Ex-Torjäger überraschend verstorben Mit Tönnies geht ein Stück MSV

Duisburg · Michael Tönnies ist am Donnerstag überraschend verstorben. Unser Autor hat den ehemaligen Profi des MSV Duisburg spielen sehen. Ein Nachruf.

 Michael Tönnies im Trikot des MSV Duisburg.

Michael Tönnies im Trikot des MSV Duisburg.

Foto: dpa, sk nic

Auf einem Video über den MSV Duisburg sagt Michael Tönnies. "Ich bin Duisburger." Und der ehemalige Torjäger der Zebras fügt hinzu: "Immer noch. Dank Euch."

Dieser Nachsatz erzählt eine Geschichte. Eine Geschichte von Treue, von Kampfgeist und eben von Dankbarkeit. Das letzte Kapitel ist ein trauriges: Michael Tönnies starb im Alter von 57 Jahren an einer Lungenembolie. Für die Fans des Tabellenführers in der 3. Liga war der gebürtige Essener eine Legende.

Dem Rest der Fußball-Welt blieb der "Tornado" in Erinnerung dank seiner fünf Tore am 27. August 1991 gegen Oliver Kahn beim 6:2 des Bundesliga-Aufsteigers MSV über den Karlsruher SC. Sein Hattrick innerhalb von fünf Minuten war der schnellste der Bundesliga-Geschichte. Erst 2015 überholte ihn der Bayern Stürmer Lewandowski (3:22 Minuten). Als er den Rekord verlor, postete Tönnies: "Glückwunsch, das haste dir verdient, Robert." Und er sagte: "Schade, dass ich den Rekord verloren habe. Aber es gibt Schlimmeres." Und genau das ist die Geschichte des "Noch immer. Dank Euch".

Alkohol und Zigaretten gehörten bei Tönnies dazu

Der Stürmer hat zwischen 1987 und 1992 viele Tore für den MSV geschossen. 101 in 179 Spielen, um genau zu sein, in der Oberliga, der 2. Liga und in der Bundesliga. Mindestens ebenso viel hat er nach seiner Karriere auf dem Platz gelebt. Dem Bierchen nicht abgeneigt. Zigaretten hat er jede Menge geraucht. Niemand hat sie gezählt. 2005 wurde dann ein Lungenemphysem im Endstadium diagnostiziert. Nur eine Transplantation konnte ihm noch helfen. Der Leidensweg zermürbte den "Dicken", wie ihn Kollegen und Fans liebevoll nannten.

Ob er sich schon aufgegeben hatte? Schon möglich. Dann machten ihm die MSV-Fans Mut. Sie standen ihm bei in diesen für ihn persönlich schweren Tagen. Sie schrieben Briefe, schenkten ihm ihre Zuneigung. Mehr als ein Jahrzehnt nach seinem letzten Spiel für die Zebras. Der "Tornado" mit der Saustoffflasche als ständigem Begleiter fand zurück ins Leben. Und endlich, im Jahr 2013, glückte die lebensrettende Operation. Sie schenkte ihm weitere Jahre. Und er war sich dieses Geschenks bewusst. An einem U19-Fußball-Turnier zugunsten einer Organspende-Organisation arbeitete er noch am Tag vor seinem plötzlichen Tod.

Es war weit mehr als eine Fanfreundschaft, die den Stürmer mit den Zebras auf den Rängen verband. Es war echte Zuneigung. Weil ihn viele Freunde des MSV als einen von ihnen sahen. In den Momenten des Glücks, in den Augenblicken des Scheiterns. Irgendwie reviertypisch, dieses sich wieder aufrappeln, weitermachen. Irgendwie reviertypisch, dieses, jemanden nicht fallen lassen, wenn er aus dem Scheinwerferlicht tief in den Schatten fällt.

Ein Torjäger alter Schule

Der Beginn dieser wunderbaren Freundschaft ist ebenfalls grundgelegt in einer Geschichte vom Scheitern und Wiederauferstehen, und zwar des MSV selbst. Der Verein war 1987 in die Oberliga abgerutscht. Das Gründungsmitglied der Bundesliga, der Vizemeister von 1964, der Klub mit großer Tradition als bissige graue Maus war ins Amateurlager abgestürzt. Zu den Spielern fürs Comeback gehörte auch der Tönnies. Der kantige Stürmer war ein echter Vollstrecker, ein Torjäger alter Schule. Nicht vollkommen athletisch, aber im richtigen Moment am richtigen Fleck. Und drin das Ding!

Zu seinen wichtigsten Toren gehörte sein 29. Treffer beim 1:0-Heimsieg gegen Blau-Weiß Berlin. Das Tor stellte den Aufstieg in die Bundesliga 1991 sicher. Sieben Bundesliga-Spiele hat er für den Schalke 04 absolviert, die Karriere beim Wuppertaler SV ausklingen lassen. Alles fast vergessen.

In Duisburg aber zählen sie Tönnies zu den MSV-Legenden. Sein Bild ist an der Wand der Fantribüne der Schauinsland-Reisen-Arena aufgemalt.

Dieses Bild an der Wand ist für die MSV-Fans zum Ort der Trauer geworden. Viele kamen nach der Nachricht seines Todes in die Arena, entzündeten Kerzen davor. MSV-Chef Ingo Wald trauerte mit den Fans. Die Spieler Martin Dausch und Kevin Wolze zeigten sich ebenfalls. Torhüter Michael Ratajczak, der bis zur vergangenen Saison für den MSV gespielt hatte, wollte Tönnies ebenfalls die letzte Ehre erweisen. Ratajczak ist inzwischen Torwart des SC Paderborn, Gegner des MSV beim Rückrundenstart der 3. Liga am Samstag.

Dann dürfen sich die Spieler in der Pflicht sehen, nachträglich einen Herzenswunsch zu erfüllen: Zu gern hätte Tönnies die Rückkehr in die 2. Bundesliga gefeiert. Mit den Fans des MSV, mit seinen Fans. Tönnies war der Zebra-Familie mehr als ein ehemaliger Torjäger und jetzigem Co-Stadionsprecher. Er war ein Stück MSV mit allem, was den Verein in seiner kerligen Kantigkeit ausmacht. Er wird es in der Erinnerung bleiben.

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