EM-Held des Gastgebers Griezmann verbeugt sich — Frankreich verneigt sich

Marseille · Antoine Griezmann steht als EM-Torschützenkönig so gut wie fest. Er ist auch im Finale der große Hoffnungsträger für Frankreich. Schon werden Vergleiche mit Michel Platini und Zinedine Zidane laut.

EM 2016: Antoine Griezmann verbeugt sich vor französischen Fans
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Matchwinner Griezmann verbeugt sich vor Fans

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Foto: dpa, pgr

Auf einmal hielt Antoine Griezmann inmitten all des Jubels, der Ausgelassenheit und der Freude inne. Der neue Fußballheld der Grande Nation legte einen Arm an den Bauch und verbeugte sich im Stil eines gefeierten Theater-Schauspielers vor den Fans, deren Ovationen einfach nicht enden wollten. Die Kameras der Fotografen klickten - und am Tag nach dem Halbfinal-Triumph der Franzosen über Weltmeister Deutschland zierte das Foto des Doppeltorschützen alle Zeitungen.

"Die Feier mit den Fans war eine fantastische Sache für mich. Das wollen wir im Finale wiederholen", kommentierte Griezmann zunächst seine Geste nach dem 2:0 (1:0). Dann widmete er den Einzug ins Endspiel am Sonntag gegen Portugal (21 Uhr/Live-Ticker) der ganzen Nation: "Es war unsere Pflicht, den Franzosen Freude zu bereiten, um sie von den Gedanken an den Terror abzulenken. Ich hoffe, wir können dieses Finale für alle Menschen in unserem Land gewinnen."

Auf den Spuren von Platini und Zidane

Und ganz Frankreich baut im Showdown gegen die Portugiesen um Superstar Cristiano Ronaldo auf "Grizou". Nach seinen Treffern Nummer fünf und sechs (45.+2, Handelfmeter/72.) ist der schmächtige Stürmer endgültig der große Hoffnungsträger. Der 25-Jährige, der auch schon zweimal als Vorlagengeber glänzte, soll die Franzosen zum dritten EM-Titel nach 1984 und 2000 führen.

Das sehen auch die Medien so. "Er ist nach Michel Platini und Zinedine Zidane der neue Star der Blauen", schrieb Le Parisien. Und Le Courrier de l'Ouest meinte: "Wir dürfen vom Titel träumen. Griezmann ist ein Teufel." Der gefeierte Held sieht den Gastgeber allerdings nicht als Favoriten. "Die Chancen stehen 50:50", sagte der Angreifer.

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Foto: afp

Zusätzliches Selbstvertrauen hat Griezmann dennoch gewonnen - durch seinen Treffer vom Punkt. "Ich wollte einen Elfmeter in einem großen Spiel verwandeln", sagte der Torjäger von Atletico Madrid, der damit sein Trauma überwunden hat: Ende Mai hatte Griezmann im verlorenen Finale der Champions League gegen den Stadrivalen Real einen Elfmeter verschossen.

"Grizou" war immer zu klein

Das war allerdings nicht der erste Rückschlag in der Karriere Griezmanns. Schon mit 13 Jahren hatte er sich bei einem halben Dutzend französischer Erstligisten präsentiert - doch kein Klub wollte ihn haben. "Ständig hieß es, ich wäre zu klein", erzählt der 1,76 m große Griezmann heute noch.

Das änderte sich erst, als er von Eric Olhats entdeckt wurde. Sein heutiger Berater war vor elf Jahren Spielerbeobachter von Real Sociedad San Sebastian. Er erkannte das Talent des schmalen Bürschchens und nahm Griezmann mit ins Baskenland. 2009 feierte Griezmann sein Debüt bei den Profis, 2014 wechselte er für 30 Millionen Euro nach Madrid - damals schon als französischer Nationalspieler, der kurz zuvor seine erste WM-Endrunde gespielt hatte.

Bevor Griezmann für die Equipe tricolore auflaufen durfte, musste er allerdings Abbitte leisten. Schließlich wurde er im November 2012 vom französischen Verband FFF für mehr als ein Jahr suspendiert. Griezmann war während eines Trainingslagers mit der U21 ausgebüxt und hatte sich in einem Nachtclub vergnügt.

Doch diese Affäre wurde Griezmann längst verziehen. Selbst die Tatsache, dass er nach seinen Treffern auf Spanisch jubelt, ist für die Franzosen kein Thema mehr. Die Hauptsache ist, Griezmann jubelt überhaupt. Am besten schon wieder am Sonntag.

(sid)
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