EM 2016 Immer Ärger mit den Russen

Düsseldorf · Als Wolfgang Niersbach noch als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes in Amt und Würden war, sagte er mal: "Wenn die WM in Brasilien abgepfiffen wird, beginnt sofort die Diskussion um Russland 2018 und um Katar 2022 sowieso."

Marseille: Russische Hooligans stürmen England-Block
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Russische Hooligans stürmen England-Block

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Foto: ap, AF FP

Bei einer Gesprächsrunde unserer Zeitung im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2014 war das. Über Katar, die Menschenrechtsverletzungen dort, das Klima und die mutmaßliche Bestechung bei der Vergabe ist seitdem viel geredet worden. Gerade im Zusammenhang mit den Machenschaften bei der Fifa. Aber Russland?

Die WM dort galt als das kleinere Übel, wenn man überhaupt von Problemen in Bezug auf den Gastgeber des nächsten großen Turniers sprechen wollte. Und der Konflikt um die Ostukraine ist ein wenig aus dem internationalen Fokus gerutscht. Nun, da russische Hooligans in Frankreich wüten und zum Teil Rückendeckung aus Moskaus Politik bekommen, wird deutlich, wie heikel es in zwei Jahren werden kann, wenn das deutsche Team als Titelverteidiger antritt. Jetzt werden die ersten Stimmen laut, die danach rufen, den Russen das Turnier zu entziehen. Nicht einmal zwei Jahre vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels am 14. Juni 2018 im Moskauer Luschnikistadion ist das reichlich spät.

Es scheint, als habe die russische Regierung kein Interesse daran gehabt, die Gewalttäter an der Reise nach Frankreich zu hindern. Doch wie sieht es in zwei Jahren aus? Präsident Wladimir Putin lässt sich seine nächste Show kaum von Gewalttätern stören und zerstören. Er wird 2018 unnachgiebig gegen sie vorgehen. Die EM in Frankreich ist für die Hooligans eine der wenigen Gelegenheiten in diesem Jahrzehnt, für Angst und Schrecken zu sorgen. Die WM in Brasilien war für die europäischen Gewalttäter zu weit weg, Russland 2018 wird wohl gut bewacht, das paneuropäische EM-Turnier 2020 ist zu weit verzweigt, und Katar 2022 ermöglicht keine unauffällige Einreise.

Die Europäische Fußball-Union nimmt das russische Hooligan-Problem ernst. Die Sbornaja ist nur noch auf Bewährung im Turnier und soll nach Hause geschickt werden, falls Russen weitere Auseinandersetzungen in den Stadien anzetteln. Vielleicht erledigt sich das Problem, wenn die Mannschaft in der Vorrunde ausscheidet. Vielleicht führt ein frühes Aus aber erst recht zu einer Eskalation.

Für den Weltsport ist Russland derzeit eine große Belastung. Am Freitag entscheidet der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) in Wien, ob die russischen Läufer, Springer und Werfer bei den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro antreten dürfen. Seit 13. November sind die Leichtathleten gesperrt, weil die Russen nicht genügend Reformschritte gehen, um das flächendeckende Doping zu bekämpfen. IAAF-Präsident Sebastian Coe sagt: "Wir sind da ganz klar: Wenn Russland die Kriterien nicht erfüllt, ist es in Rio nicht dabei." Abwarten.

Sotschi war der Höhepunkt von Putins sportlicher Inszenierung

Seit der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping — Wie Russland seine Sieger macht" vom Dezember 2014 steht das Land am Pranger. Zumal eine Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur in einem 323-seitigen Report die Beweise für den großen Betrug nachlieferte. Und zuletzt lieferte ein Insider stichhaltige Hinweise dafür, dass die Gastgeber bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi im großen Stil betrogen haben.

Überhaupt Sotschi. Die mit rund 50,8 Milliarden Euro mit Abstand teuersten Winterspiele waren bislang der Höhepunkt von Wladimir Putins sportlicher Inszenierung. Ohne Rücksicht auf die Natur in der zuvor wilden Bergregion am Schwarzen Meer. "Ich möchte dem Präsidenten der Russischen Föderation für seinen persönlichen Einsatz für den außerordentlichen Erfolg dieser Olympischen Winterspiele danken", sagte der unterwürfige IOC-Präsident Thomas Bach im Rahmen der Schlussfeier. Erst jetzt geht Bach ein wenig auf Distanz zum Kreml-Chef.

Der Sport dient dem ehemaligen Judoka Putin, der sich auch im Alter von 63 Jahren noch gern als Athlet inszeniert, um das Land als kraftvoll und modern darzustellen. Leichtathletik-WM, Schwimm-WM, Eishockey-WM, Formel-1-Rennen - all das nutzt Putin, um der Welt und dem eigenen Volk Stärke zu demonstrieren. Und wie sagte Putin doch, als er am Abend des 2. Dezember 2011 in Zürich einschwebte, um die Vergabe der Fußball-WM 2018 an sein Land zu feiern? "Die Entscheidung zeigt, dass Russland vertrauenswürdig ist. Sie sagt viel aus über unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten und unsere politische Stabilität."

(bei)
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