Knochenharter Abwehr-Spezialist Chiellini ist Italiens Signore Gnadenlos

Saint-Denis · Auf dem Spielfeld hält Giorgio Chiellini gar nichts von akademischer Zurückhaltung. Viermal hat er sich in knochenharten Zweikämpfen bereits seine markante Nase gebrochen, und wenn ihm nicht gerade ein Stürmer die Zähne in die Schulter rammt, wie bei der WM 2014 geschehen, zieht er seine Gegner gerne mal an den Haaren. Oder er grätscht sie so humorlos um, dass es schon beim Zusehen schmerzt.

Chiellini staubt zum 1:0 ab
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Chiellini staubt zum 1:0 ab

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Foto: afp

Chiellini ist also ein beinharter Verteidiger der alten italienischen Schule, das werden im EM-Viertelfinale am Samstag (21 Uhr/Live-Ticker) in Bordeaux auch die deutschen Offensivspieler in hoher Intensität zu spüren bekommen. Dabei ist er abseits des Rasens ein ganz anderer Mensch.

Giorgio Chiellini, 31, geboren in Pisa, gilt als Intellektueller im abgekochten Abwehrverbund der Squadra Azzurra. Er ist Absolvent der Universität Turin, der Titel seiner Abschlussarbeit als Betriebswirt lautet: "Die Bilanzen von Fußballklubs am Beispiel von Juventus Turin." Bald schon will er sich Dr. Chiellini nennen — die Promotion steht an. Passend dazu liegt der Trainingsplatz der Italiener in Montpellier in der "Avenue Albert Einstein".

Aufgrund seines feurigen Temperaments nannte sich Chiellini, Sohn eines Chirurgen und einer Managerin, selbst mal den "Comic-Gorilla". "Das war schon immer mein Charakter: Auf dem Feld bin ich impulsiv, neben dem Platz viel gelassener und reflektierter. Ich schaffe es, diese beiden Dinge zu trennen", sagte er. Abwehr und Angriff dagegen verbindet er gekonnt: Er erzielte das 1:0 beim 2:0 im Achtelfinale gegen Spanien.

Im Ansehen seiner Mannschaftskollegen und der italienischen Medien kann er kaum noch steigen. "Chiellini ist ein Bollwerk. Seine Leistung ist majestätisch", schrieb der Corriere dello Sport. La Stampa nannte ihn "einen Gladiator", der Corriere della Sera lobte: "Chiellini ist wie ein Soldat im Schützengraben. Er ist nie unvorbereitet."

"Der Traum ist noch nicht vorbei"

Inmitten seiner stolzen Mitspieler hatte Chiellini nach dem Abpfiff seine ganze Freude herausgeschrien. "Das ist kein Märchen, sondern die Geschichte eines außergewöhnlichen Teams. Der Traum ist noch nicht vorbei", schrieb er danach unter sein Jubelfoto bei Instagram.

Dass es nun gegen den Weltmeister geht? Einem furchtlosen Kerl wie Chiellini ist das einerlei. "Jetzt kommt der Spaß!", sagt er locker. Kein Wunder, er bringt seine Gegner ja reihenweise zur Weißglut. So wie Uruguays Star Luis Suárez, der Chiellini bei der WM 2014 in die Schulter biss und für vier Monate weltweit gesperrt wurde.

Für den Abwehrchef von Juventus sind solche Szenen wohl die schönste Bestätigung. Er liebt es, Herausforderungen anzugehen und sie zu bestehen. Da kommt der nächste Gegner gerade recht. "Jetzt müssen wir gegen die Deutschen antreten, die als Favoriten starten", sagte er mit Blick auf das Duell der Schwergewichte: "Sie sind zwar die Weltmeister, doch wir können eine außerordentliche Leistung schaffen. Für uns hat das Turnier erst so richtig begonnen."

Das darf ruhig als Kampfansage an die deutsche Offensive um Mesut Özil und Mario Gomez verstanden werden. "Auf dem Platz kann er ein Schwein sein", sagt sein alter Kumpel Albin Ekdal, Chiellinis früherer Mitspieler in Turin: "Er schauspielert und versucht, den Schiedsrichter zu beeinflussen, so auf klassisch italienische Art." Schlimm findet Ekdal das nicht: "Jede Mannschaft hätte gerne einen wie ihn in ihren Reihen."

(sid)
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