EM-Auftakt gegen Belgien No Pirlo, no party? Italien will das Gegenteil beweisen

Montpellier · Wenn bei der EM die Favoriten aufgezählt werden, spricht kaum jemand von Italien. Das soll sich am Montag gegen Belgien ändern. Doch der "Squadra Azzurra" fehlen vermeintlich die Spieler für Geniestreiche.

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Andrea Pirlo genießt seine Freizeit. Schwimmen, Englisch lernen, die neue Heimat New York erkunden, alles selbstverständlich in einer Lässigkeit, wie wohl nur er sie ausstrahlen kann. Langes, wallendes Haar, Vollbart, Sonnenbrille, modische Kleidung, verträumter Blick: Die Aura des "Maestros" umgibt den italienischen Superstar auch fernab der Fußball-EM.

Irgendwie ist es genau dieser Glanz, sind es diese Persönlichkeiten, die der Squadra Azzurra bei der EM fast völlig abgehen. No Pirlo, no party? Das wollen die Italiener schon in ihrer Auftaktbegegnung am Montag gegen Belgien unbedingt verhindern. Obwohl Nationaltrainer Antonio Conte einige Stars fehlen - und der Finalist von 2012 bei der Aufzählung der Titel-Favoriten so gut wie nie genannt wird.

"Aus Erfahrung wissen wir, dass die Italiener unter Druck das Beste leisten können", sagte Trainer-Idol Arrigo Sacchi, 1994 WM-Finalist, dem SID. Er schränkte aber auch ein: "Nur die Gruppe kann die Mängel der Einzelnen beheben. Die Italiener werden in Frankreich eine außerordentlich starke Motivation entwickeln müssen, wollen sie bis in die K.o-Runde kommen. Nur mit Teamgeist, Zusammenhalt und größter Konzentration können die Azzurri ihre offenkundigen Grenzen überwinden."

Denn neben Pirlo, dessen Wechsel in die "Operettenliga" MLS Conte gar nicht gefallen hat, fehlen der Squadra Azzurra unter anderem der wegen seines Lebenswandels nicht nominierte EM-Held Mario Balotelli sowie die verletzten Stammspieler Marco Verratti und Claudio Marchisio.

Bleibt die Hoffnung auf die Stärke der Italiener: Die Abwehr um den "ewigen" Torwart Gianluigi Buffon (38) sowie die ebenfalls erfahrenen Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci, Giorgio Chiellini. Und vorne? Sollen das Glück und Hoffnungsträger Lorenzo Insigne vom SSC Neapel helfen.

Doch selbst in der so stolzen Heimat ist die Hoffnung gering. In den italienischen Medien ist schon von der schwächsten "Squadra" seit Jahrzehnten die Rede. Das 1:4 gegen Deutschland in der Vorbereitung tat sein Übriges. Dennoch ist der Andrang im Teamcamp in Montpellier groß: Mehr als 70 Journalisten verfolgten die ersten Pressekonferenzen, fast 1000 Zuschauer das erste Training. Der Bürgermeister Montpelliers begrüßte seine Gäste persönlich.

Zuspruch können die Italiener auch brauchen. In der nominell stärksten Gruppe treffen sie neben Favorit Belgien auf Schweden mit Superstar Zlatan Ibrahimovic und die enthusiastischen Iren. Selbst ein Vorrunden-Aus scheint nicht ausgeschlossen.

Wie schon vor zwei Jahren bei der WM 2014. Und viel zum Guten gewendet hat sich seitdem nicht. Nationaltrainer Conte zog wohl auch deshalb einen Schlussstrich und wechselt nach der EM zum FC Chelsea. Irgendwie passt es ins Bild, dass Contes Nachfolger Giampiero Ventura weitestgehend unbekannt ist.

"Die großen Vereine mit Ausnahme von Juventus setzen kaum mehr italienische Fußballer ein. Klubs wie der SSC Neapel oder Inter haben praktisch keine Italiener mehr im Kader", sagte Sacchi: "Wie kann man da hoffen, dass sich aus dieser Situation eine starke Nationalelf entwickelt?"

Zumindest einer bleibt zuversichtlich: Pirlo. "Obwohl ich nicht dabei sein kann, glaube ich daran, dass Italien sich gut schlägt", sagte er: "Wir hatten eine gute Qualifikation und haben den großen Wunsch, etwas Großes zu erreichen."

(sid)
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