiele verfolgen — und nicht allein daheim vor dem Fernseher. Das "Wir"-Gefühl beim Sport sei überragend: "Studien haben ergeben, dass der Kontakt mit anderen Fans mehr positive Emotionen frei setzt als das Spiel an sich."

(csc)
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