MSV-Trainer Gruev im Interview "Tradition alleine reicht nicht"

Duisburg · Der MSV Duisburg geht als Tabellenführer der 3. Liga in die Winterpause. Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht Trainer Ilia Gruev über die Hinrunde und mögliche Transfers.

MSV Duisburg stellt Ilia Gruev als neuen Cheftrainer vor
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Foto: dpa, ve jhe

Ilia Gruev (47) betritt den Raum mit einem entspannten Lächeln. Der Trainer hat allen Grund zu guter Laune. Als Spitzenreiter der 3. Liga geht er mit dem MSV Duisburg ins neue Jahr. Damit liegen die Meidericher voll im Soll, was den offiziellen Plan "oben mitspielen" angeht. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, worum es eigentlich geht: den direkten Wiederaufstieg.

Herr Gruev, was bedeutet es für den MSV, als Tabellenführer zu überwintern?

Ilia Gruev Das ist eine schöne Sache für den ganzen Verein, das Umfeld und auch für mich. Aber es ist nur eine Momentaufnahme. Wir wollen am Ende der Saison da stehen, wo wir jetzt sind. Das wird noch ein langer und schwerer Weg. Wir werden alles geben, diesen Weg erfolgreich zu bestreiten.

Sie hatten auch eine Phase mit einer Niederlage und vier Unentschieden in Folge, in der es nicht nach Wunsch lief.

Gruev Es ist sehr wichtig, in dieser Liga konstant zu punkten. Das haben wir in 17 von 19 Partien gemacht. In der angesprochenen Phase gab es mehr Druck von außen. Aber man hat gesehen, dass die Spieler in der Lage sind, damit umzugehen und sich danach mit Siegen zu befreien. Das war für uns sehr wichtig. Auch für uns gibt es keinen Durchmarsch in dieser Liga.

Ist der Erwartungsdruck zu hoch?

Gruev Nein. Wir haben mit unserer Spielweise zurecht Erwartungen geweckt. Aber wir mussten richtig hart dafür arbeiten.

Die dritte Liga ist sehr eng beieinander, die Ergebnisse meist sehr knapp. Wie bewerten Sie die Liga?

Gruev Nach dem 15 Spieltag gab es eine Statistik, die ausgesagt hat, dass 71 Prozent der Spiele unentschieden oder mit einem Tor Unterschied ausgegangen sind. Die Liga ist brutal ausgeglichen. Es kann jeder jeden schlagen. In der ersten und zweiten Liga gibt es das eher nicht. Umso wichtiger ist es, konstant zu punkten.

Was ist denn noch der Unterschied zur ersten und zweiten Liga — auch die Spielweise betreffend?

Gruev Die dritte Liga ist viel körperbetonter, es wird Mann gegen Mann verteidigt, nicht im Raum. Jede Mannschaft, egal auf welchem Tabellenplatz, verteidigt richtig gut. Es ist schwer, Lösungen zu finden. Die individuelle Qualität ist in der ersten und zweiten Liga deutlich höher. Es ist auch eine Qualitätsfrage aus fünf, sechs Chancen möglichst viele Tore zu machen.

Ist es nötig, den Kader in der Winterpause zu verändern, um am Ende weiter oben zu stehen?

Gruev Wir haben einen guten, ausgeglichenen Kader. Es gibt viele Spieler, die seit zwei, drei Jahren hier sind, und den Verein, die Spielweise und auch mich kennen. Wir setzen uns in der Winterpause zusammen und überlegen, aber große Veränderungen sehe ich nicht.

Welche Positionen müssten besser besetzt werden?

Gruev Wir haben kein drängendes Problem. Der aktuelle Kader hat genug Konkurrenz und Qualität. Zudem haben wir die komplette Hinrunde ohne große Verletzungen überstanden (klopft drei Mal auf den Holztisch).

Und finanziell sieht es ohnehin nicht rosig aus, oder?

Gruev Ich konzentriere mich auch den sportlichen Bereich, damit habe ich genug zu tun. Falls wir Probleme durch Ausfälle bekommen, können und müssen wir aber handeln.

Der angesprochene Druck entsteht aber doch sicherlich auch durch die angespannte finanzielle Situation. Wie fühlt sich das an?

Gruev Trainerteam und Spieler denken nicht darüber nach, wir konzentrieren uns auf unseren Job. Fakt ist, wenn wir gut spielen und punkten, wird der Druck automatisch höher, weil die Erwartungen steigen. Damit müssen die Spieler klarkommen.

Kommen also nicht ab und an die Vereinsoberen mal zu Ihnen und erinnern Sie daran, dass ein Aufstieg die Überlebenschancen des MSV deutlich erhöhen würde?

Gruev Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Ivo Grlic (Sportdirektor, Anm. d. Red.), Ingo Wald (Vorstandsvorsitzender) und Peter Mohnhaupt (Geschäftsführer). Ich spüre das Vertrauen, wir sind uns über den Kurs gemeinsam einig. Wir haben vor der Saison gesagt, dass wir oben mitspielen wollen. Und das gelingt uns ja derzeit.

Welches Potenzial sehen Sie denn beim MSV mittelfristig?

Gruev Der Verein hat jetzt eine gute Struktur. In der Führungsebene gibt es jetzt kurze Wege, wenn es um Entscheidungen geht. Auch im sportlichen Bereich ist die Situation gut. Ivo (Grlic) und ich tauschen uns täglich aus. Im Trainer- und Funktionsteam gab es wichtige strukturelle Veränderungen. Das sind gute Voraussetzungen für die Zukunft. Darauf kann man aufbauen. Wir haben ein Konzept, das über die Rückrunde hinausgeht.

Ist der MSV also professioneller als früher?

Gruev Das kann ich nicht beurteilen. Mir ist wichtig, dass es jetzt passt und wir gemeinsam eine gute Struktur und ein gutes Arbeitsklima geschaffen haben. Wir passen nicht nur fachlich, sondern auch menschlich zusammen. Das macht unsere Arbeit leichter.

Das klingt danach, als wäre eine Vertragverlängerung über Juni 2017 hinaus, nur noch Formsache.

Gruev Ich habe keinen Zeitdruck. Ich spüre das Vertrauen der Vereinsführung. In der Vorbereitung auf die Rückrunde, im Trainingslager in Portugal kann man sich darüber in Ruhe unterhalten.

Dann sprechen Sie also erstmals über die Verlängerung?

Gruev Wir sitzen auch jetzt schon zusammen und tauschen uns aus. In einer funktionierenden Beziehung braucht man dazu keinen besonderen Startschuss. Wir haben schon damit angefangen.

Wollen Sie denn unbedingt verlängern?

Gruev Ich fühle ich mich wohl hier, das ist eine sehr gute Voraussetzung, um über alles Weitere zu reden.

Sie haben in Kaiserslautern und Duisburg als Trainer gearbeitet. Sind Traditionsvereine einfach Ihr Ding oder könnten Sie sich auch mit einem künstlich erschaffenen Produkt wie Leipzig anfreunden?

Gruev Ich bin gerne bei Traditionsvereinen. Ich war auch noch bei Hajduk Split. Tradition spürt man, das ist ein gutes Gefühl. Aber Tradition alleine reicht nicht, es muss auch immer gute Arbeit geleistet werden. Bei den Traditionsvereinen genauso, wie auch bei den neu aufgestellten Projekten, die ich mich Interesse beobachte.

Ist diese Tradition also eher Bürde als Segen?

Gruev Nein. Ich schaue mir auch gerne Bilder vom MSV an, als er noch international und in der ersten Liga gespielt hat. Das gibt einem Selbstvertrauen, ist aber Jahre her. Man muss aufpassen, Realität und Tradition nicht zu vermischen, ein gesunder Realismus und ein gutes Gespür für das Machbare helfen weiter.

Was vermissen Sie denn an der zweiten Liga, wenn der Alltag dritte Liga ist?

Gruev Der MSV will wieder in die zweite Liga. Das ist klar und auch unser Ziel. In der zweiten Liga hast du mehr Zuschauer, du hast andere Bedingungen — auch finanziell. Ich kann mich über unseren Zuschauerschnitt in der dritten Liga nicht beklagen, aber es war toll, dass wir es geschafft hatten, unsere Arena in der vergangenen Rückrunde in den letzten drei Heimspielen bis auf den letzten Platz zu füllen.

(RP)
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