1:2 gegen Tschechien DFB-Team erneut in der Vorrunde gescheitert

Lissabon (rpo). Vizeweltmeister Deutschland spielt zwei Jahre vor der WM im eigenen Land nur noch eine Statistenrolle in Europa. Knapp 24 Monate nach dem Erreichen des WM-Finales scheiterte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Euro 2004 in Portugal durch ein 1:2 (1:1) gegen eine "B-Mannschaft" von Tschechien schon in der Vorrunde.

EM-Aus für DFB-Auswahl: Die Einzelkritik
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<P>Lissabon (rpo). Vizeweltmeister Deutschland spielt zwei Jahre vor der WM im eigenen Land nur noch eine Statistenrolle in Europa. Knapp 24 Monate nach dem Erreichen des WM-Finales scheiterte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Euro 2004 in Portugal durch ein 1:2 (1:1) gegen eine "B-Mannschaft" von Tschechien schon in der Vorrunde.

Der eingewechselte tschechische Stürmerstar Milan Baros ließ den Albtraum der Deutschen, die nach einer schwachen ersten Halbzeit in der zweiten mit einem wahren Sturmlauf versucht hatten, das entscheidende Siegtor zu erzielen, in der 77. Minute zur traurigen Wirklichkeit werden.

"Die Enttäuschung ist natürlich riesengroß. Bei der WM haben wir nach dem Endspiel noch in der Kabine gesessen und gefeiert, jetzt sind wir ausgeschieden. Es ist bitter, weil auf Grund der Konstellation die Chance auf ein Weiterkommen sehr groß war", sagte Teamchef Rudi Völler. "Ich bin traurig und enttäuscht von der Gesamtleistung der Mannschaft", erklärte DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und kündigte an, er wolle von Völler und Assistent Michael Skibbe nun genau "wissen, wohin die Reise in die Zukunft geht".

Das DFB-Team hätte im letzten Vorrundenspiel der Gruppe C einen Sieg benötigt, um die Runde der letzten Acht zu erreichen, weil zeitgleich die Niederlande 3:0 (2:0) gegen Lettland gewannen. Statt Deutschland steht nun die "Elftal" im Viertelfinale gegen Schweden (Samstag, 20:45 Uhr in Faro).

Unter Völler wiederholte sich vor 46.849 Zuschauern im Stadion Alvalade von Lissabon nach vorangegangenen Treffern von Michael Ballack (21.) und Marek Heinz (30.) damit das Desaster von der Endrunde vor vier Jahren: Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die nun in neun Turnier-Partien sieglos gegen europäische Gegner ist, hatte damals unter Erich Ribbeck ebenfalls das Viertelfinale verpasst - auch durch eine Niederlage im letzten Vorrundenspiel (0:3 gegen Portugal).

"Es ist aber nicht so dramatisch wie vor vier Jahren. Es sind einige Spieler da, die entwicklungsfähig sind, wir haben noch Luft nach oben. Uns muss nicht bange sein, was uns fehlt, ist ein Knipser", sagte Völler, der allerdings einräumte: "Es ist uns nur zum Teil gelungen, bei diesem Turnier gut Fußball zu spielen. Und wir haben in drei Spielen nur zwei Tore geschossen."

Gegen die tschechische "B-Auswahl", in der gleich neun Stammkräfte fehlten, spielte die deutsche Mannschaft lange zu nervös und umständlich. In der Offensive lief wenig zusammen, Solo-Stürmer Kevin Kuranyi war zu sehr auf sich alleine gestellt. Ballack erhielt zu wenig Unterstützung von seinen Nebenleuten. In der Defensive standen die DFB-Abwehrspieler zu weit weg von ihren Gegnern.

Bis zur Pause hatte die deutsche Mannschaft nur zwei lichte Momente erlebt: Erst landete ein abgefälschter Schuss von Ballack auf dem Tornetz. Nach dem anschließenden Eckball und einem Ballverlust von Tschechiens Mittelfeldspieler Jaroslav Plasil an Bernd Schneider legte der neu in die Startformation gerückte Bastian Schweinsteiger auf Ballack ab, und dessen fulminanter Schuss aus 18 Metern flog zum 1:0 ins Tor (21.).

Nach dem 20. Länderspieltreffer von Ballack hatten die Deutschen kurzzeitig Oberwasser, fielen aber nur neun Minuten später wieder in ihre Anfangsnervosität zurück. Nach einem ungeschickten Foul von Lahm an Heinz nahm sich der ehemalige Hamburger Bundesliga-Profi selbst den Ball und verwandelte den Freistoß aus rund 20 Metern unhaltbar für Torhüter Oliver Kahn mit einem Schuss ins Tordreieck (30.).

Der Torhüter von Bayern München, der schon nach vier Minuten gegen Martin Jiranek Kopf und Kragen hatte riskieren müssen, hielt die deutsche Mannschaft mit Beginn der zweiten Halbzeit erneut im Spiel, als er 30 Sekunden nach Wiederanpfiff gegen den künftigen Bochumer Vratislav Lokvenc rettete. Vorausgegangen war ein dicker Patzer von Nowotny.

Teamchef Völler hatte zu diesem Zeitpunkt den schwachen Torsten Frings ausgewechselt un "Joker" Lukas Podolski gezogen: Der 18 Jahre alte Kölner Stürmer löste bei seinem zweiten Länderspieleinsatz Rekordnationalspieler Lothar Matthäus als jüngsten deutschen EM-Spieler ab. Der Mut von Völler zu mehr Risiko machte sich umgehend bemerkbar. Mit Podolski kam endlich mehr Bewegung ins deutsche Spiel, der Druck erhöhte sich, die Aktionen waren durchdachter, die Chancen immer häufiger.

So sehr sich die Deutschen bemühten, das erlösende Tor zu erzielen - trotz sich häufender hundertprozentiger Chancen durch Ballack, der nur den Pfosten traf (66.), Schneider (70.), Christian Wörns und Podolski (jeweils 72.) sowie Kuranyi, der einen Kopfball freistehend neben das Tor setzte (76.) war es eines jener Spiele, in dem es kein Happy-End gibt. Stürmerstar Baros verstärkte in der letzten halben Stunde die vielen Reservisten, tanzte bei einem Konter den schwachen Nowotny sowie Wörns aus und ließ auch Kahn keine Chance.

Neben Ballack überzeugte Lahm, der für viel Druck über die linke Seite sorgte. Bei den Tschechen erwischte Torhüter Blazek einen Glanztag, Baros spielte bei seinem kurzen Mitwirken glänzend.


Rudi Völler (DFB-Teamchef): "Die Enttäuschung ist riesengroß. Vor zwei Jahren haben wir nach dem WM-Endspiel noch in der Kabine gefeiert. Das Ausscheiden ist bitter, weil aufgrund der Konstellation in der Gruppe die Chance auf ein Weiterkommen groß war. Nur in der zweiten Halbzeit haben wir so gespielt, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Druck war groß. Leidenschaft ist selbstverständlich, aber man muss natürlich auch vernünftig Fußball spielen. Und das ist uns nur zum Teil gelungen. Wir haben in drei Spielen zwei Tore geschossen. Das ist zu wenig. Wir investieren viel, aber uns fehlt ein Knipser. Es fehlte der Glaube an die eigene Stärke. Wenn man ausscheidet, gerät man in die Kritik, das ist normal. Ich habe einen Vertrag bis 2006. Ich gehe davon aus, dass ich weitermache. Aber ich habe immer schon gesagt, dass ich nicht an meinem Stuhl klebe."

Michael Ballack (Bayern München): "Wir haben schon schlechtere Spiele gemacht. Wir haben alles gegeben. Aber es hat nicht gereicht, obwohl die Tschechen mit einer B-Mannschaft gespielt haben. Wir müssen weiter arbeiten und schauen, dass wir für 2006 eine Mannschaft hinkriegen."

Günter Netzer: "Die Physis stimmte, der Teamgeist war vorhanden, aber das reicht nicht aus, um europäische Spitzenmannschaften in Schach zu halten. Unser Fußball ist einfach nicht gut genug, das muss man klipp und klar sagen. Die Mannschaft hat erst in der zweiten Halbzeit Druck gemacht, der schon in der ersten Hälfte notwendig gewesen wäre. Vor dem Wechsel fehlte das notwendige Engagement. Sie ist offensichtlich nicht fähig, so über 90 Minuten zu gehen. Ich weiß nicht, woran es liegt. Dabei war doch von der ersten Minute an klar, wie dieses Endspiel zu gestalten ist. "

Innenminister Otto Schily: "Es fehlte der letzte Druck. Man braucht einen Vollstrecker, der die Tore macht. Aber so ist das Leben, manchmal verliert man. Bei der EM vor vier Jahren waren wir wirklich schlecht, diesmal hat die Mannschaft gekämpft. Deshalb muss man nicht in Depressionen verfallen. Jetzt müssen wir unsere jungen Spieler fördern."

Franz Beckenbauer: "Die Mannschaft jetzt grundlegend zu verändern, macht keinen Sinn. Ich sehe keine großen Alternativen. Es werden sicherlich einige Junge nachkommen. Aber wir werden im Großen und Ganzen diesen Kader mit zur WM 2006 nehmen. Denn wir haben keine Alternativen."

Uwe Seeler: "Wir sind alle ein bisschen enttäuscht. Das Viertelfinale wäre schön gewesen. Wir haben oft Probleme, wenn wir das Spiel machen müssen. Wir müssen daran arbeiten, dass wir wieder dahin kommen, wo wir hingehören. Man muss das jetzt in Ruhe über sich ergehen lassen, in Ruhe nachdenken und dann für 2006 überlegen, was man am besten macht."

Fabian Ernst (Werder Bremen): "Man kann sich vorstellen, dass wir alle enttäuscht und bedrückt sind. Wir hatten unsere Möglichkeiten, das Ding zu gewinnen. Da fehlten Zentimeter. Das Tor war wie vernagelt. Das muss man jetzt erst einmal verarbeiten."

Karel Brückner (Nationaltrainer Tschechien): "Ich bin stolz auf meine Mannschaft. Sie hat gute Arbeit abgeliefert. Man hat gesehen, dass wir keine A- und B-Mannschaft haben, sondern 23 gute Spieler."


Deutschland: Kahn/Bayern München (35 Jahre/72 Länderspiele) - Friedrich/Hertha BSC Berlin (25/22), Nowotny/Bayer Leverkusen (30/45), Wörns/Borussia Dortmund (32/59) - Frings/Borussia Dortmund (27/32) ab der 46. Podolski/1. FC Köln (19/2), Hamann/FC Liverpool (30/58) ab der 79. Klose/1. FC Kaiserslautern (26/40), Lahm/VfB Stuttgart (20/9) - Schneider/Bayer Leverkusen (30/40), Ballack/Bayern München (27/44), Schweinsteiger/Bayern München (19/4) ab der 86. Jeremies/Bayern München (30/55) - Kuranyi/VfB Stuttgart (22/15)

Tschechien: Blazek - Jiranek, Bolf, Rozehnal, Mares - Galasek (46. Hübschman) - Plasil (70. Poborsky), Tyce, Vachousek - Heinz, Lokvenc (59. Baros)

Schiedsrichter: Terje Hauge (Norwegen)

Tore: 1:0 Ballack (21.), 1:1 Heinz (30.), 1:2 Baros (77.)

Zuschauer: 46.849

Beste Spieler: Ballack, Lahm - Blazek, Baros

Gelbe Karten: Nowotny, Lahm - Tyce

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