Irres 4:4 gegen die Hertha Schaaf steht für das Spektakel

Frankfurt/Main · Die Formschwankungen seiner Profis kosten Trainer Thomas Schaaf Nerven. Der Trainer von Eintracht Frankfurt erlebte auch beim 4:4 gegen Hertha BSC ein Wechselbad der Gefühle.

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Selbst einen Ruhepol wie Thomas Schaaf bringt der Tempel des Spektakels mittlerweile völlig aus dem seelischen Gleichgewicht. "Es macht einfach unheimlich viel Spaß, aber es kostet auch Nerven", sagte der sichtlich mitgenommene Trainer von Eintracht Frankfurt nach dem denkwürdigen 4:4 (1:3) gegen Hertha BSC Berlin.

Drei Tore im Schnitt

Die Fans sind von Schaaf Spektakel gewohnt. In Bundesliga-Spielen mit Schaaf an der Seitenlinie fallen im Schnitt mehr als drei Tore — eine Wahnsinns-Quote. In seinen 15 Jahren als Übungsleiter von Werder Bremen — ausgenommen sind die vier Spiele, die Schaaf in der Saison 1998/99 Werder als Cheftrainer betreute — sahen die Zuschauer pro Saison durchschnittlich 110 Treffer. Das Torverhältnis der Eintracht von 33:33 deutet darauf hin, dass diese Quote auch am Ende der aktuellen Saison eingehalten wird.

Schaaf spielt mit seinen Mannschaften immer volles Risiko, verzichtet in seiner Rauten-Formation anders als der Großteil der Konkurrenz auf den zweiten defensiven Mittelfeldspieler. Deshalb ist die Eintracht in der Defensive anfällig, kann den Ball im Angriffsspiel aber schneller nach vorne tragen als viele Gegner.

Nach einem halben Jahr am Main müsste sich der Ex-Bremer Schaaf aber langsam an die regelmäßigen Stresstests gewöhnt haben. In keinem anderen Bundesliga-Stadion fielen in dieser Saison bislang so viele Tore (41) wie in der WM-Arena im Frankfurter Stadtwald. Von Himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt — die Hessen bieten bei ihren Heimspielen (21:20 Treffer) meist die komplette Gefühlspalette. Und das im Schnelldurchgang.

Schaaf lobt die Moral

So wie gegen Berlin, als die Eintracht mit 0:3 und 2:4 zurücklag, aber dank eines Doppelschlages von Alexander Meier (90./90. +1) doch noch zum hochverdienten Ausgleich kam. "Da hat man die Moral unserer Mannschaft gesehen und muss den Hut ziehen", sagte "Fußball-Gott" Meier nach dem Finale furioso. Der vor dem abschließenden Hinrunden-Spieltag mit zwölf Treffern beste Bundesliga-Torschütze sprach von einem gewonnenen Punkt für den Tabellenneunten.

Schaaf indes war das Torfestival, das auch Eintracht-Keeper Timo Hildebrand in seinem 300. Bundesligaspiel nicht verhindern konnte, fast schon zu nervenaufreibend: "Wir wollen viel Spektakel sehen, aber das ist mir ein bisschen zu viel Spektakel", meinte der 53-Jährige schmunzelnd.

Auch die weiter in Abstiegsgefahr schwebenden Berliner fühlten sich nach dem Krimi wie im falschen Film. "Ich weiß nicht, ob ich heulen oder lachen soll", sagte Julian Schieber bei Sky. Der Stürmer hatte nach den Treffern von John Anthony Brooks (21.) und Änis Ben-Hatira (33.) zum vermeintlich komfortablen 3:0 (37.) nachgelegt. "Vielleicht haben wir uns dann einen Tick zu sicher gefühlt", monierte Hertha-Coach Jos Luhukay und haderte: "Es ist bitter, eine gefühlte Niederlage." Zu allem Überfluss verletzten sich der starke Ronny und Roy Beerens, die beide ausgewechselt werden mussten.

Beschaulichere Weihnachtsstimmung herrschte da schon bei der Eintracht. Nachdem Meier nach dem Abpfiff mit einer Nikolaus-Mütze auf dem Kopf die Fans mit T-Shirts beschenkt hatte, zog er schonmal ein Fazit. "Es war für uns eine Okay-Hinrunde." Nicht mehr, nicht weniger, aber in jedem Fall sehr extrem.

Was auch die Zahlen belegen: Die Frankfurter haben hinter Tabellenführer Bayern München die zweitmeisten Treffer (33) geschossen, aber hinter Schlusslicht Werder Bremen auch die zweitmeisten Tore (33) kassiert. Nicht zuletzt, weil bei Auftritten im heimischen Stadion fast immer außergewöhnliche Dinge passieren. Oder, wie es Eintracht-Finanzvorstand Axel Hellmann nach dem neuerlichen Scheibenschießen so treffend formulierte: "Willkommen im Tempel des Spektakels."

(sid)
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