DFB-Pokalfinale Tuchel schweigt zu seinem persönlichen Schicksal

Berlin · Beim DFB-Pokal-Finale in Berlin (20 Uhr) zwischen Dortmund und Frankfurt stehen die beiden Trainer im Fokus. Für Thomas Tuchel könnte es das letzte Spiel mit dem BVB sein, Niko Kovac hat mit seinem Team mehr erreicht als erwartet.

Die Zahlen und Fakten zum Finale
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Foto: afp

Niemand muss fürchten, dass Borussia Dortmunds Spieler heute Abend unter Orientierungsproblemen leiden - zumindest außerhalb des Spielfelds nicht. Zum vierten Mal in Folge steht der BVB im DFB-Pokalfinale. Den Weg ins Olympiastadion, die Kabine, das Drumherum kennt die Dortmunder Delegation. Dafür liegt das Mannschaftshotel diesmal nicht in der quirligen neuen Berliner Mitte, sondern im vornehmen Grunewald. Der Gegner ist mal ein anderer, nach zweimal Bayern München und einmal VfL Wolfsburg stellt sich Eintracht Frankfurt (20 Uhr/Live-Ticker) in den Weg. Und das Ergebnis soll ebenfalls nicht zur Tradition werden. "Vor einem Jahr war unser Ziel, ins Endspiel zu kommen", sagt der Dortmunder Trainer Thomas Tuchel, "diesmal wollen wir es gewinnen." Dass der Gegner das auch will, muss der BVB-Coach hinnehmen.

Am Tag vor dem Finale gelingt ihm das mit einem Lächeln. Tuchel (43) hat sein Sonntagsgesicht dabei. Er spricht von einer "Gänsehaut, wenn ich die Bilder von unserem Weg ins Endspiel sehe, es ist ein überragend gutes Gefühl, hier zu sein, es ist ein großes Privileg". Ihm gehen beinahe die sprachlichen Bestleistungen aus. Einen Titel nach dieser nicht immer einfachen Saison nennt er "sehr besonders". Das wäre er auch bei sehr nüchterner Betrachtung, denn es wäre Tuchels erster Titel mit einer Männermannschaft - in einem anderen Trainerleben führte er die A-Junioren des VfB Stuttgart und die von Mainz 05 zur Meisterschaft. Eine nüchterne Betrachtung passt aber ebenso wenig zu Borussia Dortmund wie zu ihrem Trainer im Finalmodus. Tuchel bemüht die Emotionen, er reißt die Augen weit auf, er fixiert sein Publikum, er beteuert: "Das Vertrauen ist groß zu meinen Spielern, es gibt viel Klebstoff zwischen den Spielern und mir, es ist gar nicht möglich, solche Leistungen zu bringen, wenn es nicht stimmt." Es klingt wie eine Beschwörung.

Tuchels offener Zwist mit Watzke

Natürlich wird er nach dem offenen Zwist mit Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gefragt, der nach allgemeiner Erwartung zur Trennung des Klubs vom Trainer selbst nach einem Sieg in Berlin führen wird. "Meine persönliche Situation spielt keine Rolle", versichert Tuchel, "alle Gedanken aller Menschen im Klub gelten ausschließlich dem Spiel." Auch auf eine Diskussion über den möglichen Abschied von Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang zu Paris St. Germain lässt er sich nicht ein. "Das Thema Aubameyang spielt keine Rolle", sagt der Coach. Am Freitagabend beglich Tuchel dann nach einer Torwette noch seine Wettschulden beim Bundesliga-Torschützenkönig und posierte gemeinsam mit Aubameyang in kurzer Hose, Hemd und Fliege.

Am Ende bleiben zwei Hauptdarsteller. Es sind die Trainer. Tuchel darf die Rolle beanspruchen, weil er trotz bemerkenswerter sportlicher Bilanz vor dem Abschied steht. Sein Kollege Niko Kovac (45), weil er aus einem Abstiegskandidaten des Vorjahres eine Truppe formte, die neue Hoffnungen im chronisch anspruchsvollen Frankfurt geweckt hat. Auch wenn der Eintracht in der Bundesliga-Rückrunde die Luft ausging und sie nur im Mittelfeld landete, hat Kovac natürlich Recht mit der Feststellung, "dass die Platzierung in der Liga in einem Finale überhaupt nichts aussagt".

Dennoch darf er sich dankbar als Trainer des Außenseiters fühlen. Deshalb wirkt er viel entspannter als Tuchel, unter dessen Lächeln dann und wann ein Muskel leise zuckt. Kovac fühlt sich wohl, "als Trainer und als Mensch", wie er sagt. Er hat mit seiner Mannschaft Grenzen überschritten, und sie erreicht an den guten Tagen ein Niveau, das ihr niemand zugetraut hätte. Das genießt er umso mehr, als er sich mit der Eintracht in seiner Heimat vorstellt. In Berlin wurde er geboren und wuchs im Stadtteil Wedding heran - dort, wo auch die Boateng-Brüder auf dem Bolzplatz die Fußballschule des Lebens bekamen.

Die Legendenschreiber geben sich alle Mühe, den Berliner Arbeiterbezirk nach Art der US-Sportmärchen zu verklären. Niko Kovac bestätigt nur, dass es "nicht immer leicht war für Robby und mich". Robby ist Bruder Robert, heute sein Co-Trainer. Aber auch ganz ohne das Rührstück vom armen Einwanderer-Kind, das von der Straße den Sprung in den Profifußball schafft, werden die Kovac-Brüder den Frankfurter Spielern eine gute Portion ihrer Einstellung zum Sport vermittelt haben. Wie Niko Kovac in besten Bundesliga-Tagen spielt die Eintracht "Männerfußball", schnell, hart, selbstbewusst, mutig.

Ihr Trainer belässt es indes nicht bei Willensbildung und möglicherweise lautstarken Kabinenansprachen. Er geht im gehobenen Alter noch gern zur Schule. Im Wintertrainingslager 2016 schaute er dem heutigen Gegner über die Schulter. "Den BVB habe ich mir ausgesucht, weil ich mit den besten Trainern, den Trendsettern unter den Coaches arbeiten wollte", erklärt Kovac im offiziellen Programm zum Finale. Vielleicht schiebt Tuchel ein Exemplar unter Watzkes Tür durch. Die Lage ändern würde es nicht.

(pet)
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