Friedhelm Funkel im Interview "Das Ziel im Pokal muss immer Berlin sein"

Düsseldorf · Fortunas Trainer über das Derby am Dienstag, prägende Erlebnisse und über den Tag, als er fast Gladbacher Coach geworden wäre.

Fortuna Düsseldorf: Bilanz der Trainer von Morales bis Funkel
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Die Bilanz der Fortuna-Trainer seit 2003

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Foto: dpa, rwe fpt

Bis zu Jupp Heynckes' Comeback beim FC Bayern München war Friedhelm Funkel der älteste Trainer in den beiden höchsten deutschen Fußballligen. Wer daraus ableitet, der 63-Jährige sei womöglich nicht mehr erfolgshungrig, liegt jedoch völlig daneben. So geht der gebürtige Neusser auch den Pokalgipfel ehrgeizig an.

Geben Sie es zu, Herr Funkel: Sie mögen Gladbach nicht.

Friedhelm Funkel Wie kommen Sie denn darauf?

Nun, Sie arbeiten bei Fortuna Düsseldorf, waren früher als Spieler und Trainer fast überall im Westen, in Neuss, Krefeld, Duisburg, Aachen, Bochum und sogar Köln. Machen Sie um Gladbach einen Bogen?

Funkel Nein, ganz sicher nicht. Ich bin als Jugendlicher oft auf dem Bökelberg gewesen, zum Beispiel beim berühmten 7:1 gegen Inter Mailand mit dem Büchsenwurf auf Roberto Boninsegna. Und ich wäre sogar fast Borussia-Trainer geworden.

Im Ernst?

Funkel Ja, das kann ich Ihnen nach so vielen Jahren ja ruhig mal erzählen. Das war 1999, da hat der damalige Gladbacher Präsident Wilfried Jacobs mich in sein Büro bei der AOK in Grevenbroich gebeten.

Und er hat Ihnen ein Angebot gemacht?

Funkel Genau, und ich wollte es auch annehmen. Ich habe meinen damaligen Klub MSV Duisburg, mit dem ich zweimal Achter in der Bundesliga geworden war, um die Freigabe gebeten. Der MSV hat sie jedoch nicht erteilt, und das habe ich akzeptiert. Ich fand es allerdings sehr reizvoll, Borussia zu trainieren.

Sie haben uns überzeugt.

Funkel Das ist schön, denn ich habe Sympathien für die Gladbacher — aber am 24. Oktober will ich sie schlagen.

Sie gehen also optimistisch in das Pokalderby?

Funkel Es ist klar, dass Borussia die individuell besseren Spieler hat, sie ist am Dienstag auch der Favorit. Aber sie hat sich schon in der ersten Pokalrunde bei Rot-Weiss Essen schwergetan, und wir wollen für dieses eine Spiel ein Gegner auf Augenhöhe sein.

Welchen Stellenwert hat für Sie der Pokal insgesamt?

Funkel Er hat für mich immer schon einen sehr hohen gehabt. Die großen K. o.-Spiele, die ich als Spieler und Trainer erlebt habe, kann ich noch heute von der ersten bis zur letzten Minute abrufen. Dazu gehören meine drei DFB-Pokalfinals, als Spieler mit Uerdingen 1985, als Trainer mit dem MSV 1996 und 2006 mit Frankfurt. Als Spieler habe ich gewonnen, als Trainer beide Male verloren — immer gegen die Bayern.

Hat Berlin also eine besondere Bedeutung für Sie?

Funkel Ja, aber nicht nur für mich. Ganz ehrlich, wenn eine Mannschaft im DFB-Pokal antritt, muss Berlin immer das Ziel sein.

Gehen Sie so weit, dass die Pokalfinals die Höhepunkte Ihrer Karriere waren?

Funkel Sie gehören dazu, aber natürlich auch das Wunder von der Grotenburg, als wir 1986 im Europapokal mit Bayer Uerdingen gegen Dynamo Dresden ein 0:2 aus dem Hinspiel und ein 1:3 zur Pause des Rückspiels wettmachten und noch 7:3 gewannen. Und das 5:0 mit dem 1. FC Kaiserslautern gegen Real Madrid 1982. Solche Partien sind unvergessliche Erlebnisse, sie tragen einen durch ein ganzes Leben. Ich hoffe, dass am Dienstag gegen Gladbach wieder eine hinzukommt.

Kribbelt es denn vor diesem Niederrhein- Derby im DFB-Pokal selbst bei einem erfahrenen Fußball-Hasen wie Ihnen noch?

Funkel Ja klar. Solche Spiele vor vollen Rängen bringen immer ein wenig mehr Anspannung. Wenn ich rausgehe, die Mannschaften laufen aufs Spielfeld und die Zuschauer springen auf, da bekomme ich auch heute noch Gänsehaut.

Stichwort Zuschauer: Wie wichtig ist die Unterstützung der Fans?

Funkel Für Fortuna ist sie enorm wichtig. Es hat sich richtig was getan in Düsseldorf. In früheren Jahren, als ich privat als Zuschauer da war, wurde oft schnell gemurrt. Als Trainer habe ich es hier noch nie erlebt, dass die Mannschaft gnadenlos ausgepfiffen wurde, und wir haben in der Vorsaison oft zu Hause verloren. Diese Zuschauer sind einfach großartig, stehen voll hinter uns und haben schon manchen Punkt gebracht. Ich finde es deshalb umso schöner, dass wir ihnen jetzt vieles zurückgeben.

Stimmt, Fortuna hat den besten Saisonstart ihrer Geschichte hingelegt. Und nach dem 2:0 in Bielefeld waren sogar Sie einmal zufrieden.

Funkel Für den Moment war ich es — aber dann war das schnell wieder Vergangenheit. Wir haben es in Bielefeld super gemacht, kompakt gestanden, wenig zugelassen und viele Chancen erspielt. So stelle ich mir das vor, aber es geht darum, solche Leistungen konstant abzurufen.

Fortuna steht an der Tabellenspitze. Als Sie nach dem Ende der Vorsaison im RP-Interview sagten, mit vier, fünf Verstärkungen könnte der Klub oben mitspielen, haben noch viele gelacht. Ist das eine Genugtuung?

Funkel Nein, aber eine Bestätigung. Ich habe damals gesagt, wir bräuchten gezielte Verstärkungen, vor allem mehr Tempo im Kader. Spieler wie Davor Lovren, Benito Raman, Niko Gießelmann oder Takashi Usami haben dieses Tempo gebracht, Florian Neuhaus hilft uns spielerisch und durch seine Bereitschaft. Ebenso wichtig ist aber, dass ein Emir Kujovic großartig damit umgeht, als gestandener Erstligaspieler oft noch nicht erste Wahl zu sein.

Wie steht es um die Balance im Kader?

Funkel Sie ist das größte Plus gegenüber der Vorsaison. Da hatten wir auch eine gute erste Elf, aber dann kam ein gewisser Bruch. Jetzt sind die Positionen zwölf bis 17 viel leistungsstärker, jeder kann jederzeit eingesetzt werden.

Wie schwer wiegt denn der Verlust Ihres Vertrauten, Co-Trainer Peter Hermann, der zum FC Bayern ging?

Funkel Sicher ist Peter ein Verlust, allein schon wegen seiner Art, mit Menschen umzugehen und wegen der Erfahrungen, die er gesammelt hat. Aber wir hatten uns ohnehin entschieden, unseren damaligen Hospitanten Thomas Kleine zum Trainerteam hinzuzuholen. Da war es logisch, ihn nun zu Peters Nachfolger zu machen. Und Axel Bellinghausen muss sich zwar erst einarbeiten, kann aber auf der emotionalen Seite schon jetzt viel helfen. Also: Jeder Mensch ist zu ersetzen.

Doch trotz dieser Qualität und der bisherigen Ergebnisse haben Sie kürzlich gesagt, Fortuna sei kein Aufstiegsaspirant. Warum nicht?

Funkel Weil ich weiß, wie schnell so etwas umschlagen kann. Es ist noch nicht einmal ein Drittel der Saison vorbei — da steht es uns gut, Bescheidenheit und Demut zu zeigen.

Dann sprechen Sie Ihrer Mannschaft also nicht die sportliche Qualität für den Aufstieg ab, sondern wollen nur nicht darüber reden?

Funkel Ich spreche meiner Mannschaft überhaupt keine Qualität ab. Sie gehört zu den Teams, die am Saisonende im oberen Tabellendrittel landen können. Aber im Fußball ist es wie im Leben: Wenn du großspurig bist, wirst du auf die Nase fallen. Wir haben eine richtig gute Mannschaft, aber was soll es bringen, jetzt dauernd über einen möglichen Aufstieg zu quatschen?

Bernd Jolitz und Thomas Schulze führten das Gespräch.

(jaso)
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