Tumor-Erkrankung bei Frankfurt-Profi Alle reden über Russ — "eine Frechheit, was da abgelaufen ist"

Frankfurt/Main · Das Ergebnis im Relegations-Hinspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg spielte nur eine untergeordnete Rolle. Nach dem 1:1 war weiter die Tumor-Erkrankung von Frankfurts Marco Russ das beherrschende Thema - und es wurde zum Politikum.

Eintracht Frankfurt: Eigentor von Marco Russ gegen den FC Nürnberg
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Frankfurter Russ erzielt Eigentor gegen Nürnberg

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René Weiler sprach von einer "Inszenierung", Raphael Schäfer stellte gar "die Schwere der Erkrankung" infrage - am Ende ruderten beide zurück. Die niederschmetternde Tumor-Diagnose für Eintracht Frankfurts Marco Russ erhitzte noch weit nach dem Ende des Relegations-Hinspiels zwischen den Hessen und dem 1. FC Nürnberg die Gemüter. Dass der Eintracht nach dem 1:1 (0:1) der fünfte Abstieg aus der Fußball-Bundesliga droht, geriet zur Nebensache.

"Meine Worte waren dumm, dafür kann ich mich nur aufrichtig entschuldigen", wurde Club-Keeper Schäfer in einer eilig in der Nacht veröffentlichten Mitteilung des Vereins zitiert. Auch Trainer Weiler kam dabei zu Wort und der Trainer der Franken versicherte, dass er Russ natürlich "nur das Beste" wünschte. "Es geht mir immer um den Menschen - und Gesundheit ist dabei das allerwichtigste."

Und eigentlich waren sich im Endeffekt ja alle einig: Dass die Hessen nur einen Tag vor dem wichtigen Spiel über einen positiven Befund informiert worden waren und dann mit der fürchterlichen Diagnose an die Öffentlichkeit mussten, um Dopingpraktiken zu widerlegen, war für Eintracht-Trainer Niko Kovac "eine Frechheit. Was da abgelaufen ist - ich bin schockiert gewesen", sagte der Kroate. Weiler pflichtete ihm bei und sagte: "Es ist pietätlos, dass ein Klub und ein erkrankter Spieler dazu genötigt werden, die intimsten Dinge preisgeben zu müssen."

Relegation: Marco Russ dankt Fans mit seinen Kindern
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Russ dankt Fans mit seinen Kindern

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Foto: dpa, ade nic

Durch all die negativen Begleiterscheinungen - Dopingbefund, Tumor-Diagnose, Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft - sah sich Kovac bei der Vorbereitung auf die Partie "ganz klar gestört." Er maß der Partie, in der ausgerechnet dem tragischen Helden ein womöglich folgenschweres Eigentor unterlief (43.) und Mijat Gacinovic noch zum Ausgleich traf (65.), aber nur eine untergeordnete Rolle bei.

Viel lieber widmete er sich der vermeintlichen Verschwörung. "Es ist schon merkwürdig, dass wir genau einen Tag vor diesem wichtigen Spiel über die Testergebnisse der Dopingproben informiert werden", sagte er. Und irgendwie erschien der Ablauf der Dinge, so wie ihn Kovac jedenfalls skizzierte, tatsächlich seltsam.

Viermal war Russ in den vergangenen Wochen zu den Dopingkontrolleuren gebeten worden. Dass dabei die Ergebnisse vom Spiel bei Darmstadt 98 am 30. April praktisch zum selben Zeitpunkt an die Hessen übermittelt worden waren wie die vom Spiel in Bremen (14. Mai), verwunderte Kovac dann doch extrem. "Ich finde das merkwürdig. Das ist nicht gut gelaufen, das war schlecht", meinte der Kroate.

Wenig überraschend stand der 30-jährige Russ dann auch vor, während und nach der Partie im Fokus. "Marco hat bewiesen, dass er nervlich in der Lage ist, die Situation zu meistern", sagte Frankfurts Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, der sich zuvor über die Haus- und Hotelzimmerdurchsuchungen der Staatsanwaltschaft wegen des vermeintlichen Dopingvergehens echauffiert hatte. "Mit diesen Nebengeräuschen müssen wir als Profis umgehen können. Ich glaube nicht, dass wir deshalb schlechter geschlafen haben", sagte Frankfurts Abwehrspieler Bastian Oczipka.

Torjäger und Kapitän Alexander Meier, der seinem "Vize" Russ an diesem Abend die Kapitänsbinde überlassen hatte, sprach hingegen von einem "Schock". Die Gesundheit sei im Leben schließlich "das Wichtigste", und der Fußball "dann nur zweitrangig." Auch deshalb ermutigte er seinen erkrankten Teamkollegen für die kommenden Wochen. "Er hat war eine schwere Zeit vor sich, aber Marco wird das packen", sagte Meier.

Die nötige Ruhe dafür wird Russ jedenfalls finden - hofft zumindest Kovac. "Ich weiß nicht, wie er sich fühlt, aber mit Sicherheit nicht gut", sagte der Coach: "Man sollte ihn jetzt wirklich in Ruhe lassen."

Bereist am Dienstag soll Russ operiert werden. Für das Rückspiel am Montag (20.30 Uhr/Live-Ticker), für das sich beide Teams gut gewappnet sehen, wird er wegen seiner zehnten Gelben Karte gesperrt sein. "Es geht weiter. Das Spiel ist komplett offen und beide Mannschaften haben alle Möglichkeiten", sagte Weiler. Kovac sah es ähnlich: "Da ist noch nichts entschieden. Wir werden die Kräfte bündeln und am Montag wieder frisch auftreten."

(sid)
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