Kolumne: Gegenpressing Der Profifußball und die Basis gehen auf Distanz

Düsseldorf · England ist ein schlechtes Vorbild für die Bundesliga. Die Ablösesummen sind grotesk, die Eintrittspreise zu hoch, die Mannschaften zu stark abgeschirmt. Die deutschen Klubs sollten sich hüten, diesen Weg zu beschreiten.

 RP-Sportchef Robert Peters.

RP-Sportchef Robert Peters.

Foto: Peters

Jörg Schmadtke, der Geschäftsführer des Bundesligisten 1. FC Köln, hat in dieser Woche beim Fußball-Gipfel unserer Zeitung einen wichtigen Satz gesagt. Er lautet: "Wir müssen nur aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr von der Basis entfernen." Ein weises Wort zur rechten Zeit.

Aber findet es auch Gehör? Zweifel sind erlaubt. Denn als Schmadtke mahnend den Finger hob, war Manchester United gerade dabei, sich die Dienste des Fußballspielers Paul Pogba für die Weltrekordsumme von 110 Millionen Euro zu sichern. Schalke hatte ein paar Tage vorher das 20 Jahre alte Talent Leroy Sané für 50 Millionen Euro auf die Insel zum United-Lokalrivalen Manchester City verscherbelt. Der VfL Wolfsburg schreibt Julian Draxler für den Sommer 2017 eine Ausstiegsklausel in den Vertrag. Für spottbillige 75 Millionen Euro darf er den Verein wechseln. Das sind Zahlen, bei denen normale Menschen Schnappatmung bekommen und die sie sich gar nicht vorstellen können.

Dieser Wahnsinn nimmt seinen Ausgang in England. Großinvestoren und TV-Rechtehändler pumpen Milliarden in den englischen Fußball. Die Vereine werfen das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster, und die vergleichsweise finanzschwächeren Ligen (also alle anderen) freuen sich, dass auch bei ihnen schöne Sümmchen ankommen.

Vorbildlich muss niemand die Entwicklung auf der Insel finden. Die Premier League hat sich nicht nur schon lange von einigermaßen anständigen (angemessenen) Gehältern verabschiedet, sie ist auch für den zahlenden Zuschauer ein teures Vergnügen. Die billigste Dauerkarte beim FC Arsenal kostet 1374 Euro, in München gibt es dieses Ticket schon für 140 Euro. Die Tageskarte kostet in England im Schnitt 40 Euro, in der Bundesliga 15 Euro. Der englische Fußball ist dadurch im Begriff, die Basis zu verlieren. Tausende reisen durch Europa, weil sie sich die Preise auf der Insel nicht mehr leisten können oder leisten wollen. Das Eventpublikum auf den Rängen in Manchester und London erlebt eine Aufführung, künstliche Atmosphäre im Stadion und Legionärstruppen, die ihrem wirtschaftlichen Erfolg verpflichtet sind und sich von den Fans abgekoppelt haben.

So weit ist es hierzulande noch nicht. Die Vereine lassen zumindest überwiegend Kontakt zu den Anhängern zu, viele Trainingseinheiten sind für Besucher frei, was in England undenkbar ist. Und es gibt große Partys zur Saisoneröffnung wie an diesem Wochenende in Mönchengladbach.

In München aber verschreckt das Management bereits durch eine beim Facebook-Portal abgespielte Show zum Saisonauftakt die bodenständigen Anhänger, die es auch dort immer noch gibt. Dafür gewinnt es wahrscheinlich ein paar Zuschauer in Asien. Und die Nationalmannschaft ist ein Kunstprodukt, bei dem die Grenzen zwischen werbewirksamer Selbstinszenierung und sportlichem Auftritt längst verwischt sind. Die Fans, organisiert in einem Plastikkonstrukt, das nicht zufällig nie ohne den Zusatz "powered by Coca-Cola" auskommt, sind gerade mal als freundliche Geräuschkulisse im Stadion willkommen. In Frankreich logierte das Team abgeschieden am Genfersee. Für Fans zu weit vom Schuss und unerschwinglich dazu. Das war Absicht. Und es macht Schmadtkes Warnung nur noch dringender.

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(RP)
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