Rainer Koch "Jeder muss die Spielregeln einhalten"

Rainer Koch nutzt die Begrüßung gleich zu einer ersten Machtdemonstration. Er bittet den Gast zum Rundgang durch die Zentrale des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV). Ein eindrucksvolles Gebäude in bester Citylage.

 DFB-Interimspräsident Rainer Koch.

DFB-Interimspräsident Rainer Koch.

Foto: dpa, cch jhe hak nic

Koch will zeigen, was er alles in München hat. Und warum es viele gute Gründe für ihn gibt, zumindest jetzt noch nicht als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach Frankfurt zu gehen. Nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach im November 2015 hat er das Amt mit Liga-Präsident Reinhard Rauball geführt. Am Freitag soll auf dem außerordentlichen Bundestag Reinhard Grindel an die Spitze gewählt werden.

Herr Koch, Sie waren ein paar Monate der wichtigste Mann im deutschen Fußball. Wie schwer fällt es, wieder in die zweite Reihe zurückzutreten?

Rainer Koch Auch wenn mir das die wenigsten glauben werden: nullkommanull. Es war nicht mein Lebensplan, diese Aufgabe zu übernehmen. Ich habe mich allerdings als 1. Stellvertreter des DFB-Präsidenten wählen lassen. Dann ist dir schon bewusst, dass du einspringen musst, wenn der Präsident aus welchen Gründen auch immer ausfällt. Das ist jetzt natürlich ein etwas längerer Vertretungsfall gewesen.

Sie betonen gerne, wie harmonisch Ihre Zusammenarbeit mit Liga-Präsident Reinhard Rauball gewesen ist. Warum haben Sie dann nicht einfach in der Konstellation weitergemacht?

Koch Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich es nicht für sinnvoll halte, eine Doppelspitze bis zum regulären Bundestag im November fortzusetzen. Auch wenn es zwischen mir und Reinhard Rauball in der Zeit keinen einzigen Disput gegeben hat und wir sehr gut und konstruktiv zusammengearbeitet haben. Aber die Belastungen durch die Fülle an zusätzlichen Aufgaben sind für uns beide enorm hoch.

Rauball hat zuletzt keine Möglichkeit ausgelassen, deutliche Kritik am Zustand des DFB zu äußern. Das ist eine recht eigenwillige Interpretation von Harmonie.

Koch Wir haben sicherlich in einzelnen Sachfragen auch unterschiedliche Meinungen, aber über allem steht das gemeinsame Interesse, für den deutschen Fußball das Beste zu erreichen.

Es war überhaupt keine Option für Sie, alleine an der Spitze weiterzumachen?

Koch Nein, ich habe das früh für mich selbst beantwortet. Meine Lebensplanung sieht vor, dass ich als 1. DFB-Vizepräsident Amateure und Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes noch einiges bewegen möchte.

Viele waren überrascht, dass Sie nicht kandidiert haben, sondern dem im DFB vergleichsweise unerfahrenen Schatzmeister Reinhard Grindel den Vortritt gelassen haben.

Koch Vielleicht waren einige überrascht, dass ich doch nicht so nach noch höheren Ämtern strebe, wie mir manche gerne unterstellen. Ich habe mich immer offen zu meinen Zielen bekannt. Es gab nie einen Zweifel daran, dass ich irgendwann das Amt des bayrischen Verbandspräsidenten anstreben würde. Nun bin ich sehr zufrieden mit meinen Gestaltungsmöglichkeiten, auch beim DFB.

Nun hat man schon von so manchem Spitzenfunktionär aus München derartige Töne gehört — und ein paar Monate später wurden dann Machtansprüche formuliert.

Koch Es soll aber ja durchaus unterschiedliche Typen geben. Ich handele so, wie ich es sage. Ich wünsche mir, dass Reinhard Grindel nach seiner Wahl gesund und erfolgreich dieses Amt viele Jahre ausübt.

Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Koch Der Amateurbereich im Verband braucht eine starke Stimme. Wir stehen vor großen Veränderungen. Es gibt kaum ein Land, in dem Profis und Amateure erfolgreich unter einem Dach zusammenarbeiten.

Ein Vorschlag in den vergangenen Monaten war, Strukturen zu ändern und einen Vorstandsvorsitzenden zu installieren. Keine Option für Sie?

Koch Das ist nicht zu Ende gedacht. Gerade in dieser übergeordneten Funktion ist es wichtig, die Abläufe und Zusammenhänge im Verband zu kennen. Den DFB zu führen, ist ein bisschen vergleichbar mit der Bundesregierung. Es sind einfach viele Kräfte beteiligt, die zusammengeführt werden müssen. Wenn man das gut macht, dann dient es dem Wohl des Fußballs. Und wenn man es nicht hinbekommt, dann wird es schwierig.

Grindel trauen Sie genau das zu?

Koch Ohne jeden Zweifel. Reinhard Grindel wird Unrecht getan, wenn jemand von fehlender Erfahrung spricht. Er ist jetzt immerhin schon seit zweieinhalb Jahren in der absoluten Top-Ebene des DFB tätig. Er ist als Schatzmeister nach außen bislang nicht so in Erscheinung getreten, aber hat stark nach innen gewirkt. Er verfügt über exzellente Kontakte — in den Medienbereich durch seine Zeit beim ZDF und als Bundestagsabgeordneter in die Politik.

Grindel wird unterstellt, ein Machtmensch zu sein. Haben Sie keine Angst davor, bei den Entscheidungen künftig nicht mehr mitspielen zu dürfen?

Koch Da wir gemeinsam einen DFB anstreben, der pluralistisch und transparent aufgestellt ist, gehe ich nicht davon aus, dass Herr Grindel ein Blattersches System installieren möchte, sondern dass wir auch künftig als Team zu Entscheidungen kommen.

Über Jahre soll beim DFB ein Klima der Angst geherrscht haben. Verbunden wird das mit den Namen von Ex-Generalsekretär Helmut Sandrock und Finanzchef Stefan Hans. Wie konnte das so aus dem Ruder laufen?

Koch Ich habe eine klare Meinung zur Mitarbeiterführung. Haupt- und Ehrenamt müssen dabei eng zusammenarbeiten. Daneben ist Mitarbeiter-Partizipation ein wichtiges Thema. Wenn wir die großen Herausforderungen der kommenden Monate und Jahre bewältigen wollen, brauchen wir auf allen Ebenen einen starken Teamgeist.

Und warum haben die Kontrollmechanismen beim DFB derart versagt?

Koch Kontrollmechanismen nützen wenig, wenn sich einzelne Menschen über Regeln hinwegsetzen. Es wäre sicher keine Lösung gewesen, einfach dass DFB-Präsidium abzuschaffen, stattdessen einen Aufsichtsrat zu installieren und dazu noch drei Vorstände zu berufen, die viel Geld verdienen.

Wie meinen Sie das?

Koch Es wird übersehen, dass wir im WM-OK 2006 genauso so eine Struktur hatten. Trotzdem sind all die Dinge passiert. Der Aufsichtsrat wurde nicht vollständig informiert und hat später nicht nachgefragt, warum 6,7 Millionen für eine Kulturgala bezahlt wurden, die nie stattgefunden hat.

Neuer Generalsekretär des Verbands ist Friedrich Curtius. Ihr Wunschkandidat?

Koch Bei Herrn Grindel und mir gab es jedenfalls keinerlei andere Überlegungen.

Curtius war Büroleiter von Niersbach. Kann so jemand für einen Neuanfang stehen?

Koch Er wäre ganz sicher nicht in Betracht gekommen, wenn er Kenntnis der Vorgänge gehabt hätte. Aber Wolfgang Niersbach hat ihn bewusst aus diesen Dingen rausgehalten. Friedrich Curtius ist absolut unbelastet. Er ist international sehr gut vernetzt und verfügt über gute Verbindungen zu Uefa und Fifa.

Warum soll ausgerechnet ein so enger Vertrauter wie ein Büroleiter, nichts mitbekommen haben?

Koch Niersbach hat es im kleinen Kreis belassen. Im Freshfields-Bericht ist das ja auch eindrucksvoll dokumentiert worden.

Wolfgang Niersbach sitzt nach wie vor als deutscher Vertreter in den Gremien bei Uefa und Fifa. Wäre es nicht überfällig, dass er diese Posten aufgibt?

Koch Er ist als Person in diese Gremien gewählt und nicht vom DFB entsandt.

Es ist oft die Rede von der DFB-Familie. Wie enttäuscht ist man dann, wenn man von einem Mitglied hintergangen wird?

Koch Für jeden gilt, die Spielregeln einzuhalten, auch und gerade für gute Freunde und Bekannte. Wer sich nicht daran hält, muss die Konsequenzen tragen.

In vielen Stadien der Republik skandieren die Fans "Fußball Mafia DFB". Klingt nicht nach viel Vertrauen in das System.

Koch Ich werde wie meine Kollegen alles dafür tun, dass sich dieses Bild ändert. Es geht nicht um großen Beifall von den Rängen. Mir ist wichtig, respektiert und geachtet zu werden. Ich nehme wahr, dass die Leute mir abnehmen, dass ich so handele, wie ich rede. Ich finde es nicht schlimm, wenn man unterschiedliche Meinungen hat. Ich finde es schlimmer, wenn man eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung suggeriert, obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Wird der DFB wieder politischer?

Koch Es ist wichtig, die zahlreichen Kräfte im DFB klar darzustellen. Wir sollten nicht den Fehler begehen, den größten Sportverband der Welt nur über ein, zwei Köpfe zu definieren. Und es ist genauso wichtig, die vielfältigen Facetten des DFB, von der Spitze bis zur Basis, von der Nationalmannschaft über die Talentförderung bis zur Stiftungsarbeit darzustellen.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die EM nach Frankreich in diesem Sommer?

Koch Ich gehe davon aus, dass die Franzosen alles dafür tun werden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Wir haben auch unsere Pläne alle optimiert. Für uns ist gerade nach den jüngsten Ereignissen in Brüssel klar, dass wir uns nicht dem Terror beugen dürfen. Wir müssen alles dafür tun, dass diese Europameisterschaft friedlich und in Sicherheit ausgetragen werden kann.

(gic)
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