Ein Borusse bei Fortuna Neuhaus und das ganz persönliche Pokal-Märchen

Düsseldorf · Fortunas Mittelfeldspieler trifft im Pokalderby auf seinen eigentlichen Arbeitgeber. Die Gladbacher haben den 20-Jährigen für ein Jahr ausgeliehen.

Das ist Florian Neuhaus von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Florian Neuhaus

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Der Pokal liebt diese besonderen Geschichten. Günter Netzer, wie er sich im Finale 1973 wegen seines Streits mit Trainer Hennes Weisweiler selbst einwechselt und das Siegtor für Mönchengladbach gegen Köln erzielt. Dieter Hoeneß, wie er sich im Endspiel 1982 eine Platzwunde am Kopf zuzieht und dann mit seinem Turbanverband zum 4:2-Sieg des FC Bayern gegen Nürnberg beiträgt, mit einem (Kopfball-)Tor und einer Vorlage. Oder Lothar Matthäus, wie er 1984 im letzten Spiel für seinen alten Klub Gladbach den entscheidenden Elfmeter gegen seinen neuen Verein Bayern verschießt.

Diese Geschichten sind das Salz in der Fußballsuppe, ganz besonders im Pokal. Und weil sie sich in schöner Regelmäßigkeit wiederholen, sprechen Fortuna Düsseldorfs Anhänger seit der Auslosung zur zweiten Runde 2017/18 immer wieder von ihrer besonderen Pokalgeschichte: jene von Florian Neuhaus, der im Trikot seines einen Vereins seinen anderen aus dem Wettbewerb schießt. Der 20-Jährige, den die Borussen bis zum Saisonende an Fortuna ausgeliehen haben, ließ das alles bis zuletzt nicht an sich heran. "Bisher konnte ich das Pokalspiel noch gut wegschieben", berichtet er. "Klar habe ich mitbekommen, dass die Leute über meine besondere Rolle reden, aber es gelingt noch gut, die Sprüche zu ignorieren."

Ein Win-Win-Win-Geschäft

Es wäre eines jener Märchen, das die Fans noch in etlichen Jahren weiter erzählen würden. Der Beginn war die Relegation gegen den Zweitliga- Abstieg im Mai, als der TSV 1860 München als Drittletzter des deutschen Unterhauses am Drittliga- Dritten Jahn Regensburg scheiterte. Wären die Sechziger in der Zweiten Liga geblieben, trüge Neuhaus vermutlich noch heute deren hellblaues Trikot — schließlich wollte Münchens Investor Hasan Ismaik mit seinen Millionen ein aufstiegsreifes Team formen, in dem das Riesentalent Neuhaus eine zentrale Rolle gespielt hätte. Mit dem Abstieg jedoch war klar, dass die "Löwen" den Mittelfeldspieler nicht halten konnten. Fortuna bemühte sich um seine Verpflichtung, hatte im Vertragspoker aber nie eine Chance gegen den Erstligisten Mönchengladbach. Als dieser Neuhaus dann einen Fünf-Jahres-Vertrag gab, ereignete sich freilich eine Überraschung: Borussia lieh den gebürtigen Landsberger für ein Jahr an Fortuna aus, weil er eine Klasse tiefer mehr Spielpraxis erlangen sollte. Es wurde ein Deal zum Nutzen aller, neudeutsch ein Win-Win-Win- Geschäft.

Fortunas Trainer Friedhelm Funkel setzte Neuhaus regelmäßig ein, und der Youngster nutzte das zu starken Leistungen und wichtigen Treffern — wie zuletzt beim 2:0-Sieg in Bielefeld. "Ich fühle mich superwohl hier", sagt er. "Ich konzentriere mich immer auf die nächste Aufgabe, habe bisher gar nicht an das Pokalderby gedacht. Wir sind eine Supermannschaft, das habe ich gleich gemerkt." Und während die Düsseldorfer von Neuhaus‘ Darbietungen profitierten, konnte dieser sich unter Wettkampfbedingungen stetig verbessern, was wiederum sein eigentlicher Brötchengeber vom Niederrhein mit großem Wohlwollen registrierte. Schnell war die Klausel im Leihvertrag vom Tisch, nach der Borussia ihren Rohdiamanten bereits im Winter hätte zurückholen dürfen, falls er nicht die erhoffte Spielpraxis bekäme.

Ob der U21-Nationalspieler gegen Gladbach wirklich spielt, wird Funkel freilich erst kurz vor der Partie entscheiden. Fortunas Trainer wird sich dabei wie gewohnt nicht von Emotionen, schon gar nicht Pokalstatistiken oder -geschichten leiten lassen, sondern allein vom Leistungsprinzip. Allenfalls noch von seinem Bauchgefühl — und dabei dürfte Neuhaus nicht die schlechtesten Karten haben.

(jol)
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