Oranje-Aus schlägt hohe Wellen "Was haben wir eigentlich in den zwei Jahren getan?"
Beißender Spott für Bondscoach Danny Blind, Abrechnung mit der "Playstation-Generation" und lautstarke Forderungen nach Reformen: Das peinliche EM-Aus der Niederländer sorgt weiterhin für Grundsatzdebatten rund um die Elftal. Immer heftiger wird der Gegenwind für die Verantwortlichen des Qualifikations-Debakels, die von zahlreichen Größen der Vergangenheit ins Visier genommen werden.
Nach Ansicht von Ex-Bundesligatrainer Huub Stevens (61) hat Oranje "den Anschluss verloren. Das Land und der Verband ließen sich vom dritten Platz bei der WM blenden. Dabei lag schon vor der WM vieles im Argen", sagte er im Kicker. Ex-Nationalspieler Erik Meijer (46) attackierte in der Hamburger Morgenpost Trainer Blind, der "nicht genügend Qualität" und in den entscheidenden Spielen "zu viel experimentiert" habe.
Wim van Hanegem, einer der Vizeweltmeister von 1974, meinte im Telegraaf ironisch, dass Blind seinem Namen alle Ehre mache. Überdies bezeichnen niederländische Medien die Spieler als "Playstation-Generation", die sich statt mit Fußball mehr mit anderen Dingen beschäftigten. In Umfragen zeichnet sich auch eine Abkehr der Fans von Blind und Verbandschef Bert van Oostveen ab.
Die Kritik von Ex-Bondscoach Bert van Marwijk zielt denn auch auf das seiner Meinung nach insgesamt planlose Handeln. "Dem KNVB fehlen Strukturen. Es ist vollkommen eskaliert", sagte der ehemalige Bundesliga-Coach van Marwijk der Zeitung Volkskrant. Blind und van Oostveen, müssten sich fragen: "Was haben wir eigentlich in den vergangenen zwei Jahren getan?" Stevens pflichtete bei, die hochgepriesene niederländische Nachwuchsschule habe an Qualität verloren.
Wesentlich mehr Fußball-Sachverstand müsse in den Verband, dafür plädiert auch die Trainervereinigung CBV. Ein Sportdirektoren-Modell wie in Deutschland mit Hansi Flick wird favorisiert. Bislang ist die Position in den Niederlanden nicht existent. "Er muss ein Schwergewicht sein, der sich beim Verband ausschließlich mit Fußball beschäftigt", sagte CBV-Direktor Gerard Marsman in AD. Der Telegraaf bringt für diesen Posten Frank Rijkaard aus der Goldenen Generation der Europameister von 1988 ins Gespräch.
Noch aber stellt sich van Oostveen gegen die Welle der Kritik und lehnt einen Sportdirektor ab. Erst Ende November wird der Aufsichtsrat des Verbandes, dem der frühere Schalke-Profi Johan de Kock angehört, in Klausur gehen und das EM-Aus aufarbeiten. Dann soll sich auch entscheiden, wie tiefgreifend mögliche Reformen ausfallen und ob personelle Konsequenzen nötig sind, zumal durch die verpasste Qualifikation finanzielle Einschnitte erwartet werden.
Vorerst bleibt der öffentliche Eindruck, dass die Elftal mit ihrem blamablen Auftreten auch die Oranje-Fußball-Schule zu Grabe getragen hat. "Ich hoffe, dass dem Verband die Augen aufgegangen sind. Es muss eine Kurskorrektur stattfinden", fordert der hochangesehene Toon Gerbrands, Direktor der PSV Eindhoven und früherer Volleyball-Bondscoach: "Wenn der KNVB so weitermacht, gibt es keine Erneuerungen. Dann stagnieren wir." Und auch die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland wäre dann wohl gefährdet.